Geistige Wohlstandsverwahrlosung

wohlstand_titelWir haben zwar immer mehr Massenarmut und Massenobdachlosigkeit, aber gleichzeitig auch eine radikale Mitte, die unbedingt in spätrömischer Biedermeier-Pseudo-Dekadenz verwöhnt werden will. Wer einmal das Glück hatte, in einem Urlaubsort zu sein und/oder länger in einer Touristengegend war, weiß, dass die »Idiocracy« eine ganz reale Dystopie ist. In Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen tummeln sich Horden von spaßbefreiten Urlaubern, die oft einfach gar nichts tun, außer vor sich hin zu schimmeln. Sie bezahlen fast jeden Preis (»ist ja schließlich Urlaub!«), murren und meckern aber gleichzeitig über jeden Fliegenschiss:

  • »Das Essen heute war eigentlich ganz okay. Auch wenn die Nudeln etwas zu weich waren!«
  • »Ständig muss man hier auf den Fahrstuhl warten! Können die nicht mal einen zweiten installieren?«
  • »Wieso muss es heute wieder zu (wahlweise) kalt, warm, trocken, windig, nass oder heiß sein?«
  • »Die Frau an der Rezeption hätte ruhig mal lächeln können!«

Während überall auf der Welt Menschen elendig krepieren, verhungern oder erschossen werden, diskutiert der teutsche Touristen-Michel realitätsfremd und pseudo-dekadent, über Essen, Wetter und Urlaub. Schließlich habe man das ganze Jahr über für den Profit der Reichen hart geschuftet. Und nun möchte man einmal selbst irgendwie Chef spielen. Wenn auch nur für einige Wochen. :jaja:

7 Gedanken zu “Geistige Wohlstandsverwahrlosung

  1. Nein, dass ist kein Meckern, sondern das Führen einer Strichliste. Das wird mit dem Smartphone aufgenommen und bei Bedarf schriftlich niedergelegt, um hinterher die Urlaubskröten wieder einzuklagen.

  2. Meine Großeltern pass(t)en in der Hinsicht wirklich voll ins teutonische Wirtschaftswundergeneration-Pauschalurlauber-Klischee. Das Leben lang ohne Hinterfragen gebuckelt, zwei Wochen Sommerurlaub im Jahr — und sich dort dann am Strand quasi von Morgens bis Abends tiefbraun »durchtoasten« lassen. Immer mit der gleichen Reisegruppe (bis die ersten dann nach und nach wegstarben). Als sie in Rente waren, flogen sie dann nur noch in Hotels und Orte, die sie von früher kannten. Ja nix Neues mehr kennenlernen auf die alten Tage. Aber das hatten sie ja vorher im Grunde auch schon nicht...

    Wenn sie dann bei Familienfeiern oder unter Bekannten davon erzählten, kam eigentlich nix über Kultur, Orte, Menschen, Sehenswürdigkeiten — die erlebten wirklich im Kern immer nur die abgeschirmte Käseglocke, die der Reiseveranstalter im Preis mit inbegriffen hatte. Es wurde eigentlich nur zum 157. Mal drüber gegackert, wenn denen irgendwas »Peinliches« (Marke Adam-Sandler-Komödie) passiert war.

    Nun denn. Heute ist für die meisten ja selbst »Urlaub« nur noch purer Stress. Die kommen aus dem stressigen Job (oder die Kids aus den zahlreichen »Verpflichtungen«) raus, treffen auf einmal zwei Wochen lang — ohne Fluchtmöglichkeiten — auf die restlichen (auch noch pubertierenden) Familienmitglieder! Und genau dann muss Alles passen! Anreise, Unterkunft, Essen, Kultur, Animation, Reiseprogramm, Ausflüge, Leihwagen, Pooltemperatur, Handtuchkonsistenz... Weil heute ist ja auch alles komplett durchgeplant. Und wenn da mal irgendwas nicht passt: Ohwei! Da diese Perfektion eben nicht erreichbar ist, wird dann halt gemeckert und gemosert... Und sich zur Not ganz am Ende: geschieden! :D

    Der ein oder andere sieht auch deshalb oft nach dem Urlaub fertiger aus als vorher... Vielleicht haben es meine Großeltern ja dann wohl im Vergleich dazu doch nicht so ganz verkehrt gemacht...!? ;)

  3. Deutsche Urlauber im Ausland, Fortführung des Vernichtungskriegs mit anderen Mitteln.
    Wer deutsche Ordnungsliebe pur genießen will, folgender TV-Tip:

    Mein Revier, Kabel eins, die Hoteltesterin von holidaycheck.

  4. Reisen finde ich sonst prima! Unter rumkommen.de kann man sich auch informieren, wie das mit wenig Geld klappt. Allerdings sollten dafür ein paar Talente vorhanden sein. Da ich die nicht habe, warte ich, bis die mickrigen drei Millionen im Sack sind. Dann kann ich für mich auch den Humboldt machen.

  5. Es ist purer Wahnsinn. Seit 13 Jahren leben wir auf Mallorca,hben eine kleine Firma für Wasseraufbereitung gegründet (Hier unbedingt nötig, da die Wasserqualität unter aller Kanone ist, Urlauber müssen Wasser in Trinkflaschen kaufen, Duschen und Waschen nur mit Dreckwasser, total versalzen und verkalkt und noch dazu mit braunen Sahara Schlamm kontaminiert). Heuer ist es besonders schlimm, man meint, ganz Deutschland tummelt sich hier. Anstand? Nada. Fahren wie in der Fahrschule. Im Supermarkt nur bissige Gesichter von fetten Gestalten mit Riesen Hinterteilen. Einkauf Körbeweise Alkohol, Bier, Schnaps, Wein. Man bekommt Schüttellähmung und glaubt nicht, selbst mal in Deutschland gewesen zu sein. Man schämt sich als Deutscher, mit diesen »Landsleuten« identifiziert zu werden. Kinder nur lärmend und schreiend bis lange nach 1 Uhr nachts. Man könnte das nun lange fortführen, aber es bringt ohnehin nichts. Das Niveau dieser Leute ist offensichtlich weit unter Hartz 4 Beziehern. Es gibt inzwischen schon Organisationen, die diesen Ansturm minderbemittelter Gestalten boykottieren wollen.

  6. @Wieland

    Was Sie beschreiben, ist die überall hochgelobte »Deutsche Leitkultur«. Und die wenigsten Hartz4-Bezieher können sich einen Urlaub auf Mallorca leisten. Nein, das ist die radikale Biedermeier-Mitte, die im Urlaub mal so richtig die Sau raus lassen will! Und während man selbst jeglichen Anstand, Toleranz und Rücksichtnahme ablegt, sollen alle Lohnarbeitskräfte im Touristengewerbe bitte immer schön freundlich bleiben! :jaja:

  7. »bissige Gesichter von fetten Gestalten mit Riesen Hinterteilen. «

    Schönheit kommt von innen. Häßlichkeit auch.

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