Machtlose Politik

Wer sagt, die Politik habe in Wahrheit gar keine Macht, sie sei nur die ausführende Gewalt, ja die Marionette von Banken, Konzernen und Milliardären, gilt schnell als Spinner und Verschwörungstheoretiker. So einfach sei die Welt doch gar nicht, man müsse differenzieren (solange bis keine Täter mehr übrig bleiben) und man solle doch die Rolle von Politikern bei Gesetzesvorlagen berücksichtigen. Letztlich will man an dieser Illusion auch festhalten, weil Abgeordnete als öffentliche Personen greifbarer sind, es ist allgemeiner Konsens, bequem und einfach, sie für alles Schlechte in der Welt verantwortlich zu machen.

Am besten erkennt man die Machtlosigkeit der Politik, wenn man Politikern genau zuhört. Fast täglich wird politisch ermahnt, appelliert, gewarnt und gedroht, das Beileid ausgesprochen, Vorschläge werden gemacht, Reden gehalten, es wird angekündigt, gewollt, nachgedacht und so weiter. Aber eben sehr wenig wirklich entschieden. Das tun hinter den Kulissen häufig ganz andere Kräfte.

»Nahles appellierte an die Gewerkschaften, bei der Neuauflage des Ausbildungspaktes mitzumachen.«
bundesregierung.de vom 13. Mai 2014

»Merkel ermahnt Poroschenko: Schokobaron redet nicht mit Separatisten.«
n‑tv.de vom 7. Mai 2014

»Steinmeier droht Ukraine mit Sanktionen«
zeit.de vom 3. Februar 2014

Die ganz normale Ungerechtigkeit

»Denn normal, denkt man, ist es doch, oder müsste es sein, dass sich Millionen Menschen nicht durch Jahrtausende von einer Handvoll Oberschicht beherrschen, ausbeuten, enterben lassen. Normal ist, dass eine so ungeheure Mehrheit es sich nicht gefallen lässt, Verdammte dieser Erde zu sein. Statt dessen ist gerade das Erwachen dieser Mehrheit das ganz und gar Ungewöhnliche, das Seltene in der Geschichte. Auf tausend Kriege, kommen nicht zehn Revolutionen...Und selbst wo sie gelungen waren, zeigten sich in der Regel die Bedrücker mehr ausgewechselt als abgeschafft«

- Ernst Bloch, »Freiheit und Ordnung«, Frankfurt 1969, Suhrkamp Verlag

Anmerkung: Vielmehr gilt heute in Deutschland als nicht normal, wer sich aktiv oder mental weigert, die herrschenden Verhältnisse und Machthaber als Naturzustand und alternativlos zu akzeptieren. Demonstranten sind Störenfriede, Chaoten und Wichtigtuer, die den Verkehr unnötig behindern. Gewerkschafter und Betriebsräte sind Querulanten, Blockierer und Aufwiegler. Normal ist: Konsum, Habendenken und Zwangsoptimismus.

ZG-Rückblick: Politik der Schmerzen

Joachim Gauck wird als »Präsident der Herzen« tituliert, Horst Köhler war ein »Mann des Volkes« — er half die DDR zu zerschlagen, Christian Wulff ist korrupt, Zu Guttenberg hat seine Doktorarbeit abgeschrieben, Gerhard Schröder arbeitet bei Gazprom, nachdem er als Bundeskanzler dem Konzern lukrative Verträge eröffnet hatte, Guido Westerwelle tritt mit Vorliebe Erwerbslose und Angela Merkel ist die fleischgewordene Aufziehpuppe der Mächtigen.

Kann man Politiker noch ernst nehmen? Führt die Politik(er)verdrossenheit womöglich dazu, dass wir so abgehärtet und auf noch viel schlimmeres vorbereitet werden? Kann man irgendetwas tun, um dem ganzen Theater Einhalt zu gebieten? Wenn ja, was?

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Politiklosigkeiten

Was ist Politik überhaupt? Zunächst gibt es keine einheitliche Politikdefinition. Die Diskussion um die Bedeutung des Begriffes wird schon seit Jahrhunderten geführt. »Politik« leitet sich aus dem griechischen »Polis« ab, mit dem ein antiker griechischer Stadtstaat gemeint war. In der Geschichte wird die Polis oft als erste Form einer Demokratie herangezogen. Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) definiert den Begriff Politik auf zwei Ebenen:

  1. Handlungen von Parlament, Regierung, Parteien und Organisationen eines Landes, die bestimmte Ziele durchsetzen, die Ordnung im Staat gewährleisten und das öffentliche Leben gestalten sollen.
  2. zielgerichtetes, klug berechnendes Verhalten, Vorgehen eines Menschen.

In diesem Sinne sind Parteien, Politiker, die Tagespolitik und der Akt des Wählens im heutigen Zeitgeist völlig unpolitisch. Weiterlesen

Der Vermarktung entsagen

Am 17. August 2011 lief  in der Sendung Panorama ein Beitrag mit dem Titel »Rot-Grün macht Kasse«. Auch wenn die Doku mit dem Reporter Christoph Lüdgert ein wenig sensationsheischend daherkommt, so ist sie doch zu empfehlen. Denn was sie zwischen den Zeilen sagt, ist erwähnenswert. Schröder, Fischer und Konsorten haben sich verkauft, ihre Prinzipien und Ideale verraten. 20 Prozent aller Minister und Staatssekretäre der zweiten rot-grünen Regierung betreiben heute Lobbyarbeit für Unternehmen und Konzerne. Warum? Und wie konnte das geschehen?

Wie funktioniert der Ausverkauf des Charakters, der eigenen Prinzipien und Wertvorstellungen? Verdirbt Politik den Charakter? Ist letztlich jeder käuflich und es ist nur eine Frage des Preises? Inwiefern kann man Prinzipien und Überzeugungen überhaupt noch trauen? Weiterlesen

Gewollte Altersarmut

In der Süddeutschen Zeitung vom 5. Juli 2007 schreibt Thomas Öchsner über das Phänomen der zunehmenden Altersarmut in Deutschland. Wie er richtig schreibt, haben Rentner in den letzten zehn Jahren, nach Abzug der Inflation, reale Verluste hinnehmen müssen. Er vergleicht das mit jüngeren Arbeitnehmern, die ja auch Reallohnverluste hinnehmen mussten. Mir fehlen in dem Artikel aber zwei entscheidende Sachverhalte, warum wir in den nächsten Jahrzehnten eine massive Ausweitung der Altersarmut in Deutschland haben werden: die Rente mit 67 und die Rentenformel. Weiterlesen

Interessen

In vielen Analysen, Betrachtungen und Erklärungen kommt ein, für mich sehr zentrales Element, oft zu kurz: die Interessen. Man kann es nicht oft genug betonen: alle Menschen, Institutionen und Organisationen haben Interessen und jeder versucht sie durchzusetzen.

Freilich gibt es viele verschiedene Methoden und Vorgehensweisen, die eigenen Interessen durchzusetzen. Gerade in Politik und Wirtschaft wird oft versucht, die eigenen Interessen als das Ziel aller auszugeben, denn so wird die Akzeptanz für Entscheidungen erhöht. Die eigenen Interessen als uneigennützig, sozial und gesellschaftlich relevant zu verkaufen – damit beschäftigen sich viele PR-Firmen, Medien- und Werbeagenturen. Denn nichts ist hässlicher und abstoßender, als die Fratze des Egoismus und des Eigennutzes. Genau die wird nicht selten hinter schönen Worten und tollen Bildern versteckt. Weiterlesen

Labergeld

Polit-Talkshows im Fernsehen sind ein Hort von INSM-Mietmäulern, von Dampfplauderern und Selbstdarstellern. Inhalte mit Erkenntnisgewinn jenseits von propagandistischen Einseitig- und Oberflächlichkeiten, sucht man in der Regel vergebens. Ob Maybrit Illner, Maischberger, Anne Will, Kerner, Beckmann oder Hart aber Fair — Diskurstheater und Inszenierung geben sich die Hand.

Umso interessanter ist, wieviel die Sender eigentlich für ihre Talkgäste ausgeben, d.h. wie hoch das Honorar für die Labertaschen ausfällt. Die Frankfurter Rundschau hat im März 2008 eine Honoraranfrage an die Sender verschickt und traf auf ein Meer des Schweigens. Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen wurden verbreitet. Die Sender reden über die Gäste-Honorare ganz und gar nicht gerne, auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Angeblich bemessen sich die Honorare nach den tatsächlich anfallenden Kosten (Anfahrt, Übernachtung etc.). Das Standard-Honorar bei »Hart aber Fair« beläuft sich auf angebliche 250 Euro und bei »Anne Will« auf 500 Euro. Für Exclusivgäste, wird aber auch mal tief ins Portemonaie gegriffen. So habe, im Zuge der Doping-Affäre, Radprofi Jan Ulrich für seinen Auftritt bei Beckmann eine Aufwandsentschädigung von ca. 15.000 Euro erhalten.

Im Übrigen lagern die Sender die Produktionen der Polit-Talk Formate häufig an externe Firmen aus, an denen meist die Moderatoren beteiligt sind (z.B. Anne Will bei Willmedia). Das Outsourcen der Formate bringt eine schleichende Selbstkommerzialisierung mit sich, womit der Wille der Sender, die Formate selbst zu gestalten auf der Strecke bleibt. Die Privatisierung bringt es mit sich, dass horrende Summen an die Moderatoren gezahlt werden. Das Moderatorenhonorar betrage teilweise 20.000 Euro pro Sendung.

Allheilmittel Politik?

Dem Einen oder anderen wird es vielleicht aufgefallen sein, dass ich zunehmend immer weniger Beiträge über Politik, Politiker und Parteien veröffentliche. Das liegt nicht daran, dass ich resigniert habe oder gar mein Interesse an Politik abgenommen hat. Sicher, Korruption, Inszenierungen, Lügen und Schmierentheater nehmen nicht ab, ganz im Gegenteil. Der ständige Fingerzeig auf »die da«, also auf Politiker und Parteien, ist zwar wichtig, bringt außer einer moralischen Verurteilung, weder gesamtgesellschaftlich viel, noch erhellt sie den Leser in seiner persönlichen Perspektive großartig. Zumal die meisten Blogleser eh aufgeklärt sein dürften. Ich bin auch kein Anhänger des Positivismus, der krampfhaft nach Lösungen und Alternativen im Meer der Unmöglichkeiten bzw. im naiven Möchtegern-Utopia suchen will, so wie es vor allem im wissenschaftlichen Betrieb Allgemeinplatz ist. Argumente überzeugen mich meist nur, wenn sie kritisch und hinterfragend sind. Mit Werbung, Lügen-PR und einem »Alles-wird-Gut-Gelaber« werden wir schon genug zugemüllt.

Nein, was mich zunehmend beschäftigt, ist die zwischenmenschliche Komponente. Der Blick auf Strukturen, Rahmenbedingungen, Gesetze usw. ist wichtig, oft wird jedoch vergessen, dass der soziale Aspekt, der zwischenmenschliche Umgang diese mit beeinflussen und prägen. Das vermeintlich tollste politische System ist zum Scheitern verurteilt, wenn Menschen sich von Eigennutz, Materialismus und Gier treiben lassen. Und damit will ich nicht der unsäglichen propagandistischen »Eigenverantwortung« das Wort reden, sondern betonen, dass es immer noch jedem selbst überlassen ist, ob er eine alte Frau über die Straße hilft oder schnell weiter geht.