Der pädagogische Happen (29)

Mutter: »Könnten Sie mir bitte helfen, meine Tochter zu finden?«

Pädagoge: »Ja, natürlich!«

(Mutter verschwindet unauffällig. Der Pädagoge sucht und findet das Kind auf dem Schulhof.)

Pädagoge (zur Kollegin): »Sag mal, hast Du die Mutter von Lena gesehen?«

Kollegin: »Sie meinte, sie wartet in ihrem Auto vor der Schule und Du möchtest ihre Tochter doch bitte zu ihr bringen.« (Der Pädagoge bringt das Kind zum Auto.)

Mutter: »Danke, dass Sie mir geholfen haben!«

Pädagoge: »Frau Kolaczyk, es ist eigentlich nicht unsere Aufgabe die Kinder zu suchen und zum Auto der Eltern zu bringen. Bitte holen Sie Ihr Kind das nächste mal bitte selbst ab.«

Mutter: »Aber ich kann meine Tochter immer so schwer finden!«


Der pädagogische Happen (1−28)

Neulich beim Friseur

Mehr als 1,5 Stunden hat man mich schmoren lassen. Ich hatte keinen Termin. Die Damen kamen auch nicht mal zwischendurch zu mir oder versuchten mich irgendwie zu beschwichtigen (»Ein Glas Wasser?« Oder: Es ist gleich soweit!«), nein, sie redeten überhaupt nicht mit mir. Nach über 90 Minuten habe ich den Laden wütend verlassen. Ein Kunde weniger. Ich gehe vielleicht 3–4 mal im Jahr zum Friseur. Und das sehen die Angestellten auch. Ich bin weder ein eitler Herr, der sich alle zwei Wochen seine Zwei Millimeter schneiden lässt, noch ein Vereinsamter, der ein nettes Schwätzchen mit jungen Damen halten will. Ich bin auch kein weibliches holdes Wesen, das sich für viel Geld die Haare machen lässt, weil das ja irgendwie wichtig sei.

Beim nächsten Laden musste ich zwar nur 30 Minuten warten, aber auch da sprach man mich gleich an: »Lange nicht mehr beim Frisör gewesen, he? (Hoa, Hoa)« — »Ja, ich bin Pragmatiker!« Das Gesicht hättet Ihr sehen sollen. Kein Selbstoptimierer und Selbstinszenierer, dem wir teuer Haarwachs, ‑Gel, ‑Shampoo, ‑Pflegespülung, Haarfarbe gegen die ersten grauen Haare oder sonstigen Mist andrehen können (alles schon erlebt!) und der dazu nur alle paar Monate vorbei kommen will? Was soll denn das? Da braucht man nicht übermäßig zuvorkommend sein. Selbst mit der bekloppten Bonuskarte verdienen wir nicht viel an dem. Warum dann noch freundlich sein?

First-World-Problem. Ich weiß.


»Neulich...«

DVB-T2

dvbt2_titelZum 29. März 2017 wurde DVB-T1 abgeschaltet. Mehr als 3 Millionen Haushalte in Deutschland empfingen ihr Fernsehprogramm über das DVB-T1 Signal im TV via eingebauten oder einen externen Receiver. Alle, die sich nicht rechtzeitig neue Hardware gekauft hatten, haben Ende März sprichwörtlich in die Röhre geguckt. Das Hauptargument der Industrie war dabei stets, dass eine Reduktion der bisherigen Übertragungsfrequenzen notwendig gewesen sei und dass die Zuschauer vermehrt nach HD-Inhalten nachgefragt hätten. Das es primär nur um Geschäfts- und Profitinteressen geht, haben die hundertfachen Advertorials, getarnten PR-Artikelchen und industriehörigen, vorauseilenden Redaktionsbeiträge in dutzenden Online-Massenmedien wie immer verschwiegen. Ein paar persönliche Erfahrungen aus der DVB-T2 ‑Servicewüste und ‑Konsumhölle. Weiterlesen

Der Anschlag (6)

anschlag_teaserDie große Koalition will die Todesstrafe in Deutschland wieder einführen. Zunächst sollen Kinderschänder, Vergewaltiger und andere Sexualverbrecher davon betroffen sein. In Kooperation mit großen Unternehmen und den Massenmedien sollen diese Live übertragen werden, mit Public Viewing, Bier und Bratwürstchen. Zunächst werden den Verurteilten Nägel unter die Haut getrieben, sie müssen Schweinemist fressen und ihnen werden die Finger und Zehen abgehackt. Die Prozedur soll künftig mehrere Stunden dauern, bevor sie von einer ausgewählten Menge gesteinigt werden. Laut einer RTL- und BILD-Umfrage begrüßen 80 Prozent der Deutschen das neue Gesetz.

Die Deutsche Telekom startet eine Kunden-Offensive, um der Service-Wüste in Deutschland effektiv entgegen zu treten. Dazu will das Unternehmen über 10.000 Arbeitskräfte fristlos entlassen, ihre Tarife um 30 Prozent erhöhen, die DSL-Geschwindigkeit drastisch verringern, keine Kundenanfragen per E‑Mail, Telefon oder Fax mehr beantworten und ihre Kunden-Hotlines durch automatisierte Systeme ersetzen.

Das Dating-Portal elitepartner.de hat 3.000 Accounts unwiderruflich gelöscht. Nach einer internen Recherche wurden besonders »soziale Hängematten« aus der Datenbank entfernt. Die Zielgruppe der sozial schwachen Überflüssigen, die keine Leistung erbringen, faul seien und sowieso kein Vermögen besitzen, soll sich bei unterschichtpartner.de anmelden, so die Macher des Portals. Schließlich lebe das Unternehmen von zahlungskräftigen Eliten und nicht von Sozialschmarotzern.

Neusprech: Service

»Auch bei der Telekom erhalten Sie als Kunde einen sehr umfangreichen und ausgewogenen Service. Sie haben die Möglichkeit bei einem Problem jederzeit auf einen umfassenden Telekom Service zurückzugreifen.«

- Deutsche Telekom

Das schwammige Plastikwort »Service« erreicht bei der Suchmaschine google ungefähr 6.000.000.000 Ergebnisse. Es ist eines der absolut zentralen Begriffe der ökonomischen Lebenswelt. Er bezeichnet die Dienstleistung am und für den Kunden. Es gibt Service-Zentralen, Service-Management, Service-Mitarbeiter, Service-Rufnummern und vieles mehr. Stets suggerieren Kundennähe, Kundenpflege und Kundenorientierung, dass man die Wünsche und Bedürfnisse des Verbrauchers ernst nehmen würde. Mit der Realität hat das meist wenig zu tun. Weiterlesen

Aufkleber statt Menschen

Die Berliner Nahverkehrsbetriebe (BVG) haben eine einzigartige Kampagne gestartet. Nachdem sie jahrelang verzweifelt versucht haben, ihre Mitarbeiter auf Freundlichkeit zu schulen und ihre Unternehmenspolitik als kundenfreundlich darzustellen, schulen sie jetzt ‑mit durchschlagendem Erfolg- Aufkleber. In einem Power-Wochenendseminar werden Aufkleber auf Freundlichkeit geschult, die Fairness, Rücksichtnahme und Höflichkeit vermitteln sollen. Also alle Eigenschaften, die weder das Personal noch die Unternehmensführung aufweisen können. Seminarleitung und Unternehmensführung sind begeistert, es kostet kaum was, der Aufwand ist vergleichsweise gering, die Aufkleber streiken nicht und wollen auch nicht mehr Gehalt. Wie es bei den Fahrgästen ankommt, kann der BVG-Chef leider noch nicht genau sagen: »Wir stecken noch in der Evaluation«.