Kinder in Deutschland; Teil 54: Vertrauen

Drei wichtige Merkmale in der kindlichen Entwicklung werden in den letzten Jahren immer mehr vernachlässigt: Selbstwirksamkeit, Selbstverantwortung und Selbstständigkeit. Phänomene wie Überbehütung, »Elterntaxis«, Smartphone-Tracking sowie »Helikopter-Eltern«, die Kinder präventiv vor jeder vermeintlichen Gefahr und jedem Scheitern beschützen wollen, sorgen nachhaltig dafür, dass Kinder immer weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zur Lebensbewältigung entwickeln können. Im sozialen Lebensraum Schule kann man das mittlerweile jeden Tag beobachten. Weiterlesen

Der pädagogische Happen (33)

Mutter: »Hätten Sie mal kurz eine Minute?«

Pädagoge: »Ja klar, was gibts denn?«

Mutter: »Meine Tochter sagt, dass sie von einer Lena aufs Übelste beleidigt wurde! Ich möchte diese Schimpfwörter jetzt hier nicht wiederholen. Aber sowas hat sie noch nie gehört! Ich will, dass sie mit der Mutter von Lena darüber sprechen und sie fragen, woher ihre Tochter solche Wörter kennt!?«

Pädagoge: »Ich werde mich darum kümmern!«

Mutter: (Einen Tag später. Erbost. Sauer. Wütend.) »Meine Tochter sagt, Sie haben mit ihr und Lena gesprochen. Stimmt das?«

Pädagoge: »Ja. Beide Kinder habe sich entschuldigt und es ist bisher zu keinem weiteren Konflikt gekommen.«

Mutter: »Das reicht mir nicht! Ich will, dass Sie mir die Telefonnummer von Lena’s Mutter geben, damit ich mit ihr sprechen kann!«

Pädagoge: »Das ist nicht unsere Aufgabe. Das wird nur zu einer Eskalation führen. Außerdem kann ich das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht machen. Tut mir Leid!«

Mutter: (stapft ohne ein weiteres Wort wütend davon.)


Der pädagogische Happen (1−32)

Der pädagogische Happen (32)

 

 

 

 

(In der Schule, Abholsituation)

Mutter: Meine Tochter erzählt mir jeden Tag Zuhause, dass sie von einem Ali immer geärgert wird.

Pädagoge: Ja, ich habe die Situation beobachtet. Möchten Sie eine unbeteiligte Einschätzung dazu hören?

Mutter: (sauer, aufgebracht) Ich will, dass sie sich diesen Ali zur Brust nehmen. Es kann nicht sein, dass er hier frei dreht und andere Kinder schlagen darf!

Pädagoge: (ruhig, sachlich) Wenn ich Ihnen das einmal kurz erklären dürfte...

Mutter: (unterbricht) Wo ist denn dieser Ali jetzt gerade? Ich will mit ihm reden!

Pädagoge: (bestimmt) Stop! So geht das nicht! Die Kinder stehen in der Einrichtung unter unserer Fürsorge und Aufsicht. Außerdem reden wir doch gerade darüber. Also der Konflkt ging von beiden Seiten aus. Ihre Tochter Anna-Lena hat auch...

Mutter: (unterbricht wieder, wird lauter) Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ich möchte sofort mit der Leitung sprechen! Wo finde ich die?

Pädagoge: Das Gebäude links, dritte Tür rechts.

Mutter: (stapft wütend davon)


Der pädagogische Happen (1−31)

Angst und Macht

Eine dunkle Gasse...

Der Zusammenhang zwischen Angst und Macht wurde schon vielfach untersucht. Beispielsweise von Rainer Mausfeld, der die modernen Herrschaftstechniken hervorragend aufzeigt. Wie stark die Ängste der Menschen in den letzten 30 Jahren gestiegen sind, kann man besonders gut an den Eltern beobachten. Die gefühlten Elternängste steigen von Jahr zu Jahr. Sie haben mit den tatsächlichen Gefahren meist wenig zu tun, denn kaum ein Elternteil lässt sich mit Kriminalstatistiken oder rationalen Argumenten überzeugen. Da herrschen oft die pure Panik und die ungebändigte Hysterie, die via whatsapp, facebook, BILD, RTL sowie Boulevard- und Skandalpresse ‑zum Zwecke der Aufmerksamkeitsgenerierung- ordentlich angeheizt und aufgeputscht werden. Am Ende verkriechen sich immer mehr in ihre weltverleugnenden Komfortzonen-Wohlfühlbunker.

Ängste werden bewusst und unbewusst geschürt und angeheizt. Von der Politik, den Massenmedien, von Denkfabriken oder Lobbygruppen. Denn es gibt einige Interessengruppen, die sich viele Vorteile von unsicheren und ängstlichen Menschen versprechen. Sie konsumieren mehr. Sie glauben mehr. Sind leichter zu steuern und zu manipulieren. Sie nehmen die Einschränkung von Bürgerrechten leichter hin. Sie lassen sich besser auf Feindbilder und Kriege einschwören. Sind im Lohnarbeitsleben gefügiger. Sie leisten weniger Widerstand. Und sie halten generell stärker am gegenwärtigen Zustand fest, auch wenn er ihnen Unglück bringt. Insofern haben die Reichen und Mächtigen absolut kein Interesse daran, dass die Bevölkerung sorglos, ausgeglichen, angstfrei, bescheiden und selbstsicher ist.


Herrschaftsprinzipien
Probleme schaffen. Lösungen anbieten.

Die letzte Generation

Ich habe manchmal den Eindruck, dass die heutigen 30–40jährigen  die letzte Generation sind, die noch als Kinder wenig Verbote, kaum elterliche Überwachung, aber dafür viele Explorationsmöglichkeiten hatten. Ob alte Fabrikgelände, Ruinen, Mauern, Brachflächen, Hinterhöfe, Müll- und Schrottplätze, Hinterhöfe oder Waldgebiete: wir haben alles allein oder mit Freunden erkundet und erforscht. Wir haben den Sozialraum erobert. Wir durften bis 20 Uhr oder sogar 22 Uhr alleine draußen bleiben. Unsere Eltern haben uns blind vertraut und damit sehr stark unser Selbstbewusstsein und unsere Selbstständigkeit gefördert, ohne jemals an (früh-)kindliche Förderung gedacht zu haben. Dieses Zeitalter ist vorbei.

Heute regieren absurd-skurile-hysterische Elternängste. Angefangen von Dehydrierung, vermeintlichen Nägeln im Sand bis hin zu Kinderschändern hinterm jedem Baum. Moderne Eltern sperren ihre Kinder in Wohlfühl-Schutzbunker ein. Ständige Überwachung, Kontrolle und Einmischung sind die Doktrinen. Die Kinder werden von Insel zu Insel: von Kindergarten zu Sportverein zu Muskangebot zur Schule zu Freunden zur Sprachschule zum Kindergeburtstag zur Familie gebracht und gefahren. Gleichzeitig sind immer mehr Kinder medial verstrahlt. Viele Eltern empfinden den hohen Medienkonsum zwar als kritisch, aber immerhin sind die Kids so Zuhause vor digitalen Welten geparkt, anstatt selbstständig, selbstbestimmt und selbstbewusst den Gefahren der Umwelt zu trotzen, wo ja so so so so so viel passieren könnte. :jaja:


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Der pädagogische Happen