Der Anschlag (8)

anschlagDer Top-Ökonom Hans-Werner Sinn sei stolz auf den demokratischen, rücksichtsvollen und solidarischen Geist, welche die neoliberale Wirtschaftsordnung hervorgebracht habe. Dies zeige sich vor allem in den Städten, wo Tausende Menschen, bei Großveranstaltungen, Grillfesten, Konzerten und an Silvester, ihren Müll auf die Straße werfen würden. Schließlich würden die Menschen dabei hauptsächlich an die so geschaffenen Arbeitsplätze in den örtlichen Straßenreinigungsbetrieben denken, so der Experte.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hält Süchte und Abhängigkeiten für einen starken Wirtschaftsfaktor und plädiert für einen weniger gesellschaftlich abwertenden Umgang mit Ihnen. Schließlich würden Alkohol‑, Tabletten‑, Zigaretten- und Spielsüchtige als Dauerkonsumenten dem Wirtschaftsstandort Deutschland einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ganz im Gegenteil müsse die Bundesregierung dafür Sorge tragen, mehr Kunden zu Süchtigen zu machen, so das Institut in einer internen Mitteilung.

Die Bundesregierung und das Bildungsministerium wollen im nächsten Jahr das »marktkonforme Studium« einführen. Im Rahmen des neuen Gesetzes werden alle geisteswissenschaftliche Fächer, wie beispielsweise Afrikanistik, Philosophie oder Kunstgeschichte bundesweit komplett abgeschafft. Zukünftig dürfen sich Studierende dann von maximal drei Fächern, die vom Arbeitgeberverband vorgegeben werden, eines für ihren Studiengang aussuchen.

Presseblick (23)

Die Wirtschaftswoche schreibt über »die Traumberufe unserer Kinder«. Erläutert wird eine Umfrage des Jugendforscher-Teams iconKIDS&Youth im Auftrag von LEGO City. Kinder sollen und müssen schließlich funktionieren: zuerst nur als Konsumenten, später zusätzlich als Steuerzahler und Lohnarbeiter. »73 Prozent der Kinder wissen schon ganz genau, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollen.« Nur leider sinke mit zunehmenden Alter die Zuversicht, den gewünschten Beruf auch zu bekommen, so die Redakteurin Miriam Bax. Das liege natürlich nicht an unserem Arbeitsmarkt, bei dem auf ca. eine Million offener Stellen (sehr optimistisch gerechnet) ungeschönt sechs bis sieben Millionen Erwerbslose treffen, sondern daran, dass man »Ausschreibungen für Profifußballer oder Geheimagenten« in den Jobbörsen vergeblich suche. Es gibt kaum eine frustrierendere Frage für Kinder als »Was möchtest Du später einmal werden?«. Bei dem Arbeitsmarkt sind die meisten am Ende froh, überhaupt eine Lohnarbeit gefunden zu haben. Weiterlesen

Filmtipp: »Alphabet«

»Alphabet«, der dritte Film von Erwin Wagenhofer, ist ein stiller und leiser Dokumentar-Film, obwohl das Thema hochbrisant ist. Es geht um die moderne Schulbildung, das Leistungsdenken und die öffentlich propagierte alternativlose Zentrierung auf eine rein ökonomische Perspektive. Wagenhofer lässt unter anderem Arno Stern zu Wort kommen, der betont, dass in der Schule nur die Fächer Kunst, Sport und Musik notwendig wären, alles andere käme dann von ganz alleine. Der Film zeigt eindrucksvoll, dass es in unserem Bildungssystem nicht um die individuelle Entfaltung oder Selbstbestimmtheit des Kindes geht, sondern um die Abrichtung und Formung zu angepassten Arbeitsdrohnen. Empfehlenswert! Hier ein Trailer:

Ökonomie hemmt Würde

Den Preis für die »menschenfreundlichste« Bildunterschrift erhält diese Woche SpiegelOnline im Artikel »Entwicklungsländer: Millionen Kinder sterben an Mangelernährung«. Zitat: »Hunger verhindert Bildung und wirtschaftlichen Erfolg«. Bildung ist in diesem Kontext (und nicht nur hier) ein Synonym für beruflichen Erfolg. Der humanistische Blick ist wohl schon völlig flöten gegangen? Wie wärs mit: »Hunger hemmt Leben?« Wir sind wohl nur auf der Welt, um zu lohnarbeiten, oder wie? »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen« vom Menschenfreund Franz Müntefering (SPD) kann wohl getrost in »wer nicht arbeitet, soll auch nicht leben« erweitert werden. Zum Trost wirbt dann noch die Techniker Krankenkasse mit »Gesund in die Zukunft«.

Nieteneliten

»...bis zu einem Bäcker habe ich es noch nicht gebracht. Das ist ausgezeichnet, dann können Sie anfangen, sagte Antonio darauf. Wenn Sie nämlich wirklich Bäcker wären oder etwas vom Backen verstünden, dann wäre nichts zu machen.«

- B. Traven. »Die Baumwollpflücker«. Rowohlt 1962. S. 45

Anmerkung: Entgegen dem alltäglichen Bildungs- und Leistungsgequatsche im öffentlichen Diskurs, möchte man heute keine Menschen, die eigenständig denken, neue Ideen und Visionen haben oder überdurchschnittlich intelligent sind. Was man wirklich will, sind vorauseilende Mitneider, funktionierende Mitmacher und schweigsame Mitwisser.

Leerkörper

Bis zum 24. März 2013 kann man sich beim Bildungswettbewerb »Land der Ideen« bewerben. Um ausgezeichnet zu werden, sollte man folgende Kriterien erfüllen:

  1. Bildungsgerechtigkeit.
  2. Partnerschaft und enge Vernetzung.
  3. Vorbildcharakter.
  4. Nachhaltigkeit.

Ich denke, die Universität Düsseldorf hat alle Kriterien erfüllt. (Noch-)Schirmherrin der Veranstaltung: Annette Schavan. (klicken zum vergrößern)

Kinder in Deutschland; Teil 19: das kindliche Spiel

»Das kindliche Spiel ist die zweckfreie, spontane, freiwillige, von innen heraus motivierte, lustbetonte und fantasiegeleitete Tätigkeit. Sie steht im Gegensatz zum zweckbestimmten und geplanten Arbeiten«

- H. Schraub / K. Zenke, »Wörterbuch zur Pädagogik«, 1995, S. 328

Das kindliche Spiel ist selbstbestimmt und ergebnisoffen. Kinder spielen nicht, um etwas Bestimmtes zu erreichen, sondern vor allem wegen dem Spielprozess selbst.  Zwar kann auch der Reiz des Gewinnens die Motivation ausmachen (z.B. bei Brett- oder Sportspielen), er ist aber nicht der Hauptgrund warum Kinder weltweit gerne spielen. Auch wenn viele Erwachsene das kindliche Spiel als sinn- und zwecklos erachten, es eben nur als eine »Ablenkung vom Ernst des Lebens« bewerten, so ist es für Kinder der Weg mit der Welt Kontakt aufzunehmen, Ideen zu entwickeln, nach Lösungen zu suchen und um sich selbst kennen zu lernen. Weiterlesen

Kinder in Deutschland, Teil 16: Kitas

Anja G. arbeitet seit mehreren Jahren in einem Montessori-Kindergarten in Berlin. Sie hat insgesamt mehr als zehn Kinder eingewöhnt, betreibt Vorschularbeit, macht regelmäßig Elterngespräche sowie Entwicklungsgespräche und arbeitet in der Kleinkind-Pädagogik. Das Interview wurde am Samstag, den 3. September 2011 geführt.

epikur: Wie sieht die konkrete Bildungsarbeit mit Kleinkindern aus?

Anja: Ich sehe die zentrale Aufgabe einer Kindertagesstätte (= erste Bildungseinrichtung) darin, Kinder in ihrer Beziehungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Erst wenn sich das Kind aufmerksam mit seiner Lebensumwelt auseinandersetzt, geschieht Lernen. Das aber setzt   emotionale Ausgeglichenheit, das Frei sein  von Ängsten und mit sich selbst in Einklang zu sein voraus. Hier schon beginnt die Bildungsarbeit. Weiterlesen

Neusprech: Bildungsangebot

»Unter anderem will die Union nach einem Wahlsieg ein durchschnittliches Wachstum von drei Prozent erreichen und die Bildungsangebote im Land massiv ausbauen.«

- Meldung aus dem Handelsblatt zur Saarland-CDU vom 19. Juni 2009

Der Begriff »Bildungsangebot« offenbart die Korruption unserer Sprache durch eine marktwirtschaftliche Weltanschauung. Alles Menschliche und Dingliche wird zu einer Ware gemacht, zu einem Angebot, dass auf eine vermeintliche Nachfrage trifft. Selbstbestimmte Individuen, ein Denken, Handeln und Entscheiden abseits eines marktwirtschaftlichen Kosten-Nutzen Kalküls wird sprachlich-ideologisch unterbunden bzw. unterdrückt. Alles ist ökonomisch und alles ist eine Ware lautet die Devise. Auch die Bildung bzw. der geistige Horizont eines Menschen ist tausch — und verwertbar. Weiterlesen

Über die Volksverblödung

»Dünn hungern mit Heidi Klum, Dreck fressen mit Dirk Bach, kleine Mädchen fertig machen mit Dieter Bohlen«, so konstatiert Georg Schramm in gewohnt intelligent-satirischer Art die derzeitige Volksverdummung. Schramm fragt sich, ob diese systematische Verblödung nicht doch gewollt ist? Steckt vielleicht ein tiefer Sinn hinter der Bildungsmisere?