Die Sprache der Menschenverachtung (7)

Ist das die neue Ethik der »westlichen Wertegemeinschaft«? (spiegel.de vom 1. November 2023)

Es begann vor rund drei Jahren. Mitmenschen wurden als »Gefährder«, »Seuchenschleuder« und als »Risiken« für die eigene Gesundheit gebrandmarkt. Dann wurden sämtliche C‑Maßnahmen-Kritiker in eine rechte Schmuddelecke gedrückt. Viele wurden auch kriminalisiert und zu Verbrechern erklärt (Michael Ballweg, Paul Brandenburg etc.). Weiter ging es beim Ukraine-Krieg. Jeder, der sich nicht sofort und bedingungslos zur Ukraine bekannt hat, wurde zum »Putinversteher«. Zwischendurch wurde jeder, der die Klima- oder Gender-Politik kritisiert hat, als »AfD-Freund« oder »Nazi« beschimpft.

Jetzt haben wir den Gaza-Krieg. Und wieder das gleiche Spiel. Wieder wird Jeder, der auch nur mögliche israelische Kriegsverbrechen erwähnt, zum »Terroristen-Freund« und »Hamas-Versteher«, ja sogar zum »Antisemiten« erklärt. Es gibt keine Kritiker mehr, sondern nur noch Feinde. Und die müssen bekämpft und beseitigt werden.

Es geht mir hier nicht um Empörung oder Moralisierung. Es ist jedoch wichtig, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, in wie weit sich die Grenzen des Sagbaren mittlerweile verschoben haben. Diese Rubrik bringt mir zudem, ehrlich gesagt, wenig »Spass« oder »Freude«. Ich erachte sie jedoch als notwendig, um die Verrohung des öffentlichen Diskurses zu protokollieren und zu dokumentieren.


Krieg
Es wird immer deutlicher: Diejenigen, die Anderen »Hass« und »Menschenverachtung« vorwerfen, projizieren ihren eigenen Habitus. Sie selbst hassen voller Inbrunst spezifische Menschengruppen. Ungeimpfte. Gender-Kritiker. Fleischesser. Sozialisten. Konservative. AfD-Anhänger. Friedensaktivisten. Andersdenkende. Palästinenser. Alte, weiße, Hetero-Männer. Und sie zeigen es immer offener. Die Kommentarspalten von Spiegel, Welt, Zeit, Tagesspiegel usw., sind voll mit Hass und Menschenverachtung.

Mitleid für die Zivilbevölkerung sei jetzt nicht »angebracht«, so heißt es. Man müsse jetzt »Haltung zeigen!« und Kriegsverbrechen akzeptieren. Es sei »Selbstverteidigung«. Ganze Landstriche werden dem Erdboden gleichgemacht. Tausende Zivilisten ermordet. Gerade die Springer-Presse zeigt hier keinerlei Empathie oder Mitgefühl:

»Springer-Boss Döpfner schreibt bei Reichelt ab: Man darf den Gaza-Streifen mit Bombenterror befrieden

- Alexander Wallach vom 5. November 2023

Ich dachte, wir hätten solche menschenverachtenden Euphemismus-Vokabeln, wie »befrieden«, das staatlich angeordneter Massenmord bedeutet, längst überwunden? Krankenhäuser werden bombardiert. Flüchtlingslager in Schutt und Asche gelegt. Die Zivilbevölkerung wird von Wasser, Lebensmittel und Strom abgetrennt. Ja, die Hamas hat fürchterliche Verbrechen begangen. Nur: wann hat Terror mit Terror bekämpfen jemals funktioniert? Hass mit Hass begegnen, erzeugt nur noch mehr Hass und Leid. Jeder US-Dronenangriff im Nahen Osten hat unzählige neue Terroristen erzeugt. Von einem US-Sieg »gegen den Terror« kann seit mehr als 20 Jahren überhaupt keine Rede sein. Ganz im Gegenteil.

tagesspiegel.de vom 1. November 2023

»Die absichtliche Tötung Unschuldiger ist auch im Kriegsfall verboten. Doch nicht immer, wenn Zivilisten sterben, wurden sie absichtlich getötet. Ihr Tod kann ein Kollateralschaden sein

Und Ihr bezeichnet euch als »linke Tageszeitung« und verwendet solche Begriffe wie »Kollateralschaden« für ermordete Menschen? Wobei: es geht ja auch nicht mehr um Menschen, sondern um »Tiere«. Dem Gegner die Menschlichkeit absprechen: so begann jeder Völkermord. Die Grenzen des Sagbaren und die Maßstäbe für ein menschliches Miteinander werden immer weiter verschoben. Seit 2020 gibt es auch bei den Journalisten kein Halten mehr. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat sich fest etabliert:

»Es war eine Machtdemonstration der Barbaren: Über 3000 Radikalislamisten und Antisemiten versammelten sich vergangene Woche in Essen zu einer Demonstration.«

- Till‑R. Stoldt, welt.de vom 10. November 2023

»Barbaren« plündern, vergewaltigen und brandschatzen. Haben die überhaupt noch Grund- und Menschenrechte verdient? Was sollten Politik und Gesellschaft mit solchen Ungeheuern machen, Herr Stoldt? Sagen Sie es uns bitte, ganz frei heraus!

Die Bundesregierung gibt der israelischen Regierung derweil einen Blankoscheck für sämtliche Kriegsverbrechen. Sie nennen es »Selbstverteidigung«.

Und für alle Gesinnungsjäger: Ich stehe immer auf der Seite der Zivilbevölkerung. In Israel. In der Ukraine. In Russland. Im Jemen. Im Gaza-Streifen. Überall. Weltweit.


Armut
Auch beim Thema »Armut« zeigt sich eine immer größer werdende Kaltschnäuzigkeit und Empathielosigkeit. Das wir es hier mit vielen individuellen Einzelschicksalen, aber auch mit strukturellen Ursachen zu tun haben, interessiert Politik, Presse und Gesellschaft immer weniger. Zunächst die Zahlen:

»Im Verlauf des Jahres 2022 waren in Deutschland demnach 607.000 Menschen wohnungslos.« (Quelle)

»Rund drei Millionen Kinder in Deutschland leiden unter Armut.« (Quelle)

»Fast jeder fünfte Altersrentner lebt in Armut.« (Quelle)

»Gut ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht« (Quelle)

Das ist weder Schicksal, noch eine von Gott gewollte Katastrophe, sondern menschengemacht. Und was machen Politik und Medien bei diesem großen gesellschaftlichen Problem? Wird es täglich thematisiert? Ja, beispielsweise so:

»Die Mär vom armen Rentner: Vielen Ruheständlern geht es gut.« (Quelle)

»Trotz gelockerter Zuverdienstregeln: Nur jeder Fünfte will im Rentenalter arbeiten.« (Quelle)

focus.de vom 18. September 2023

Kinderarmut. Altersarmut. Niedriglöhne. Wohnungsnot. Bildungsnotstand. Alle selbst schuld! Ein Harald Lesch bringt dann auch mal die Rente mit 85 ins Spiel. CSU-Politikerin Andrea Behr hat beim Thema Kinderarmut vorgeschlagen, dass die Kinder ja zur Tafel gehen könnten. Grundlegende politische Reformen und strukturelle Veränderungen sind also gar nicht notwendig, um Armut zu verhindern. Beispielsweise:

  • Öffentliche Infrastruktur (Wohnen, Wasser, Bildung, Mobilität, Gesundheit etc.) darf nicht dem Profitinteresse, sondern muss der öffentlichen Daseinsfürsorge unterliegen
  • Grundrecht auf beheizte Wohnung
  • Strom und Gas dürfen nicht abgestellt werden
  • Erhöhung des Mindestlohns
  • Alle (auch Beamte!) müssen in die Rentenkassen und in die Krankenkassen einzahlen
  • Sofortige Aufhebung aller Sanktionen des Existenzminimums
  • Super-Reiche dürfen sich gerne mehr an der Finanzierung des Sozialstaates beteiligen

Ich dachte immer, Hitler- und Nazi-Vergleiche gehen gar nicht und sind mitunter strafbar? Oder gilt das nur, wenn es »die Falschen« trifft? Ansonsten darf man fröhlich jeden als Hitler bezeichnen und munter Holocaust-Verharmlosung betreiben? Weil AfD? Weil böse? Geht dann schon klar? Ist das der neue »Journalismus« von dem alle reden? Grund- und Menschenrechte nur noch für »die Guten«?


Michael Lüders: Krieg im Nahen Osten
Die Sprache der Menschenverachtung

9 Gedanken zu “Die Sprache der Menschenverachtung (7)

  1. »Zivile Objekte stehen im Krieg unter dem Schutz des Völkerrechts. Doch das gilt nicht immer, erläutert Experte Safferling.«

    - tagesschau.de

    Sagt mal, haben die jetzt vollkommen ihren Verstand verloren? Unter bestimmten Bedingungen soll es also »erlaubt« sein, Krankenhäuser zu bombardieren? Hier werden Kriegsverbrechen relativiert und legitimiert.

  2. Debattenkultur:
    Selbst die Aussage der Klimawandel trifft bestimmte Regionen auf der Welt stärker als andere und Hamburg ist nicht eine Region, die nicht besonders stark betroffen ist, wird nicht argumentativ begegnet, sondern man hat einen Gesinnungsfehler (U‑Boot, Leugner, TikTok Idiot, what ever)
    Dazu die Aussage von Karl Popper, rechter, CDU naher, österreichisch britischer Philosoph:

    Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.

    Völkerrecht:
    Vielleicht sollte man in Betracht ziehen, dass das heutige humanitäre Völkerrecht nach westlicher Lesart nicht dazu dient menschlichen Schaden zu verhindern, sondern Kriege führbar zu machen bzw. diese zu legitimieren. (Die Universität von Shanghai hat hierzu in den Nuller und Zehner Jahre geforscht, das Ergebnis wurde aber nicht chinesische Staatsdoktrin. Peking wollte augenscheinlich nicht auf die legitimierende Wirkung des Völkerrechts verzichten).
    Man kann sich natürlich auch das Völkerrechtsdogma des Mainstreams zu eigen machen:
    Wenn die russischen Streitkräfte (oder China oder ein anderer Gegner) ein Krankenhaus bombardieren, dann tun die dies um Zivilisten zu töten -> Völkerrechtsverstoß
    Wenn die US Streitkräfte (oder Israel oder NATO, Gute halt) ein Krankenhaus bombardieren, dann sind zivile Opfer ein bedauerlicher Kollateralschaden hauptsächlich ausgelöst, weil der Gegner Zivilsten als Schutzschild benutzt -> Einhaltung des Völkerrechts

  3. Nicht Mord, nicht Bann, nicht Kerker
    und Standrecht obendrein -
    es muß noch kommen stärker,
    wenn’s soll von Wirkung sein.

    Ihr müßt zu Bettlern werden,
    müßt hungern allesamt,
    zu Mühen und Beschwerden
    verflucht sein und Verdammt!

    Euch muß das bißchen Leben
    so gründlich sein verhaßt,
    daß Ihr es weg wollt geben
    wie eine Qual und Last!

    Dann, dann vielleicht erwacht noch
    in Euch ein bessrer Geist,
    der Geist, der über Nacht noch
    euch hin zur Freiheit reißt.

    Hoffmann von Fallersleben
    11. März 1850

  4. ein alter hut, der nie verstaubt.
    sicher kennen dieses zitat schon einige von euch...

    John Swinton war US-amerikanischer Journalist, Zeitungspublizist und Redner. Seinen größten Einfluss auf die öffentliche Meinung hatte er während der 1860er Jahre als Hauptleitartikler der New York Times.

    Ein Statement von John Swinton, dem Doyen der amerikanischen Presse und einstigen Redaktionsleiter der „New York Times“ vor dem vornehmen New Yorker Presseclub im Jahr 1880:

    Bis zum heutigen Tag gibt es so etwas wie eine unabhängige Presse in der Weltgeschichte nicht. Sie wissen es und ich weiß es. Es gibt niemanden unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben, und wenn er es tut, weiß er im Voraus, dass sie nicht im Druck erscheint. Ich werde jede Woche dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung herauszuhalten, bei der ich angestellt bin. Andere von Ihnen werden ähnlich bezahlt für ähnliche Dinge, und jeder von Ihnen, der so dumm wäre, seine ehrliche Meinung zu schreiben, stünde sofort auf der Straße und müsste sich nach einem neuen Job umsehen. Wenn ich meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung veröffentlichen würde, wäre ich meine Stellung innerhalb von 24 Stunden los. Es ist das Geschäft der Journalisten, die Wahrheit zu zerstören, unumwunden zu lügen, zu pervertieren, zu verleumden, die Füße des Mammon zu lecken und das Land zu verkaufen für ihr tägliches Brot. Sie wissen es und ich weiß, was es für eine Verrücktheit ist, auf eine unabhängige Presse anzustoßen. Wir sind die Werkzeuge und Vasallen der reichen Männer hinter der Szene. Wir sind die Hampelmänner, sie ziehen die Strippen und wir tanzen. Unsere Talente, unser Fähigkeiten und unser ganzes Leben sind Eigentum anderer Menschen. Wir sind intellektuelle Prostituierte“

  5. Gerade der Spiegel hat sich von einer Instanz zu einem zweifelhaften Schundblatt für die Öko-Maltes und Lea-Sophies gewandelt. BILDungsbürgerzeitung quasi. Kürzlich dann ein Armutszeugnis von wissenschaftlicher Engstirnigkeit, nach 3 Jahren immer noch heimlich nach Maskenpflicht und Co. kreischen zu wollen:

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-und-grippe-einige-kliniken-verhaengen-wieder-maskenpflicht-und-besuchseinschraenkungen-a-c1da870f-284c-4644–9164-6152fec3d24e

    2020 hat angerufen, es hätte gerne seine Feindbilder wieder (in dem Fall Streeck).

  6. @PV

    Immerhin sagte er:

    »Es geht nicht mehr nur darum, jede Infektion zu verhindern, sondern um die Würde des Menschen.«

    Das geht natürlich gar nicht! »Würde« ist ein Konzept, dass wir spätestens seit der »Agenda 2010« nicht mehr kennen (wollen).

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