Obdachlosigkeit

»Wer nicht mehr davon bedroht ist, durch Leistungskürzungen oder gar eine Leistungsstreichung seine Wohnung zu verlieren und ins nackte Elend zu stürzen, der kann vom Jobcenter schwer dazu genötigt werden, völlig unterbezahlte Jobs mit kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen anzunehmen.«

- telepolis.de vom 24. Dezember 2023

Anmerkung: Sehr scharfe, kritische, aber zutreffende Analyse von Fabian Lehr am »Tag der Nächstenliebe«. Rund 500.000 Menschen leben in Deutschland auf der Straße. Kostenlose und/oder günstige Sozialwohnungen würden weniger Kosten verursachen als Notunterkünfte, inklusive Personal, Folgekosten von medizinischen Kosten und Suchtbehandlungen. Mit einer Wohnung hätten Obdachlose zudem wenigstens die Chance auf eine Erwerbsarbeit.

Der Artikel geht aber noch weiter: kostenlose Unterbringungsmöglichkeiten wären eine »Kampfansage an die Immobilienindustrie.« Die völlig überteuerten Mietpreise für Einzelwohnungen in Großstädten wären kaum haltbar. Also werden nicht Obdachlosigkeit, sondern die Obdachlosen bekämpft. Beispielsweise mit menschenverachtenden Methoden der »defensiven Architektur«.

Übrigens sind deutlich mehr Männer als Frauen obdachlos. Lehr’s Analyse ist deshalb so wichtig, weil er endlich die systemischen Ursachen der Obdachlosigkeit aufzeigt, anstatt nur die Einzelfall-Begründung zu betonen (Alles Säufer, Drogenabhängige, Arbeitsfaule, Kriminelle, selbst schuld, bla bla bla).


»Beseitigung von Obdachlosigkeit«
Die Sprache der Menschenverachtung

14 Gedanken zu “Obdachlosigkeit

  1. Ja, natürlich völlig korrekte Erkenntnis, auch deine Schlussfolgerung, was die wahren Kosten dieser sozialen Verelendung wirklich sind.

    Nur, das System, in dem Falle das soziale Sicherungssystem beherbergt eben viele Mechanismen, die gerade für Menschen, die sich in gesellschaftlichen Grenz- und Randbereichen bewegen, Obdachlose etwa, nicht selten in einem völligen Widerspruch zu deren eigenen Lebensentwürfen stehen.

    Man sollte ja nicht denken, dass nun Obdachlosigkeit in jedem Fall gleichzusetzen wäre mit individueller, auch geistiger Verelendung. Nicht wenige Obdachlose in der heutigen Zeit sind Menschen, die eigentlich klar strukturierte Lebensentwürfe hätten, irgendwann aber aufgrund des, ab einem bestimmten Punkt, einer entfesselten Furie gleich über sie hereinbrechenden Zerfalls aller sozialer Strukturen plötzlich ohne nichts da stehen.

    Und ebenso gibt es Menschen, die sich in dieser Obdachlosigkeit ihre eigene Nische gebaut haben, die zwar im Einzelfall durchaus in Not geraten, etwa wenn die Witterung im Winter zu garstig ist, die aber in diesem, von ihnen erarbeiteten Lebensentwurf dann nicht nur die Einschränkungen, sondern auch die Freiheiten sehen.

    Selbst eine rein humanistische Intention vorausgesetzt, diese Menschen wieder in halbwegs gesellschaftlich reputable Strukturen einbinden zu wollen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass genau diese Absicht den Betroffenen einen Bärendienst erweist.

    Ein Mensch mit eine strukturierten Lebensentwurf, der weiss, was er will und was nicht, wird dann, selbst wenn er wieder in diesem sozial akzeptierten Rahmen lebte, doch wieder mit eben diesen Repressionsmechanismen innerhalb des Sozialsystems in Konflikt geraten. Der wird sich nämlich nicht fügen, und etwa mit einer hohen beruflichen Qualifikation in der Tasche, dann am Ende den letzten Drecksjob für Almosen zu erledigen. Hier kollidieren diese beiden Welten und eine mögliche Entwicklung, die daran resultieren kann, setzt ja nicht viel Phantasie voraus.

    Ebenso wenig wird ein Obdachloser, der sich seine Nischen in seiner Lebenslage erarbeitet hat, und auch gerade die damit verbundenen Freiheiten sieht, diese dann eintauschen gegen eine zwar bequem zentralgeheizte Bude, die aber zwangsläufig verbunden ist mit der ganzen Gängelei, die das staatliche Sozialwesen mit sich bringt. Nicht wenige, die auf entsprechende Anregung versuchen, auf diese Art wieder gesellschaftlich Fuss zu fassen, quittieren am Ende trotzdem diesen vermeintlichen Komfort eines geheizten Obdachs mit der Rückkehr zu Rucksack und Schlafsack, weil sie einfach nicht mit diesem feingliederigen komplexen und auch hochgradig verwirrenden Kleinklein im Verhältnis Staat-Bürger zurande kommen.

    Das erste ist ein klassischer Teufelskreis, den man nur durchbrechen könnte, wenn man so, wie der Telepolis-Artikel insinuiert, den Menschen wieder das Recht einräumt, ausschliesslich in menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen tätig zu sein — mit einem Einkommen, welches mehr als das nackte Überleben sichert.

    Das zweite ist ein offenbarer und mutmasslich unvereinbarer Widerspruch zwischen Innen und Aussen, Individuum und Gesellschaft. Dort müsste sich gerade der Staat vernünftigerweise auf seine Verfassung besinnen und die Würde des Menschen auch in einem solchen Fall über alles andere stellen, und folglich solche Lebensentwürfe respektieren und nicht noch zusätzlich kriminalisieren.

    Hier sei an Henry David Thoreau erinnert, der einen solchen Lebensentwurf entwickelt hatte.

  2. @Pascal

    »Ebenso wenig wird ein Obdachloser, der sich seine Nischen in seiner Lebenslage erarbeitet hat, und auch gerade die damit verbundenen Freiheiten sieht, diese dann eintauschen gegen eine zwar bequem zentralgeheizte Bude, die aber zwangsläufig verbunden ist mit der ganzen Gängelei, die das staatliche Sozialwesen mit sich bringt.«

    »Freiheit in Obdachlosigkeit?« Ich weiß, das wolltest Du so nicht ausdrücken, es kann aber einen falschen Eindruck hinterlassen. Die Allermeisten kämpfen ums nackte Überleben auf der Straße. Hinzu kommt die täglich gespürte Verachtung der Mitmenschen, die innere Verzweiflung und dann: die Flucht in Alkohol und anderen Drogen. Mit einer romantisierenden Vorstellung eines Henry David Thoreau und dem damit verbundenen Leben im Wald, hat das real sicher wenig zu tun.

    Und ja, viele tun immer noch so, als würde sie das alles gar nicht betreffen und schauen bewusst weg. Dabei kann das alles sehr schnell gehen. Man verliert die Wohnung. Den Job. Den Partner. Den Ruf. Freunde und Familie wenden sich ab. Man hat keine finanziellen Reserven. Und dann steht man da. Auf der Straße.

  3. @epikur
    Hm, ich hatte Pascal anders verstanden. Die meisten oder alle Angebote an Obdachlose sind nicht bedingungslos. Und die Bedingungen, denen die Leute sich dann beugen sollen (um bspw. eine Wohnung oder auch nur eine vorübergehende Unterkunft zu bekommen), sind halt oft nicht an den Wünschen derer orientiert, um die es geht.
    Insofern: ja, natürlich – Freiheit in der Obdachlosigkeit. Was in keinster Weise heißt, daß es lustig wäre, so zu leben.

    Mir kommt da als Analogie das Leben in (deutschen) Altersheimen in den Sinn. Ich für meinen Teil würde lieber, auch komplett verkrüppelt und halbblind, für mich alleine bis zum ggf. bitteren Ende in meinem eigenen Zuhause vor mich hinwurschteln, als mich diesen »Angeboten« zu unterwerfen. Du hast nichts mehr: keine Privatsphäre, kein leckeres Essen (oder überhaupt Essen, das Du bevorzugst), keinen Anspruch auf egalwas. Du wirst behandelt wie ein Gegenstand, nicht wie ein Mensch, z.B. dann ins Bett gebracht, wenn es dem Pflegepersonal paßt. Nicht dann, wenn Du möchtest (gilt auch für die Essenszeiten). Das hat meiner Ansicht nach bereits die Grenze zur Würdelosigkeit überschritten. Und das ist noch lange nicht alles, was da so abgeht. In dem Moment, wo Du von anderen abhängig bist, ist es nämlich auch verdammt schwierig, sich zu beschweren. Die wenigen, die das im Altersheim tun, werden vom Pflegepersonal (bzw. von den dominierenden Drecksäcken darunter) dann eben schlecht behandelt, und schon ist der Teufelskreis eröffnet.

    Um zur Analogie zurückzukehren: das von mir gewählte Rumwurschteln im Alter wäre dann vielleicht nicht unbedingt das, was mir Spaß machte – aber immer noch meilenweit besser, als mich dem Diktum der Deutschen Pflege zu unterwerfen.

  4. Interessante Kommentare. Könnte es verschiedene Ursachen für Obdachlosigkeit (OL) geben?
    Wohnungsmangel ist es sicher z.T., und es sind auch Millionen von Menschen die darunter leiden, weil sie schlechte Wohnverhältnisse haben und ebenso schlechte Chancen was Neues zu finden. Sollte das tatsächlich beabsichtigt sein, ist das ein Fall für kommende politische Straßenkämpfe, eine andere Sprache wird in diesem Fall nicht verstanden.
    Es muß aber auch psychische Ursachen geben, denn OL gab es immer als gewissen Sockel, auch in Zeiten ohne Wohnungsmangel.
    Neben housing first
    braucht es bei Teilen der Ol-en einen »therapy first«-Ansatz, sonst landen sie auch dann immer wieder auf der Straße wenn sie mal eine Wohnung haben, so einen Fall kenne ich sogar persönlich.

  5. »der kann vom Jobcenter schwer dazu genötigt werden, völlig unterbezahlte Jobs mit kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen anzunehmen.««
    Auf den Punkt gebracht, deswegen gibt es jetzt wieder ein regelrechtes framing das, aggressiver als je zuvor, versucht, die Verbesserungen für Arbeitslose rückgängig und am besten noch schlimmer zu machen, fleißig unterstützt von korrupten Schmierlappen wie Linnemann und Co.
    Viele Arbeitgeber haben sich bequem eingerichtet in der Hartz 4‑bedingten Drohkulisse die ihnen brave Arbeitnehmer zugeführt hat die sich nur schwer wehren konnten, und haben sich nicht darum gekümmert ihren Laden auf Vordermann zu halten.
    Jetzt stehen diese plötzlich da und schauen blöd anstatt daß sie ihren verfluchten Scheißjob machen und Arbeitskräfte ausheben durch interessante Angebote- dabei muß es nicht immer um Bezahlung gehen.
    Das nennt man freie Marktwirtschaft, staatlicher Arbeitszwang hingegen ist eher verwandt mit dem realen Staatssozialismus und seiner Planwirtschaft.

  6. .

    Interessante Kommentare. Könnte es verschiedene Ursachen für Obdachlosigkeit (OL) geben?

    Ganz sicherlich. Es gibt ja auch Leute, die sich in einer Wohnung eingesperrt fühlen (wahrscheinlich aus psychischen Gründen) und denen eine solche daher nicht unbedingt helfen würde.
    Wie so viele Hilfsangebote, sind eben auch die für Obdachlose selten oder nie individualisiert. Aber das ist nur das Ende der Fahnenstange, dieses alle-über-einen-Kamm-scheren fängt ja schon sehr viel früher an, bspw. bei der Krankenversicherung. Da besteht im ganzen System ein riesiger Verbesserungsbedarf. Und die Gesellschaft ist ja auch in eine Richtung abgedriftet, die mit Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Verständnis für andere (Menschen oder Lebensentwürfe) nicht mehr allzuviel am Hut hat.

  7. Ja, dank dir, Epikur. Es war natürlich nicht meine Absicht, irgendetwas zu idealisieren.

    Für meine eigene Vorstellung würde Thoreau und sein Lebensentwurf natürlich nicht irgendwo in eine Grossstadt passen.
    Ich für meinen Teil kann ein wenig mit ähnlichen Erfahrungswerten mitreden, da ich selbst vor über 20 Jahren bewusst freiwillig für einige Monate ohne Wohnung war und in der Zeit die allermeiste Zeit im Freien gelebt habe, allerdings, das ist natürlich ein ganz wesentlicher Unterschied zu regulären Obdachlosen, war ich nicht mittellos.

    Da kannte ich Thoreau noch nicht. Aber wie bei ihm waren es bei mir auch die Wälder bzw vorallem Berge und Flüsse, und keine Stadt, das wäre völlig undenkbar gewesen. Und für mich damals wieder zurück in einen wenigstens halbwegs gesellschaftlich tolerierten Lebensentwurf zurückzukehren, war mit enormen Widerständen verbunden und auch nur möglich, weil ich eine Nische gefunde habe, die für mich lebenswürdig war. Das städtische Umfeld meiner Herkunft war als Lebensort unwiderruflich verbrannt.

    Wie gesagt — nur für mich selbst gesprochen war das Leben vor dieser selbstgewählten Obdachlosigkeit ein Gefängnis, die Freiheit wiedergewonnen habe ich erst durch diesen Ausbruch.

    Worum es mir geht, ist aufzuzeigen, dass vieles von dem, was die meisten als unentbehrlich betrachten, also gleichsetzen mit Wohlergehen oder Komfort, dies nicht zwangsläufig wirklich ist oder wenigstens nicht für jeden Menschen. Für mich selbst ist ganz vieles entbehrlich, worauf andere niemals verzichten würden. Längere Zeit ohne Obdach zu leben, zeigt einem auf, was ist wesentlich, was ist (mehr oder weniger einschränkend) entbehrlich und was ist wirklich völlig überflüssig. Und das mag überraschen, es ist viel mehr überflüssig als man vielleicht denkt.

    Vielleicht als Beispiel, ich brauche kein Schlafzimmer, vorallem kein geheiztes. Selbst als ich damals wieder ein Dach über dem Kopf hatte, schlief ich trotz vorhandenem Schlafzimmer ganzjährig auf dem Balkon.

    Wer an Obdachlosigkeit denkt, denkt fast zwangsläufig an Elend, vielleicht auch Dinge wie Drogenmisere, Strassenstrich, weiss der Teufel was. Das ist sicherlich zum grossen Teil so, aber diese Wahrnehmung ist nicht die allumfassende und abschliessende Realität. Selbstverständlich ist meine Auffassung nicht die, dass, nur weil so ein Leben für mich selbst in einem gewissen Bereich sogar erstrebenswert ist, ich dies anderen Menschen in Not zumuten möchte.

    Aber Wahrnehmung aus der geheizten Wohnung, aus dem eigenen Modus vivendi heraus kann anders aussehen, als es der jeweilige Einzelfall dann ist. Aber eben, es geht mir nicht im geringsten darum, irgendwie einer Form von Sozialdarwinismus das Wort zu reden.

  8. Wie es auch anders, also empathisch-menschlich gehen kann, zeigt (mal wieder) Finnland:

    »In ganz Finnland gibt es heute noch etwa 3600 Menschen, die allein auf der Straße leben oder keine Wohnung haben.«

    »Doch etwa in der Hauptstadt Helsinki, wo mehr als ein Viertel der Wohnungslosen lebt, soll es schon bis Ende 2025 keine einzige obdachlose Familien mehr geben.«

    »Damit das klappt, investiert die Stadt viel. Zehntausende Sozialwohnungen wurden gebaut. Drei Sozialarbeiter kümmern sich allein darum, junge Menschen anzusprechen, die weiter auf der Straße leben und bislang in keinem Hilfsprogramm sind.«

  9. sollte es am ende doch noch so etwas geben wie eine neue finnlandisierung:
    den ernsthaften versuch, einen kapitalismus mit menschlichem antlitz zu gestalten...?

    falls ja, wird auch hierbei d.schland (analog zu epikurs ausführungen zum thema c‑aufarbeitung) zu den letzten staaten der erde gehören, die sich dazu werden aufraffen müssen?

  10. Danke für das Verlinken des Artikels. Ich finde insbesondere die Haltung in Deutschland erschreckend, die sich gerade auch beim Thema Obdachlosigkeit oder Armut zeigt, dieses:

    »jemand der weniger leistet als ich, dem darf es nicht gut gehen!«

    Dieses Bedrohungsgefühl scheint sehr tief in den Deutschen zu sitzen, denn sie würden sich selbst abgewertet fühlen, wenn jemand, der weniger leisten kann, dennoch menschlich behandelt wird, vermutlich weil sie sich selbst bis zur Unmenschlichkeit ausbeuten oder ausbeuten lassen. Also entwickeln sie einen Hass auf alle, die aus diesem Ausbeutungssystem aussteigen oder aussteigen müssen, weil sie einfach nicht mehr können. Und denjenigen darf es dann auf keinen Fall gut gehen oder sie dürfen auf jeden Fall nur so wenig Hilfe bekommen, dass es ihnen immer noch schlechter geht als denjenigen, die sich fürs System und auf eigene Kosten der A** aufreißen.
    Meiner Meinung nach ist das ein Selbstwertproblem, das vor allem bei Deutschen anzutreffen ist, dass sie sich selbst schlechter fühlen, wenn es jemandem besser oder gut geht. Am besten fühlt sich der Deutsche doch,w enn er noch jemanden unter sich hat zum Zutreten, um sich selbst erhaben und endlich wertvoll zu fühlen. So auch deutlich zu erleben während der Corona-Pandemie.

    Neben den gesellschaftlich-politischen Gründen und Hintergründen für Obdachlosigkeit finde ich es nicht angemessen, wie die personenbezogenen Probleme zynisch benannt werden. Vielleicht habe ich aber auch falsch verstanden, wie es genannt war. In der Regel sucht sich nämlich auch kein Alkoholiker, Drogenabhängiger oder psychisch Kranker aus, Kriminell zu werden und nicht mehr zu arbeiten. Hinter praktisch jeder Sucht, Wohnungslosigkeit, Gewalttätigkeit stecken schwere Traumatisierungen und Verfehlungen durch die Gesellschaft, z. B. in Form von missbrauchenden, gewalttätigen, vernachlässigenden Erziehungsberechtigten und oft Gesellschaftsmitgliedern und Institutionen, die wegschauen und nicht einschreiten.
    Somit müsste die Gesellschaft erst Recht für diese Menschen aufkommen, schon aus Gründen der Wiedergutmachung.

    Edit nach dem Lesen eines der obigen Kommentare: Wenn man die Menschenwürde (Grundrecht) wirklich ernst nehmen würde, dann würde man auch Menschen ermöglichen, in Würde zu leben. Dazu gehört, dass man den Menschen nicht in die Selbstentfremdung treibt, ihn nicht ausbeutet, ihm seine Würde nicht nur dann gewährt (und nicht mal dann), wenn er über bestimmte Stöckchen springt. Ich kenne Personen aus dem Milieu und erlebe diese Menschen in erster Linie als sehr starke Charakter, die aufgrund eigener Traumatisierungen besonders empfindlich auf jede Form von Unterdrückung und Entmenschlichung reagieren und denen es schlicht nicht möglich ist, in diesen Verhältnissen zu existieren, ohne Angst- und Panikzustände zu bekommen bzw. getriggert zu werden. Und diese entmenschlichten Zustände gibt es heutzutage praktisch auf jeder Arbeitsstelle, bei jedem darwinistischen Kampf um eine Wohnung, man wird zu Dingen gezwungen wie Krankenversicherung und allerlei anderer Dinge, die man gar nicht beanspruchen möchte. In meinen Augen ist das das Gegenteil von Menschenwürde und die Menschen, die in Obdachlosigkeit leben (müssen), könnten der Gesellschaft vor allem zeigen, wie man wieder zur Menschenwürde und Menschlichkeit zurückkommt. Aber dorhin kann der Großteil der Menschheit nicht zurückkommen, weil sie abhängig sind oder sich abhängig glauben.

  11. @Getriebesand

    »Neben den gesellschaftlich-politischen Gründen und Hintergründen für Obdachlosigkeit finde ich es nicht angemessen, wie die personenbezogenen Probleme zynisch benannt werden.«

    Sie meinen sicher: »(Alles Säufer, Drogenabhängige, Arbeitsfaule, Kriminelle, selbst schuld, bla bla bla).«? Das hätte ich wohl als Zitat markieren müssen, damit es besonders für nicht-regelmäßige ZG-Leser eindeutig ist.

    Natürlich meinte ich das zynisch-ironisch in Bezug auf die Menschenverachter, weil genau das die typischen Begründungen von Leuten sind, die auf obdachlose Menschen herabschauen. Sie verbieten sich quasi die eigene Empathie, indem sie ständig behaupten, dass Obdachlose »selbst schuld« seien. Die gängige neoliberale Täter-Opfer-Umkehr, die wir überall sehen.

  12. Tiffany nennt den wichtigen Punkt der tiefen Traumatisierungen, durch Mißbrauch, Gewalt u.ä., meist durch die Familienverhältnisse (Getriebesand), glaub auch daß hinter der oft brutalen Härte gegen sich selbst, die hinter der Obdachlosigkeit steckt, sehr weitgehende Probleme stecken, auch bei Vielen die nie obdachlos werden aber massive Suchtprobleme haben.
    In Deutschland könnte auch die Hierarchiefixierung eine größere Rolle spielen als anderswo, daher die Mißgunst, man definiert sich zu sehr über Status und sucht gerne den der unter einem steht.
    Allerdings gibts das auch anderswo, gerade die USA sind ein brutales Land in diesem Bereich, aber auch der Blick nach Osteuropa macht da keinen Spaß.
    »Die gängige neoliberale Täter-Opfer-Umkehr, die wir überall sehen.«
    So ist es.

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