Der autoritäre Geist (2)

»Es wird jetzt so gemacht und basta! Selberdenken verboten!«

Seit den Corona-Maßnahmen hat sich nicht nur der autoritäre Charakter wieder in all seiner Pracht gezeigt, sondern auch der übermäßige Hang durch Verbote, Regeln und Strafen, Menschen erziehen zu wollen. Freilich immer im Namen des Guten und für die gute Sache. Wie könnte es auch anders sein. Es werden Einzelpersonen und/oder Ereignisse instrumentalisiert, um vermeintlich moralisch erhabene Verbote in den Diskurs einzubringen und gegebenenfalls sogar durchzusetzen.

Da wäre beispielsweise die Diskussion um das Böllerverbot. Ja, da haben ein paar Spinner mal wieder übertrieben. Das gibt es jedes Jahr. Mal mehr. Mal weniger. Das wird aber sofort benutzt, um ein Böllerverbot ins Spiel zu bringen. Die Corona-Maßnahmen dienten hier in den letzten Jahren schon als nützliches Vehikel. Ja, es gibt viele gute Argumente gegen das Böllern. Aber wollen wir den Menschen denn gar keine Lebensfreude mehr erlauben? Und das die Leute ‑nach diesen trostlosen und demprimierenden letzten drei Jahren- ordentlich die Sau rauslassen wollen, sollte menschlich nachvollziehbar sein.

In Deutschland gibt es offensichtlich immer noch sehr viele Menschen, die davon überzeugt sind, nur dann in Freiheit leben zu können, wenn der Staat Selbige auf ein Minimum reduziert und einschränkt. Alles verbieten und bis ins Kleinste mit Gesetzen, Verordnungen und Regeln durchziehen. Der Alltagskäfig wird dadurch zwar immer kleiner und enger, aber scheinbar versteht man genau das hier als Freiheit. Und jeder, der mehr vom Leben will und erwartet, wird dann von einer Armada von moralinsauren Übermenschen sturmreif geschossen.

Gleichzeitig hört man immer wieder die Rufe nach Zensur und härteren Strafen. Das schwarze Pädagogik und eine ausufernde strukturelle Gewalt, Menschen wohl eher selten zu selbstbewussten, zufriedenen und ausgeglichenen Charakteren macht, interessiert den autoritären Geist nur wenig. Er will bevormunden, gängeln, regulieren und bestrafen. Hier offenbart sich ein zutiefst menschenverachtendes Menschenbild. Denn individuelle Bedürfnisse und Interessen zu unterstützen, fördert nicht nur die intrinsische Motivation von Menschen, sondern auch die Selbstwirksamkeit und somit den demokratischen Habitus. Dafür würde der autoritäre Charakter jedoch Empathie benötigen, die er zutiefst verachtet.


Der autoritäre Geist

Unbequeme Fragen (3)

1. ) Wenn die AfD sagt, dass der Himmel blau ist, dann muss er doch grün sein, oder?

2.) Warum verstehen die Leute nicht, dass man die Corona-Maßnahmen evident begründen muss — und eben nicht dessen Aufhebung?

3.) Wo ist der islamistische Terror in Europa geblieben? Haben die Terroristen aufgegeben?

4.) Gibt es in den anderen Ländern um uns herum eigentlich keine Wissenschaftler? Müssen wir der Corona-Geisterfahrer Europas sein?

5.) Wo bleibt eigentlich das große Mitgefühl und die Solidarität mit den Opfern des Jemen-Krieges? Warum gibt es hier seit sieben Jahren keine Sanktionen gegen die Vorzeige-Demokratie Saudi-Arabien?

6.) Warum hat man seit Jahren und Jahrzehnten absolut kein Geld für ein besseres Gesundheitssystem und für besser ausgestattete Schulen, aber kann über Nacht mal eben 100 Milliarden Euro für Waffen bereit stellen?


Unbequeme Fragen (1)
Unbequeme Fragen (2)

Babylon 5

Joseph Michael Straczynski (JMS) hat von 1993–1998 ein wahres Meisterwerk erschaffen. Im Gegensatz zu »Deep Space Nine«, dass ich bis heute mit der Note 3 bewerten würde, behandelt die Sci-Fi-Serie »Babylon 5« sehr viele erwachsene Themen und ist insgesamt auch runder. Die Bandbreite ist hier unglaublich groß. Innerer und äußerer Frieden. Die Korrumpierung von Macht. Große Entscheidungen und Konsequenzen. Alkoholismus. Die Todesstrafe. Kampf der Ideologien. Medien-Propaganda. Friedliche Konfliktlösungstrategien. Es werden beispielsweise Kriegstraumatisierungen und Depressionen thematisiert (3.13), die Überwindung von Ängsten (5.20) oder auch echte Vergebung (5.20). Und vieles, vieles mehr.

JMS hat damals als Erster das Experiment gewagt, im voraus eine zusammenhängende Geschichte über 5 Staffeln (110 Folgen) den Studiobossen vorzulegen. Er wusste von Anfang an, wie die Figuren sich entwickeln und wie die Geschichte enden würde. Das war vor rund 30 Jahren eine Evolution in der Serienbranche. Selbst heute gibt es so etwas kaum noch. Der Blick auf die Zahlen (Reichweite, Aufmerksamkeit, Marktanteil, Abrufzahlen etc.), auf die öffentliche Reputation sowie auf die Meinung der Internet-Community, entscheiden häufig über die Zukunft einer Serie. Das hat dann oft einen nicht unerheblichen Einfluss auf Drehbücher, Dramaturgie und den Plot. Weiterlesen

Der autoritäre Geist

»Es wird jetzt so gemacht und basta! Selberdenken verboten!«

»Das autoritäre Gewissen läuft im wesentlichen auf die Bereitschaft hinaus, die Befehle von Autoritätspersonen, denen man sich unterordnet, zu befolgen. Es ist glorifizierter Gehorsam. Das humanistische Gewissen ist die Bereitschaft, auf die Stimme des eigenen Menschseins zu hören und ist unabhängig von Befehlen, die uns von anderen Menschen gegeben werden.«

(Erich Fromm. »Die Revolution der Hoffnung«. Ullstein Taschenbuch. Januar 1982. S. 81)

Anmerkung: Humanismus, Intuition, Empathie und gesunder Menschenverstand werden seit März 2020 als krude-esoterische Lachnummer verunglimpft. Dabei haben die Soziologen, Philosophen und Wissenschaftler der Frankfurter Schule schon vor über 50 Jahren davor gewarnt, Autoritäten blind zu vertrauen. Wer aus der deutschen Geschichte gelernt hat, wird wissen, wo das enden kann. Warum ausgerechnet vermeintlich Linke ihre gesamte Historie komplett vergessen haben, will mir nicht in den Kopf.


Kritik ist positives Denken

Der Club der toten Dichter

Ein Film, der mich in meiner Jugend nachhaltig geprägt hat ‑und der auch heute noch seine volle Wirkung bei mir entfaltet- ist »Der Club der toten Dichter« von Peter Weir. Robin Williams in der Rolle des Lehrers John Keating, möchte junge Männer an einer Elite-Schule zum selbstständigen, kritischen und offenen Denken anregen. Gerade in einem Umfeld, in der Fremdbestimmung (Eltern, Schule und Gesellschaft geben vor, was die Jugendlichen denken und tun sollen) schnöde Alltagsrealität ist, wird Keating’s Vorhaben als aggressiver Putschversuch gewertet. Nur »Leistung«, »Erfolg« und »Konformität« sind auch heute- jenseits von Elite-Einrichtungen- überall die tief verinnerlichten, neoliberalen Dogmen unserer alternativlosen, marktkonformen Demokratie. Weiterlesen

Die Banalisierung von Adorno

(©Jeremy J. Shapiro. wikipedia.org. 1964)

Wie macht man einen Beitrag über den 50. Todestag eines beißenden Gesellschaftskritikers, der die Mechanismen, Methoden und Herrschaftsprinzipien vom Faschismus und Marktradikalismus in zahlreichen Büchern, Schriften und Aufsätzen präzise aufgezeigt hat, ohne groß über seine Erkenntnisse zu schreiben? Man macht einen Podcast über seine Heimat: »Theodor W. Adorno kritisierte seine Umwelt als eine von Riesenkonzernen gesteuerte Massenkultur. Ein richtiges Leben im falschen sei unter diesen Bedingungen unmöglich. Im bayerischen Amorbach fand der Philosoph trotzdem so etwas wie Heimat.«

Man schwadroniert über sein Haus, sein Lieblingsrestaurant, seine Familie, seine Stammkneipe und ‑Apotheke und über seine Nachbarn. Man erzählt wie er einmal einen Beschwerdebrief wegen einer Umgehungsstraße an die Stadtverwaltung verfasst hatte und über Wildschweinfütterung. Es menschelt. Bürgerlich. Bieder. Spießig. Der Deutschlandfunk schafft es auf diese Art, die kritischen Gedanken des Theodor W. Adorno über die Themen Macht, Herrschaft und Ideologie dem (vielleicht uninformierten) Leser komplett vorzuenthalten. Diese extrem oberflächliche und unpolitische Aufarbeitung des großen Denkers Adorno ist nicht nur eine intellektuelle Beleidigung, sondern auch eine schamlose Entstellung gegenüber seinem Lebenswerk: »Was einmal Geist hieß, wird von Illustration abgelöst.« (Theodor W. Adorno. »Minima Moralia«. Suhrkamp Verlag. 8. Auflage 2012. S.160)


»Gerechtigkeit ist subjektiv!«
Kritik ist positives Denken

Unbequeme Fragen

  1. Wieso werden in vielen Bildungseinrichtungen (Schule, Universität, Ausbildung etc.) offene Fragen gestellt, wenn doch so häufig nur eine Antwort erwünscht und erlaubt ist?
  2. Wo werden die Medikamente aus der örtlichen Apotheke hergestellt? Und warum erfährt der Verbraucher absolut gar nichts über die Herstellungsbedingungen?
  3. Warum wird Faulheit allgemein verachtet, obwohl sie doch durch allerlei Produkte im privaten Konsum gezielt gefördert wird?
  4. Was machen eigentlich die mehr als 25.000 PR-Berater der CIA?

Unerwünschte Fragen
Zehn wichtige Fragen
Die wichtigsten Fragen unserer Zeit

Sowohl als Auch

sowohl_titel

In der siebten Episode von »the Orville« wird in satirischer Form aufgezeigt, wohin eine Gesellschaft führen kann, die alles und jeden bewerten muss und welche Folgen die binäre Wahrnehmung hat. Dann gibt es kein grau, keine Differenzierung und vor allem auch keine Nicht-Wahl/Enthaltung mehr. Man darf, soll und muss sich zwischen gut und schlecht, zwischen down- und upvotes entscheiden. Ist man für oder gegen Flüchtlinge? Opfer oder Täter? Für Russland oder die NATO? Die Spannung aushalten, sich nicht entscheiden wollen sollen müssen oder auch ‑bei manchen Themen- beide Ansichten verstehen und nachvollziehen können, ohne sich auf eine Seite schlagen zu wollen, scheint immer weniger möglich zu sein. Oder um es mit George W. Bush zu sagen: »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!«

Monokausale Vereinfachungen und Polarisierungen haben offenbar nicht nur den Vorteil, weniger selbst denken zu müssen, sondern auch schneller (be- und ab)werten zu können. Es ist selten eine Erklärung von »entweder oder«, als viel öfter eine Frage von »sowohl als auch«. Ambiguitätstoleranz scheint im digitalen Zeitalter kaum noch möglich zu sein.

Das Warum abtrainieren

warum_titelGehe ich in die örtliche Bibliothek zu den Bereichen Soziologie, Psychologie, Philosophie und/oder Politikwissenschaft, so gibt es dort heute primär Lebensratgeber-Bücher, Biografien, Pop-Kultur, emotionale Stellungnahmen, polemische Streitschriften und Trend-Literatur. Schriftliche Werke, die dabei helfen könnten, das große Ganze zu verstehen, Sachverhalte präzise, wissenschaftlich und analytisch zu hinterfragen sowie Strukturen, Verstrickungen und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, sind in öffentlichen Bibliotheken immer seltener, werden in der Schule erst gar nicht und in der Universität ‑wenn überhaupt- nur als »Bulimie-Wissen« gelehrt.

»Bislang hat es noch keine Bevölkerung gegeben, die für ihre Reise in die eigene Unfreiheit auch noch bezahlt hat.«

Harald Welzer. »Die höchste Stufe der Zensur: Das Leben in der Ich-Blase«. Blätter. Ausgabe Juli 2016. S. 62

Die innere Selbstzensur und das absolute Desinteresse an allem, was größer und komplexer ist, als das eigene Lebensumfeld, benötigt keinen Fürsten oder Diktator. Wenn die Massen ihre Lohnknechtschaft für Freiheit halten, den Kapitalismus als Naturzustand deklarieren und Datenschutz als belanglose Kleingeisterei zur Seite wischen, hat das Warum auch keinerlei Bedeutung mehr. Dann sind universelle, moralische Prinzipien, wie Menschenrechte und Nächstenliebe, nur noch subjektive, und damit unrelevante Einzelmeinungen.