Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (13)

In Deutschland pflegt man zuweilen einen absolut unlustigen Hierarchie-Lohnarbeits-Humor. Und der geht so: wird in einer Firma, in einem Unternehmen, einer Organisation oder irgendwo sonst auf einem Lohnarbeitsplatz ein Fehler gemacht oder (salopp ausgedrückt) in irgendeiner Form Scheiße gebaut, wird immer erst nach unten getreten. Azubis. Bundesfreiwillige. Ehrenamtliche. Die liebsten Sündenböcke aber, sind die Praktikanten.

»Welcher Praktikant hat da wieder gepennt?«

»Das muss wohl der Praktikant gewesen sein!«

»Wer hat denn hier den Praktikanten rangelassen?«

Solche Sprüche liest und hört man ständig. Seit Jahrzehnten. Auf jeder Lohnarbeit. In jedem Online-Forum. Überall. Diese abwertende Formel impliziert, dass eine »gute Arbeit« primär nur ausgebildete Fachkräfte leisten können. Ja, dass Berufserfahrung und eine Top-Bezahlung ganz automatisch dazu führen würden, weniger Fehler zu machen und »Qualität« abzuliefern. Dabei kann diese subtil ausgedrückte Annahme realitätsfremder nicht sein.

Nicht nur, weil viele Fachkräfte in den Unternehmen mit den Jahren ganz automatisch betriebsblind werden — sondern weil die Beispiele, für völlig vergeigte Lohnarbeits-Ergebnisse von angeblichen Super-Profis, mit jahrzehntelanger Berufserfahrung, dutzenden von Fort- und Weiterbildungen, akademischen Titeln und Abschlüssen sowie vielen weiteren Qualifizierungen, Zertifizierungen und was weiß ich noch alles — schier endlos sind. Ein Blick auf deutsche Politiker oder der öffentlichen »Experten« der letzten drei Jahre genügt. Inkompetenz, Tunnelblick, Ignoranz, Empathielosigkeit, Kleingeistigkeit, Egoismus — das sind »Skills«, die ziemlich häufig in der oberen Karriereleiter zu finden sind.

Ganz im Gegenteil sind Praktikanten nicht selten Diejenigen, die frischen Wind in den Betrieb reinbringen. Die mit anderen Ansichten, jugendlichem Mut und Leichtsinn, den verstaubten und verknöcherten Langzeit-Lohnarbeitern — die mittlerweile schon innerlich gekündigt haben, aber dennoch jede Veränderung vehement ablehnen — eine neue Perspektive ermöglichen. Die neue Ideen formulieren. Verkrustete Strukturen hinterfragen. Ich habe in meinem Berufsleben viele tolle, kreative und motivierte Praktikanten erlebt.

In diesem Sinne: geht mir weg mit eurem alt-autoritären Abwertungshumor gegenüber Praktikanten! Das sagt am Ende mehr über euch aus, als über die Menschen, die für wenig oder gar kein Geld einen Beruf kennenlernen wollen. Denn wer wirklich eine gute Arbeit abliefert, benötigt keine narzisstische Selbstbeweihräucherung und keine Geringschätzung gegenüber Menschen, die in der sozio-ökonomischen Leiter niedriger angesiedelt sind.


»Aber mein Chef braucht mich!«
»Der tägliche Lohnarbeitswahnnsinn 1–12«

2 Gedanken zu “Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (13)

  1. Zum Thema: Dritte Wahl hat sich dieses Themas angenommen: https://www.youtube.com/watch?v=3zkpqfF8xUg
    Der Markt regelt es, die Stiefellecker setzen um. Ich möchte den Kapitalismus lieben, aber ich schaffe es nicht.

    OT:
    Der Maschinist hat einen witzigen Test (https://www.idrlabs.com/de/konservatismus/test.php) verlinkt und ich bin etwas stolz auf das Ergebnis von mir:

    Ihr Konservatismus-Test-Ergebnis lautet:
    Ihr persönlicher Grad an Konservatismus ist gering, was darauf hindeutet, dass Sie die Werte und Standpunkte des Konservatismus nur wenig teilen. Sie teilen höchstwahrscheinlich weder die konservative Wertschätzung traditioneller Werte, noch glauben Sie, dass Hierarchien zwischen Menschen natürliche Unterschiede in deren Fähigkeiten widerspiegeln. Möglicherweise halten Sie Förderung für wichtiger als Autorität. Nationalismus, traditionelle Religion und Militanz sehen Sie als Hindernisse, die die Menschheit überwinden sollte. Sie sind in der Lage Ihr eigenes Land kritisch zu betrachten, begleitet von einem scharfen Bewusstsein für dessen Fehler.

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