Eigenverantwortung Reloaded

Der gute Erwin kommentiert den Vortrag eines Psychologen, der analysiert haben will, warum unsere heutige Jugend so unzufrieden und unglücklich sei. Das liegt natürlich nicht an hohen Mietpreisen, schlechten Löhnen, Armutsrenten, miesen Arbeitsbedingungen, Inflation, C‑Terror, Medienlügen oder einer gezielten Atomisierung und Spaltung der Gesellschaft. Nicht doch. Nein! Jeder sei doch seines Glückes Schmied, soll mal nicht so ein »Opfer« sein, mehr Eigenverantwortung zeigen, weniger narzisstisch sein und Resilienz aufbauen, so der Psychologe.

Diese neoliberale Propaganda ‑die jedwede strukturell bedingte Ungerechtigkeit, welche die Menschen immer mehr unter Druck setzen, erbost von sich weist und alles zu einer »individuellen Entscheidung« machen will- hören und lesen wir überall. Seit Jahrzehnten. Nicht wenige Psychologen fungieren hier als Stützpfeiler dieser Erzählung. Jeder zweite Irgendwas-Coach arbeitet mit der »Eigenverantwortungsformel«, negiert gesellschaftliche Zustände sowie strukturelle Gewalten (oder degradiert sie als Randerscheinung) und zementiert damit Fatalismus und Resignation.

Natürlich ist »die Gesellschaft« auch nicht für alles verantwortlich und der Aufbau von Resilienz, Mut und Verantwortungs- sowie Selbstbewusstsein ist generell zu begrüßen. Es gibt hier kein Entweder Oder, sondern ein Sowohl als Auch. Kritisch wird es aber, wenn insbesondere Psychologen, Coacher oder Ausbilder gar keine gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und sozioökonomischen Ursachen mehr sehen, sondern alles zu einem individuellen Problem machen wollen.


»Resilienz«
»Mehr Eigenverantwortung wagen!«

Filmtipp: »Outland«

Der Sci-Fi-Western »Outland« aus dem Jahr 1981 von Peter Hyams und mit Sean Connery in der Hauptrolle, ist meines Erachtens, ein unterschätztes Werk. Die Geschichte ist schnell erzählt. Auf einer Minenkolonie auf dem Mond Io, in der Nähe des Jupiters, gibt es mysteriöse Todesfälle. Der neue und unbestechliche Marshal O’Neil (Sean Connery) geht dem nach und deckt eine Zusammenarbeit von einem Konzern mit Kriminellen auf. In typischer Western-Manier kommt es zum Showdown im Weltraum. Dieser, sowie der Weg dorthin, sind sehr atmosphärisch inszeniert.

Es ist nicht die Geschichte, die den Film besonders macht. Auch nicht die schauspielerischen Leistungen oder die Dialoge, die zwar solide, aber nicht herausragend sind. Es ist die düstere Immersion. Ton, Kamera, Setting, Kulissen und Ausstattung (Zukunftstechnologie) wissen zu überzeugen. Lange vor der Verfolgungsjagd zu Fuß in »Casino Royale« mit Daniel Craig (2006), wurde sie schon in »Outland« (1981) spannend in Szene gesetzt. Der Zuschauer wird förmlich mitgerissen in diese extrem bevölkerungsdichte Minen-Kolonie, bei der man alle paar Meter über einen Menschen stolpert.

»Das ist eine ganze Maschinerie, die genau deshalb funktioniert, weil jedes Schräubchen genau das tut, was von ihm erwartet wird. Ich bin ein Schräubchen das falsch funktioniert.«

- Marshal O’Neil (Sean Connery)

Obwohl der Film die Action und das Setting in den Vordergrund rücken, werden dennoch Themen wie Ausbeutung, Drogenmissbrauch und Korruption subtil angesprochen. Ganz im Stil von »Alien 1« (1979) lässt sich der Film teilweise viel Zeit, damit der Zuschauer eintauchen kann. Es gibt wenige überflüssige Dialoge und minutenlang auch gar keine Gespräche. Hier wurde ‑im Gegensatz zu vielen dauerplappernden Protagonisten in aktuellen Filmen- »Show don´t tell«, noch ernst genommen.

Auch der Umgang mit und die Darstellung von Computern, ist sehr nah an »Alien 1«. Man sieht sehr deutlich, wie stark Ridley Scott’s Meisterwerk, zwei Jahre zuvor, diesen Film beeinflusst hat. Fazit: sehenswert und unterhaltsam!


Filmtipp

Neulich bei »Zukunftia«

Auf dem Blog »Zukunftia« gibt es primär Reviews zu Sci-Fi-Filmen und ‑Serien. In aller Regel sind sie sehr unterhaltsam und humorvoll geschrieben. Da ich selbst ein bekennender Sci-Fi‑, »Babylon 5«- sowie »Dune« — Fanboy bin und mir gutes Storytelling, glaubhafte Charaktere, nachvollziehbares Worldbuilding sowie erwachsenes Writing sehr wichtig sind, lese ich seit einiger Zeit dort.

Nun habe ich einen Kommentar zu »The American Society of Magical Negroes – Das Review ohne Black Power« hinterlassen. Was dann folgte, offenbart mal wieder den katastrophalen Geisteszustand von vermeintlichen Linken in Deutschland. Weiterlesen

Die Zehn Gebote

Bitte sagen Sie die folgenden Zehn Glaubenssätze fehlerfrei auf. Erst dann können (und wollen!) wir mit Ihnen reden. Danke.


1.) Die »C‑Impfung« ist sicher und hat mehr Menschen gerettet, als geschadet.

2.) Putin ist Hitler. Der brutale russische Überfall auf die Ukraine war unprovoziert und hat keine Vorgeschichte.

3.) Der Klimawandel ist menschengemacht und ist das größte Problem der Menschheit.

4.) Es gibt mehr als Zwei Geschlechter.

5.) Der barbarische Terrorangriff der Hamas, am 7. Oktober 2023, war unprovoziert und hat keine Vorgeschichte. Israel hat jedes Recht sich zu verteidigen.

6.) Es gibt keine Cancel-Culture, keine Verschwörungen, keine mediale Gleichschaltung, keine staatlichen Repressionen, keine Selbstzensur — und keine mächtigen Eliten, Netzwerke, Hedge Fonds und Konzerne, die eigene Interessen haben.

7.) Die AfD ist die neue NSDAP. Wenn wir Demokraten nicht zusammenhalten, haben wir ein neues 1933.

8.) »Demokratie« ist die Bundesregierung. Sie will nur unser Bestes und wir können Ihr immer vertrauen. Wer sie kritisiert, ist ein Delegitimierer des Staates.

9.) Die NATO und die US-Regierung kämpfen weltweit für Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie.

10.) Wir schaffen das! Wir leben im besten Deutschland aller Zeiten!


Bekenne Dich! Lass ab von der Sünde des Selbstdenkens! Befreie Dich von unreinen Gedanken! Sei kein Nazi! Komm zu uns! Bekenne Dich!

Obdachlosigkeit

»Wer nicht mehr davon bedroht ist, durch Leistungskürzungen oder gar eine Leistungsstreichung seine Wohnung zu verlieren und ins nackte Elend zu stürzen, der kann vom Jobcenter schwer dazu genötigt werden, völlig unterbezahlte Jobs mit kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen anzunehmen.«

- telepolis.de vom 24. Dezember 2023

Anmerkung: Sehr scharfe, kritische, aber zutreffende Analyse von Fabian Lehr am »Tag der Nächstenliebe«. Rund 500.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Kostenlose und/oder günstige Sozialwohnungen würden weniger Kosten verursachen als Notunterkünfte, inklusive Personal, Folgekosten von medizinischen Kosten und Suchtbehandlungen. Mit einer Wohnung hätten Obdachlose zudem wenigstens die Chance auf eine Erwerbsarbeit.

Der Artikel geht aber noch weiter: kostenlose Unterbringungsmöglichkeiten wären eine »Kampfansage an die Immobilienindustrie.« Die völlig überteuerten Mietpreise für Einzelwohnungen in Großstädten wären kaum haltbar. Also werden nicht Obdachlosigkeit, sondern die Obdachlosen bekämpft. Beispielsweise mit menschenverachtenden Methoden der »defensiven Architektur«.

Übrigens sind deutlich mehr Männer als Frauen obdachlos. Lehr’s Analyse ist deshalb so wichtig, weil er endlich die systemischen Ursachen der Obdachlosigkeit aufzeigt, anstatt nur die Einzelfall-Begründung zu betonen (Alles Säufer, Drogenabhängige, Arbeitsfaule, Kriminelle, selbst schuld, bla bla bla).


»Beseitigung von Obdachlosigkeit«
Die Sprache der Menschenverachtung

Über Eigentum

Foto: GuentherDillingen / Pixabay

Ein Verhandlungsgespräch zwischen einem Rechtsanwalt einer Öl-Firma und einem Indianer-Häuptling.

Perez (Rechtsanwalt): »Ich will das Land ehrlich kaufen von Ihnen, für einen guten Preis!«

Jacinto (Häuptling): »Nein, ich kann nicht. Ich habe kein Recht dazu. Das Land gehört nicht mir. Es gehört allen Menschen, Tieren und Pflanzen, die hier leben.«

Perez (Rechtsanwalt): »Unsinn! Ich habe die Register durchgelesen und gefunden, das Land gehört Ihnen. Die Titel sind in der besten Ordnung. Alle Männer hier bekommen beste Arbeit. Die Leute sollen nicht weniger als drei Peso verdienen.«
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Linke Sperrgebiete

Viele vermeintlich Linke haben zahlreiche Themenfelder, bei denen sie eine dogmatische Selbstzensur betreiben. Entweder weil sie diese Bereiche als »rechts« etikettiert haben oder weil sie Angst haben, aus ihrer ideologischen Komfortzone gerissen zu werden. Also schweigen sie. Verdrängen. Verleugnen. Relativieren. Machen alle Augen und Ohren zu. Erklären die Sachlage für tabu. Wer es dennoch wagt, darüber diskutieren zu wollen, wird gelöscht, zensiert, gebannt, diffamiert oder ausgegrenzt.

Politik und Medien haben indes, besonders in den letzten drei Jahren, diese infantile Selbstkasteiung der Linken, als politische Herrschaftsmethode für sich entdeckt. Sie überlassen jeden kritischen Beitrag sowie jede Kritik an der Regierung der AfD, und können so jedes noch so seriöse Argument als rechts-rechts-nazi-nazi framen. Außerdem können sie sich so ständig als »Demokraten« im Kampf gegen böse »Nazis« inszenieren. Dabei hat sich insbesondere die sog. »Mitte« in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert.

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Neoliberale Menschlichkeit (2)

Am 25. März 2023 hat der Tagesspiegel einen Beitrag mit dem Titel: »Wenn Kinder in Armut aufwachsen: Ich habe Mama heimlich mein ganzes Taschengeld gegeben von Katja Demirci veröffentlicht. Bis vor kurzem war er noch frei zugänglich, nun ist er hinter der Paywall verschwunden. Interessant war vor allem ein Beitrag in der Kommentarsektion (aktuell 62 Kommentare), der die ganze Menschen- und Armen-Feindlichkeit in Deutschland sehr gut abgebildet hat. Er ist leider nur noch hinter der Paywall einsehbar, aber ich hatte ihn mir glücklicherweise vorher gespeichert. Weiterlesen

Neoliberale Menschlichkeit

»Rund die Hälfte der deutschen Krankenhäuser erwartet, die Versorgung der Patienten einschränken zu müssen. [...] dass sie einzelne Betten sperren oder vorübergehend ganze Stationen schließen müssen. 41 Prozent der Kliniken rechnen mit einer Verschiebung von planbaren Operationen. 35 Prozent der Krankenhäuser prognostizieren, dass sie Personal abbauen müssen. Sechs Prozent der Kliniken erwarten sogar die Schließung ganzer Standorte

- tagesschau.de vom 13. März 2023

Anmerkung: Es ging immer nur und ausschließlich um »Gesundheit« und nie um »Wirtschaftlichkeit«. Deshalb wird der Gesundheitssektor auch wieder durchökonomisiert, es wird gekürzt und gespart, was das Zeug hält. So sieht die neoliberale »Gesundheits-Prävention« aus. Sind das etwa die Lehren aus der »Pandemie«? War nicht der »Zusammenbruch des Gesundheitssektors« das ständige Argument für harte »Corona-Maßnahmen«? Und jetzt wird es wieder zusammengestrichen? Könnte jetzt bitte endlich der letzte Maßnahmen-Befürworter aufwachen? Und schauen, was hier passiert?

Indonesien

Feldarbeit in Bali. Indonesien. (pixabay.com)

Viele Menschen in Deutschland sind schnelllebig und geschichtsvergessen. Alles was länger als Zwei Jahre her ist, ist quasi aus dem Bewusstsein und damit aus der Wahrnehmung verschwunden. Wenn man dann noch mit Ereignissen kommt, die vor rund 50 Jahren stattgefunden haben, die weit vom eigenen Alltag entfernt und dann noch am anderen Ende der Welt passiert sind — dann können damit viele Menschen absolut nichts mehr anfangen. Dabei gilt nach wie vor der Satz: wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.

In den Jahren 1965 bis 1966 wurden ca. 500.000 bis 2 Millionen Menschen in Indonesien brutal ermordet. Staatlich gelenkte, antikommunistische Propaganda wiegelte die Menschen gegeneinander auf. Zu Tausenden wurden sie gefoltert, in Arbeitslager verschleppt und mit Macheten hingerichtet. Leichen in Massengräbern verscharrt oder in Flüsse geworfen. Die Frontlinien gingen durch alle Familien und Gesellschaftsschichten hindurch. Wie konnte das passieren? Weiterlesen