Presseblick (89)

Willy Brandt am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal für die Opfer des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Er stand für eine »Entspannungspolitik« mit Osteuropa. 1971 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Unsere Presse ist nur noch als kriegsbesoffen zu bezeichnen. Beiträge, die diplomatische Lösungen thematisieren oder Artikel, die über die humanitäre Lage von Menschen in der Ukraine und in Russland berichten, kann man mit der Lupe suchen. Gibt es für euch eigentlich noch Menschen in Russland, die nicht Putin heißen und unbedingt »besiegt« werden müssen? Für Linke war eigentlich schon immer klar, dass Waffen keinen Frieden schaffen können, sondern nur weiteres Leid verursachen.

Forderungen nach Abrüstung, Friedensgesprächen, nicht-militärischer-humanitärer Hilfe, NATO-Austritt, Sozialpolitik sowie wirtschaftlichen Aufbau — waren einmal urlinke Themen. Nun heißt es aus den Reihen von SPD/GRÜNEN/LINKEN: »Mehr Waffen! Mehr Krieg! Keine Diplomatie!« Sie alle beschmutzen das Vermächtnis von Willy Brandt.

Krieg
Wer Haltungsjournalismus betreibt, fühlt sich immer im Recht und sieht keinerlei eigene Widersprüche mehr. Da heißt es beispielsweise:

tagesschau.de vom 21. Januar 2023

Richtig! Kein Mensch denkt darüber nach, was Jahrzehnte später mit den Waffen vor Ort passiert. Schwarzmarkt. Kriminelle Banden. Todesschwadronen. Milizen. Tausende weitere Tote durch Schusswaffen. Aber Deutschland soll jetzt unbedingt haufenweise Waffen und Panzer in die Ukraine liefern? Was passiert mit den ganzen Waffen in 20 Jahren? So kommentiert Clemens Wergin, Chefkorrespondent Außenpolitik bei der Welt, die zögerliche Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz:

welt.de vom 20. Januar 2023

Oder die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP):

tagesspiegel.de vom 21. Januar 2023

Kriegstreiberei wohin man schaut. Wenn die Eskalationsspirale irgendwann explodiert, will es wieder Niemand gewesen sein.


Politik
Die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat ihren Rücktritt eingereicht. Sie war bei den Massenmedien offenbar unbeliebt, denn gegen sie lief eine wochenlange Kampagne. Die Presse indes kann wie gewohnt sehr viel und sehr scharf austeilen, aber absolut nichts einstecken: »Nein, Frau Lambrecht, die Medien sind nicht schuld!« Das Argument, sie sei in ihrem Job nicht kompetent genug gewesen, soll wohl ein schlechter Scherz sein? Nach diesem Kriterium hätten schon ganz andere, schon viel früher gehen müssen. Mit Ausnahme von Karl Lauterbach natürlich. Er ist der bis dato fähigste Gesundheitsminister den Deutschland jemals hatte!

»Ereignisse haben manchmal unrecht – die Zeitung hat es nie.« (Kurt Tucholsky)

Neuer Verteidigungsminister ist Boris Pistorius (SPD). Wer war wohl der erste ausländische Besucher nach der Vereidigung? Natürlich der US-Kollege Lloyd Austin. Jedes neue Mitglied der Bundesregierung muss sofort haltungs-und-gesinnungs-überprüft werden. Ob der neue Vasall auch die Anweisungen aus Washington ohne Widerworte umsetzt? Pistorius disclaimte dann auch sofort: »stehen die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika dabei Schulter an Schulter.« Na gut, Boris. Weitermachen! Vorerst.


Gesellschaft
Die Deutschen sind nicht nur sehr autoritätsgläubig, untertänig und devot (wie wir in den letzten drei Jahren alle sehen konnten!), sondern ergötzen sich auch an Verboten. Freiheit sei nur dann da, wenn der Käfig zur selbstbestimmten Entfaltung auf ein Minimum reduziert werde. Also muss soviel wie möglich verboten werden:

welt.de vom 2. Januar 2023

Die Menschen durch Verbote erziehen und die Welt durch überhebliche Regulierungen retten wollen. Klappt bestimmt! Oder auch nicht:

tagesspiegel.de vom 29. Dezember 2022

Sie versuchen mit aller Macht ihre Transgender-Gender-LGBTQIA-Whatever-Ideologie in Kunst, Kultur, Wissenschaft, Sprache, Medien und Politik durchzupeitschen. Aber es ist und bleibt ein Thema für absolute Minderheiten, die sonst keine Probleme im Leben haben. Die Mehrheit der Bevölkerung versucht derweil weiter ‑bei explodierenden Preisen allerorten- irgendwie über die Runden zu kommen.


Bargeld
Die Propaganda zur Abschaffung des Bargeldes wird auch immer dümmlicher. Die Dauer-Argumentation ist ja, dass beispielsweise »Bargeldobergrenzen« gegen kriminelle Strukturen und Geldwäsche helfen würden, wenn wir alle nur noch digital bezahlen. Ganz so, als würden weder die ’Ndrangheta oder die diversen mexikanischen Kartelle keine digitalen Finanz-Strukturen verwenden, um ihr Geld zu waschen? Sollen wir ernsthaft glauben, dass Kriminelle noch im 19. Jahrhundert stecken geblieben sind? Jetzt gibt es aber ein neues Argument:

tagesschau.de vom 3. Januar 2023

Das überzeugt uns alle natürlich, den kommenden digitalen Euro voller Wärme in Empfang zu nehmen. Die Kontrolle, die Überwachung und die sehr einfache Möglichkeit, Bürgen das Konto zu sperren, nehmen wir dann auch gerne in Kauf.


Bildung
Marode Schulen. Unterfinanzierte Bildungseinrichtungen. Katastrophale PISA-Ergebnisse. Überall fehlende Erzieher, Lehrer und Pädagogen. Diese Probleme sind der Politik seit Jahrzehnten (!) bekannt. Aber es fehlt nach wie vor der politische Wille für grundlegende Reformen und Investitionen. Das liegt nicht nur daran, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen der Politik ziemlich egal sind (auch das konnten wir alle in den letzten 3 Jahren wunderbar sehen!), sondern auch daran, dass der Bildungssektor zu wenig bis gar keinen Profit generiert.

Also wird weiter gewurschtelt, bis nichts mehr geht. In diesen kaputten Strukturen sind jetzt mehr als 200.000 ukrainische Schüler (zwangs-)aufgenommen worden. Von der Politik gibt es vor allem warme Worte. Aber kaum Unterstützung. Viele Schulen brechen unter der Last zusammen. Auch ich könnte hier viel berichten (mache ich vielleicht an anderer Stelle noch mal). Wer das jedoch zu lautstark kritisiert, ist natürlich ein Rassist und Putinfreund.


Medizin

»Nach dem Erfolg der mRNA-Impfstoffe im Kampf gegen Corona werden nun auch Durchbrüche in der Krebstherapie gemeldet.«

t‑online.de vom 9. Januar 2023

Von welchem »Erfolg der Corona-Impfstoffe« reden die hier? Was für eine »Impfung gegen Krebs«? Was zur Hölle? Muss ich diesen kafkaesken Gottes-Komplex noch ernsthaft kommentieren?


Lebensmittel
Das neue Motto, ab Ende Januar 2023, heißt: »Klima schützen! Insekten fressen!« Die Lebensmittelindustrie ist dabei so transparent wie nie. Wird Insektenpulver beigemischt, ist das natürlich nicht deutlich erkennbar, sondern wird versteckt im Kleingedruckten so lauten: »entfettetes Pulver« oder »Acheta domesticus«. Aber keine Sorge. Insekten enthalten viel Protein. Die Herrschenden wissen seit der »Corona-Pandemie« immer besser, was gut für uns ist. Guten Appetit!

focus.de vom 21. Januar 2023


Presseblick
Ziegenjournalismus

9 Gedanken zu “Presseblick (89)

  1. .

    Unsere Presse ist nur noch als kriegsbesoffen zu bezeichnen.

    Heißt das nicht kriegsoffen?
    *flöt*

    Aber es ist und bleibt ein Thema für absolute Minderheiten, die sonst keine Probleme im Leben haben.

    Nicht ganz. Die sehr wenigen Menschen, die rein biologisch tatsächlich weder Männlein noch Weiblein sind, haben damit definitiv große Probleme. Und für die war es ja ursprünglich auch mal gedacht...

    die sehr einfache Möglichkeit, Bürgen das Konto zu sperren

    Bürgen und allen anderen Bürgern. So sieht’s aus. ;-)

    Viele Schulen brechen unter der Last zusammen.

    Nun, die meisten Schulen sind ja noch nicht mit der (komplett unnötigen) sogenannten »Inklusion« fertiggeworden, wie sollen sie da jetzt schon die nächsten inkludieren...?

    Und auf den letzten Absatz ein Brot mit Butter und Rinderschinken. Hm, lecker. :-D

  2. Schönes Tucholsky Zitat!

    Schulen dürfen nicht funktionieren, da sonst die Kinder des Bildungsbürgertums ihre gesellschaftliche Stellung nicht in jedem Fall halten.

  3. Für Linke war eigentlich schon immer klar, dass Waffen keinen Frieden schaffen können, sondern nur weiteres Leid verursachen

    Es gibt keine Linke mehr. Nur eine entstellte Pseudolinke, die ihr Erbe verraten hat.

  4. @uepsiloniks
    Das Gejammere der deutschen Linke, dass es sie nicht mehr gibt, hat eine lange Tradition:
    Bertolt Brecht:

    Du sagst:
    Es steht schlecht um unsere Sache.
    Die Finsternis nimmt zu.
    Die Kräfte nehmen ab.
    Jetzt, nachdem wir so viele Jahre
    gearbeitet haben, sind wir in
    schwierigerer Lage als am Anfang.

    Der Feind aber steht stärker da denn jemals.
    Seine Kräfte scheinen gewachsen.
    Er hat ein unbesiegliches
    Aussehen angenommen.

    Wir aber haben Fehler gemacht,
    es ist nicht zu leugnen.
    Unsere Zahl schwindet hin.
    Unsere Parolen sind in Unordnung.
    Einen Teil unserer Wörter
    hat der Feind verdreht
    bis zur Unkenntlichkeit.

    Was ist jetzt falsch von dem,
    was wir gesagt haben?
    Einiges oder alles?
    Auf wen rechnen wir noch?
    Sind wir Übriggebliebene,
    herausgeschleudert aus dem lebendigen Fluss?
    Werden wir zurückbleiben?
    Keinen mehr verstehend und
    von keinem verstanden?

    Dennoch sehe auch ich die Notwendigkeit eines Neustarts (Great Reset hihi) der »linken« Bewegungen. Die alten Strukturen haben in der Coronakrise endgültig versagt, bzw. sind zur Gegenseite übergegangen.
    Die moralin überlaufenden Pseudolinken sind nach meiner Einschätzung Folge des Sieges der reaktionären Kräfte nicht dessen Ursache.

  5. Pingback: Krieg-Update – Sie sind wieder da – Blauer Bote Magazin – Wissenschaft statt Propaganda

  6. »Vermächtnis von Willy Brandt«
    Strack-Zimmermann macht sogar jeden Morgen kurz nach der ersten Tasse Russen-Blut einen Kniefall vor der überlebensgroßen M‑A_S‑Z Statue in ihrer bescheidenden Privat-Sakristei — Also gewissermaßen vor sich selber. Meines Wissens durfte noch kein Journalist diese Kniefälle für die verstrahlte Nachwelt fotografieren.

  7. Willy würde heute noch mal einen Kniefall machen. Aber eher auf die Dramatische, gen Himmel die Arme ausrecken und »Neiiiiiiiin!!« rufen.

    »Impfung gegen Krebs«

    Hat Biontech schon vor Corona versucht. Ging ein wenig in die Hose, und trotzdem hat man in der Krise auf das Zeug gesetzt. Leider finde ich den Link zur Biontech-Studie nicht mehr.

  8. Sehr geehrter Herr Bundeskaspar,

    bitte panzern Sie, sonst müssen wir Sie umgehend ver-cum-exen! Bleiben Sie uns auch in Zukunft gesonnen und machen genau das, was wir von Ihnen erwarten!

    Ihr freundlicher »Dienst« aus der Übersee-Nachbarschaft

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