»Weniger essen, mehr bewegen!«

Das wars. Ende. Aus. Schluss. Vorbei. Mehr gibt es nicht zu sagen! Ehrlich. Das ist die ganze Philosophie. Punkt. Kann ich mit so einer banalen Botschaft durch die Talkshows wandern? Meine teuren Bücher verkaufen? Freiberuflicher Diät‑, Fitness- oder Ernährungstrainer werden? Einen Youtube-Kanal mit hunderten Videos veröffentlichen? Teure Superfood-Produkte verkaufen (Mega-Fatburner für 20 Euro)? Nein? Geht nicht? Zu wenig »Content«? Muss ich also doch irgendeinen Bullshit labern, um irgendwie Aufmerksamkeit zu generieren? Soll ich also jede Form von biochemischer Wechselwirkung im menschlichen Körper aufzählen? Jeden Aspekt des Stoffwechsels thematisieren? Echt jetzt?


Fressen als Fetisch

Kinder in Deutschland; Teil 45: Ernährung

Niemand weiß, dass Fast Food ungesund ist. Deshalb brauchen wir unbedingt Aufklärung! (Bildquelle: wikimedia commons)

»Was gab es heute zu essen?«, diese Frage stellen täglich Millionen von Eltern ihren Kindern, wenn sie sie von der Kindertagesstätte, vom Hort oder der Schule abholen. Für sehr viele Eltern ist das ein sehr wichtiges Thema. Für sehr viele Kinder nicht. Entweder möchten sie nicht darüber sprechen, antworten nur kurz und knapp oder haben sogar vergessen, was es zu essen gab. Für sie ist es wichtiger, wie der Tag verlaufen ist, ob ihre Freunde da waren, sie wenig Konflikte hatten, ob sie sich frei entfalten durften, sich angenommen und geborgen fühlten. Und obwohl die Armut in Deutschland weiterhin explodiert sowie überall der neoliberale Sparzwang herrscht, wollen viele Mittelschichts-Eltern nicht über Zusammenhänge oder Ursachen sprechen, sondern lieber in ihren bequemen Komfortzonen über das Essen in Schulen und Kindergärten mäkeln. Weiterlesen

Geistige Wohlstandsverwahrlosung

wohlstand_titelWir haben zwar immer mehr Massenarmut und Massenobdachlosigkeit, aber gleichzeitig auch eine radikale Mitte, die unbedingt in spätrömischer Biedermeier-Pseudo-Dekadenz verwöhnt werden will. Wer einmal das Glück hatte, in einem Urlaubsort zu sein und/oder länger in einer Touristengegend war, weiß, dass die »Idiocracy« eine ganz reale Dystopie ist. In Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen tummeln sich Horden von spaßbefreiten Urlaubern, die oft einfach gar nichts tun, außer vor sich hin zu schimmeln. Sie bezahlen fast jeden Preis (»ist ja schließlich Urlaub!«), murren und meckern aber gleichzeitig über jeden Fliegenschiss:

  • »Das Essen heute war eigentlich ganz okay. Auch wenn die Nudeln etwas zu weich waren!«
  • »Ständig muss man hier auf den Fahrstuhl warten! Können die nicht mal einen zweiten installieren?«
  • »Wieso muss es heute wieder zu (wahlweise) kalt, warm, trocken, windig, nass oder heiß sein?«
  • »Die Frau an der Rezeption hätte ruhig mal lächeln können!«

Während überall auf der Welt Menschen elendig krepieren, verhungern oder erschossen werden, diskutiert der teutsche Touristen-Michel realitätsfremd und pseudo-dekadent, über Essen, Wetter und Urlaub. Schließlich habe man das ganze Jahr über für den Profit der Reichen hart geschuftet. Und nun möchte man einmal selbst irgendwie Chef spielen. Wenn auch nur für einige Wochen. :jaja:

Fressen als Fetisch

fressen_fetischKochsendungen mit und ohne Promis, Kochbücher auf den Bestseller-Listen, Foodblogger und Food Events wie die Berlin Food Week, Erlebnis-Restaurants (wie beispielsweise das Dunkelrestaurant) oder der Billig-Italiener um die Ecke, Dinner Shows, Restaurant-Kritiker und Bewertungsportale wie yelp.de, Ernährungstipps und Trainer, Gourmet-Köche, dogmatische Vegetarier oder fanatische Veganer, Fast Food – Jugendhype, Magersucht-Kotz-Models, Kino-Popcorn-Reinstopfer, Omas Kochkünste, Bio-Besseresser, Kochduelle, Diät-Wahnsinn oder dutzende Rezepte-Webseiten: essen und kochen ist für viele Menschen nicht einfach nur ein Grundbedürfnis des Körpers, sondern Leidenschaft, Obsession und Fetisch. Weiterlesen

Scheiss Zucker!

zucker_titelEssen war und ist für mich, im Angesicht von knapp einer Milliarde hungernden Menschen auf der Welt, ein Luxus-Thema. Dennoch kotzt mich die Lebensmittelindustrie zunehmend an. Es gleicht der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen, wenn man in einem gewöhnlichen Supermarkt etwas ohne mindestens 30 Prozent Zucker- und/oder Fettanteil, ohne Glutamate, Zusatz- oder Konservierungsstoffe kaufen will. Und es genügt auch nicht, einfach nur in einen Bioladen zu gehen und mehr Kohle auf den Tisch zu legen, das beruhigt zwar das eigene Gewissen und man kann sich als Besser-Esser-Bio-Öko-Grün-Gutmensch inszenieren, aber auch im Bioladen lauern viele Gesundheitsfallen und Etikettenlügen. Weiterlesen

Fressen, ohne gefressen zu werden

  1. Den Spanier fand ich jetzt nicht so gut, die Nachos waren pappig.
  2. Hast Du schon mal Hirsch gegessen?
  3. Lass uns mal wieder schick essen gehen!
  4. Ich find ja »die Kochprofis« cooler als »das perfekte Dinner«!
  5. Ich hätte mal wieder Lust auf den Italiener um die Ecke. Die Pasta dort schmeckt echt lecker!
  6. Wo gibt’s hier ne Rostbratwurst?

Knapp eine Milliarde Menschen hungern weltweit. Ein gutes Sechstel der Weltbevölkerung. Das Essen, das in sich Einverleiben ist in unserer Überfluss-und-Haben-Gesellschaft eine von vielen Alibihandlungen der individuellen Selbstverwirklichung. Wir sind das, was wir essen. Wir essen, um zu werden, statt zu essen, weil wir sind.