Mit Mitte 40 wachsen auch bei mir die ersten grauen Haare und die körperliche Fitness lässt langsam nach. Kleinere (oder größere) chronische Erkrankungen habe ich zwar noch nicht, aber die werden sicher auch bald kommen. Seit rund einem Jahr brauche ich zudem eine Lesebrille. Gleichzeitig werde ich bei vielen Dingen sehr viel gelassener. Ich werde eben älter. Ja und?
In meinem persönlichen und beruflichen Umfeld ist das »älter werden« sehr oft ein Thema. Da werden Aktivitäten, Strategien oder Produkte jedweder Art besprochen, um das »älter werden« zu verzögern oder zu kaschieren. Angefangen von neu entdecktem Sport-Eifer, über Falten-und-Anti-Aging-Cremes, Kollagen-Pulver für die Gelenke, Fasten-Wandern, graue Haare (weg-)färben oder neue Haare einpflanzen via Eigenblut-Therapie bis hin zu Botox-Behandlungen. Weiterlesen →
Mir ist aufgefallen, dass die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin einen großen Schwerpunkt auf Diversität- und Gender-Themen legt. Natürlich darf auch der Kampf »gegen räääächts« nicht fehlen. Auch in ihren Berliner Büro- und Seminarräumen hängen viele Plakate hierzu. Dagegen wäre erst einmal nichts einzuwenden. Es gibt viele Lohnarbeiter, die in ihrem Arbeitsleben diese Bereiche beackern müssen. Beispielsweise Lehrer beim Kultur-Clash in sog. »Willkommensklassen«.
Allerdings bewirkt der übermäßige Schwerpunkt auf Klimagerechtigkeit, Feminismus, Diversität und Gender, dass für die eigentlichen Kernthemen einer Gewerkschaft, kaum noch Raum und Zeit zur Verfügung stehen: Arbeitsbedingungen. Vergütung. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Tarifflucht. Alters- und Kinderarmut. Aber vor allem die Entwicklung und Stärkung eines proletarischen Klassenbewusstseins.
Der Blick sowie der Fokus auf ökonomische Ungleichheiten und strukturelle Ungerechtigkeiten wird immer weiter, zugunsten einer sich stets um sich selbst kreisenden sexuellen Identitätspolitik, verdrängt. Methoden und Prinzipien von Macht und Machtausübung, Soziale Gerechtigkeit, Ausbeutung, Kampf gegen (Neo-)Kolonialismus und Neoliberalismus, mehr Transparenz und weniger Korruption — das alles findet bei der GEW immer weniger statt. Ein Blick in ihre Vorträge und Seminare genügt.
Die »Selbstgerechten« denken aber weiterhin, sie seien »links« und würden für »die gute Sache« eintreten, merken aber nicht, dass sie damit vor allem den »Arbeitgebern« einen großen Gefallen tun. Denn wenn sich jeder nur noch um die eigene sexuelle Identität kümmert und sorgt, dann kann es kein solidarisches Klassenbewusstsein unter Lohnarbeitern mehr geben.
»Wer absichtlich nicht mitwirkt, zumutbare Arbeit ablehnt oder unentschuldigt zu Terminen fehlt, soll künftig am Ende keine Leistungen mehr erhalten.«
- focus.de vom 3. Dezember 2024 zum CDU-Vorhaben beim »Bürgergeld«
Anmerkung: Nachdem die Querdenker, die Impfgegner, die Putintrolle, die Klimaleugner und die Verschwörungstheoretiker, als Feindbilder langsam ausgelutscht sind — bedient man wieder das Narrativ vom »faulen Arbeitslosen, der das Land ruiniert.«
Es ist grotesk, das diese Spaltungsmethode in weiten Teilen der deutschen Gesellschaft, weiterhin so gut zündet. Banken, Millionäre und Konzerne, die milliardenfach Steuern hinterziehen sowie Politiker, die uns in einen Krieg treiben und/oder für millionenfache Verarmung im Land sowie für den Zerfall der Infrastruktur verantwortlich sind — ruinieren das Land. Aber nicht ein paar tausend vermeintlich faule Arbeitslose, die von Sozialleistungen leben.
Davon abgesehen, ist und bleibt diese Forderung der Total-Sanktionierung verfassungswidrig. Das wurde bereits im Jahr 2019 in einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht festgehalten:
»Sanktionen, wenn sie zu einer Lebensgefährdung oder Beeinträchtigung der Gesundheit der Sanktionierten führen, verstoßen gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.«
Menschen den Strom abstellen zu lassen, sie in die Obdachlosigkeit und damit staatlich verordnet in die Existenzlosigkeit zu treiben, weil keinerlei Kosten mehr übernommen werden — ist weder geeignet noch verhältnismäßig, sondern schlicht menschenverachtender Lohnarbeitsfetischismus.
Dieses Gespräch einer Grünen mit Sarah Wagenknecht zeigt sehr gut auf, warum die Grünen schon lange nicht mehr »links«, sondern eher eine moralinsaure und realitätsferne FDP-Light sind. Die TAZ-Redakteurin Ulrike Herrmann sagt ganz offen, dass sie Flüchtlinge will, damit sie die Niedriglohn-Jobs in Deutschland machen (»Fachkräftemangel«). Löhne erhöhen und/oder Arbeitsbedingungen verbessern, um diese Berufe attraktiver zu machen, kommt ihr nicht in den Sinn.
Als Frau Wagenknecht die Armutsrenten in Deutschland anspricht, wischt das Frau Herrmann (»Ja zur Atombombe«) sofort zur Seite und lacht dabei: »die Rentendiskussion findet heute nicht statt!« Klar. Millionen von Menschen leiden darunter in Deutschland, aber Frau Herrmann hat keinen Bock auf das Thema. Auch horrende Mietpreise, Inflation oder steigende Energiekosten, werden nicht erwähnt.
Und dann kommt Frau Herrmann’s AfD-Kontaktschuld-Vorwurf. Wenn die AfD irgendwelche Positionen vertritt, darf Niemand anderer diese Meinung haben, weil man sich sonst mit Faschisten gemein machen würde. Seit C wird diese infantile Medienkeule verwendet und sie war von Anfang an eine intellektuelle Beleidigung. Es sollte immer um die Sache und um die Argumente gehen und nicht darum, wer, wann, was »auch« gesagt hat.
Beim Thema Ukraine folgt dann wieder das übliche Framing: »Sie haben eine ähnliche Position wie die AfD und Sie übernehmen die Erzählung von Putin!« Die USA wollten nie eine NATO-Osterweiterung. Die USA wollten nie ihre Raketen und ihr Militär bis an die Grenzen von Russland bringen. Es gab keinen Maidan-Putsch im Jahr 2014. Und es gibt auch keine Geschichte vor dem 24. Februar 2022. Das ist alles Kreml-Propaganda! Putin ist einfach nur ein böser Imperialist! So funktioniert die moralisch-grüne »Analyse«.
Und zum Schluss: »die Ukraine braucht noch mehr Waffen!« Diese grüne Kriegstreiberei ekelt mich nur noch an. Völlig empathiebefreit und kaltherzig. Da werden täglich Menschen zerfetzt. Auf beiden Seiten. Seit über Zwei Jahren. Und sie redet nicht ein einziges Mal über Diplomatie oder einen Waffenstillstand. Denn für die Menschen ist alles besser als Krieg.
Vor nicht allzu langer Zeit war »Solidarität« noch kommunistisches Teufelszeug. Lohnarbeiter, die sich miteinander solidarisieren wollen? Prekär Beschäftigte, die sich via Streik, Protest, Widerstand und Demonstration gegen menschenverachtende, neoliberale Ausbeutung wehren wollen? Bildungsproteste von Lehrern, Schülern und Eltern gegen das Spardiktat? Aufmärsche gegen Kriege und für den Frieden? Bitte nicht! Alles Chaoten, Verschwörungstheoretiker, Neu-Rechte, Radikale, Sozialromantiker oder Kommunisten.
Nein, »Solidarität« war und ist im marktkonformen Deutschland das exakte Gegenteil all dessen wofür unsere neoliberale Regierung steht! Wenn Konkurrenz, Wettbewerb und Eigennutz die dominanten Werte sind, ist für »Solidarität« keinen Platz mehr. Daran hat sich auch in Corona-Zeiten absolut nichts geändert. Oder hat sich unser Wirtschaftssystem gewandelt und ich habe davon nichts mitbekommen? Es wird zwar überall »Solidarität« gepredigt, aber im Kern weiterhin nur »Neoliberalismus« gesoffen. Weiterlesen →
Und nun beginnt es: die Sprach-Propaganda zum Thema »Grundeinkommen«. Denn dieses Modell hat mit dem Sinn und Zweck des bedingungslosen Grundeinkommens absolut nichts zu tun. Denn:
»Dabei wird Arbeitslosen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich finanziert. Sie werden nach Tarif- oder Mindestlohn bezahlt und zum Beispiel als Mobilitätsbegleiter, Hausmeisterinnen oder in Pflegeeinrichtungen arbeiten. Die Jobcenter suchen die Teilnehmer aus.«
Die Tafeln haben weiter enormen Zulauf. Bundesweit gebe es mittlerweile »über 2.000 Essensausgabestellen in 947 Einrichtungen.« Bei den politisch Verantwortlichen und den bürgerlichen Massenmedien ist das absolut kein Thema, da wird sich weiter über Trump, Putin, Erdogan, Klimaschutz, die AfD und über vermeintlichen Sexismus echauffiert. Massenarmut? Interessiert nicht.
»Nach deren Angaben versorgen sich aktuell etwa 1,65 Millionen Menschen regelmäßig bei einer Tafel mit Lebensmitteln, die Märkte zuvor aussortiert und auf diese Weise günstig entsorgt haben.«
Einmal pro Jahr erhält man die sog »Renteninformation« von der Deutschen Rentenversicherung. Als Grundlage für die künftige Rentenhöhe werden die Beitragszahlungen der letzten fünf Jahre herangezogen. Bei der aktuellen Rentenformel werden hier die Wenigsten eine große Summe stehen haben. Altersarmut ist indes kein Schicksal, sondern politisch gemacht. Interessant ist denn auch der letzte Abschnitt »Zusätzlicher Vorsorgebedarf«, darin heißt es:
»Da die Renten im Vergleich zu den Löhnen künftig geringer steigen werden und sich somit die spätere Lücke zwischen Rente und Erwerbseinkommen vergrößert, wird eine zusätzliche Absicherung für das Alter wichtiger (»Versorgungslücke«). Bei der ergänzenden Altersvorsorge sollten Sie — wie bei Ihrer zu erwartenden Rente — den Kaufkraftverlust beachten.«
Verstehe ich das richtig, dass die Deutsche Rentenversicherung als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung und Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland, mir Angst machen mich dazu ermutigen will, privat vorzusorgen? Sie will mich in die Arme von Hedgefonds, Bankster und Finanzheuschrecken treiben?
»Die Zahllosen, die nichts mehr kennen, als sich und ihr nacktes schweifendes Interesse, sind die gleichen, die kapitulieren, sobald Organisation und Terror sie einfängt.« (Theodor W. Adorno. Minima Moralia. Suhrkamp Verlag. 8. Auflage 2012. S. 171)
Ich habe in meinem bisherigen Leben mit dutzenden sog. »bildungsnahen Mittelschichts-Aufsteiger-Leistungsträger-Eltern« sprechen dürfen (beruflich und privat). Und was sie erlebt haben, ist der absolute Horror! Dagegen sind alle anderen Probleme einfach nur lächerlich:
»Das Edeka an der Ecke schließt seine Fischtheke. Dabei gab es dort immer so lecker Fischbrötchen!« :(
»Das Klavier, dass ich kaufen wollte, ist nicht mehr im Angebot!« :(
»Mein Sohn schafft in Mathe nur die Note 3!« :(
»Wir schaffen es dieses Jahr nicht (zeitlich, Geld ist kein Problem!), ein zweites Mal in den Urlaub zu fahren!« :(
»Die neue Bewirtschaftung bei unserem Stamm-Italiener ist echt unfreundlich!« :(
»Wir können uns in unserem neuen Eigenheim auf keine Möbel einigen!« :(
Ich kann auch absolut nicht verstehen, wie sich Manche darüber lustig machen! Das sind echte Probleme, die es zu bewältigen gilt und die armen Menschen extrem belasten! Zwei Straßen weiter fischt ein Armutsrentner Pfandflaschen aus einem Mülleimer. Bitte, habt Mitleid mit Ihnen! :jaja:
Beitrag auf zeitgeistlos.de von roberto j. de lapuente
Finanzielle Armut hat vielschichtige Auswirkungen. Es geht eben nicht nur darum, dass man weniger Geld zur Verfügung hat, sondern auch gesamtgesellschaftlich als überflüssige Ballastexistenz wahrgenommen, ja abgewertet wird. Wer wenig Geld hat, dem werden nicht nur mangelnde soziale Kompetenzen zugeschrieben (»sozial schwach«), der wird nicht nur für dumm erklärt (»bildungsferne Schichten«), nein, der wird auch weniger Freunde finden und in der Schule bei gleichen Leistungen, im Vergleich mit Kindern aus finanziell starken Haushalten, schlechter bewertet werden. Und zur Krönung wird die Massenarmut stets mit der Eigenverantwortungs-Dogmatik verargumentiert.
Man könnte zur Abwechslung doch mal das Narrativ verbreiten, dass die Wertschätzung eines Menschen nicht an seinen finanziellen Status geknüpft werden darf! Selbstwert und Selbsbewusstsein sollten nicht mehr an der Höhe des Kontostandes gemessen werden! Aber dann würden ja sämtliche Karriere-Psychopathen, Chef-Narzissten und Lohnarbeits-Fetischisten eine ernsthafte Sinnkrise bekommen. Und das darf natürlich nicht sein! Denn eine menschenverachtende Profitmaschinerie ist ohne Psychopathen nicht überlebensfähig.