Presseblick (69)

t-online.de vom 17.01.2018

t‑online.de vom 17.01.2018

»Giuliana Farfalla erstes Transgender-Model auf deutschem Cover« — das GMX-Magazin nennt es eine kleine »Revolution«. Vergessen sind die Jubelschreie und die etlichen Hurra-Artikel als Obama der erste afroamerikanische US-Präsident wurde. Oder als Angela Merkel als erste deutsche Frau Bundeskanzlerin wurde. Auch hier blieben die »Revolutionen« komplett aus. Ob ein Pinguin, ein Queer oder eine Brezel Präsident oder Bundeskanzler wird bzw. im Playboy abgelichtet wird, interessiert die wirklich Mächtigen und Vermögenden einen feuchten Eimer. Hauptsache der Pöbel hat eben echte Konfliktthemen, woran er sich abarbeiten kann. So sind die Eigentums‑, Macht- und Vermögensverhältnisse schön aus dem Fokus der Öffentlichkeit (Homo-Ehe statt Autobahn-Privatisierung). :jaja:

Bildung
Hans-Jürgen Bandelt schreibt treffend auf rubikon.news über das Thema Inklusion:

»Inklusion zusammen mit Gender & Diversity wirken als Ideologie, die die Realität mit ihren teils entwürdigenden Bedingungen vernebelt und sich auf Nebenschauplätzen abarbeitet. [...] Öffentliche Bildungsmaßnahmen werden nur nach ihrem utopischen Prosagehalt beurteilt, und Kritik an der Praxis wird durch Tabus ausgehebelt. «

Für mich ein zentraler Satz, der verdeutlicht, dass Inklusion ständig als Etikette und Label für Sontagsreden und Polit-Talk-Shows instrumentalisiert wird. Sobald es aber an die konkrete Finanzierung bzw. um angemessene Rahmenbedingungen geht, ducken sich die verantwortlichen Akteure regelmäßig weg. Es ist eben auch eine Ablenkungs- und Alibidebatte, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen, der Eigentums- und Machtfrage sowie von Massenarmut ablenkt.

Games
Markus Schwerdtel hat eine wunderbare Satire zum Thema Lootboxen und Mikrotransaktionen auf gamestar.de veröffentlicht. Fortan solle man gleich bei der Installation Kohle abdrücken, für Patches Bares auf den Tisch legen oder die Spielzeit an Echtgeld-Käufe knüpfen. Ein Kommentar unter dem Artikel bringt es auf den Punkt: »Noch lachen wir drüber!«

»Kostenloses Update«. So etwas nannte man früher Patch oder Bugfixing. Die Sprache zeigt, wohin die Reise gehen wird. (gamestar.de vom 16.01.2018)

Krieg
Die Bundeswehr macht weiter gezielt Werbung, um Minderjährige zu rekrutieren: »Während 2011 noch 689 Minderjährige an der Waffe ausgebildet wurden, hat sich diese Zahl in den letzten sechs Jahren mehr als verdreifacht. So rekrutierte die Bundeswehr 2017 insgesamt 2128 unter 18-Jährige.«

Arbeitsmarkt 
Heute ist alles »Management« und ein »Produkt«. Das Bewerbungs- und Jobcoachportal softgarden.de schreibt einige interessante Zeilen zum Thema Personalführung. Dabei wird deutlich, worum es in Wahrheit geht:

»Unter Personal- oder Mitarbeiterführung versteht man allgemein die zielorientierte Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte in die Aufgaben des Unternehmens. [...]  Ziel ist es, das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass diese eine bestmögliche Arbeitsleistung erbringen, die gestellten Aufgaben optimal bewältigen  sowie auftretende Problemsituationen lösen können.«

Es geht also ganz und gar nicht um die Selbstverwirklichung von Lohnarbeitern, sondern um die bestmögliche und profitabelste Verwertung der (Arbeitskraft-)Ware Mensch. Lohnarbeitsfetischisten und Solche, die wirklich glauben, ihr Chef würde sie brauchen, sollten sich öfter mal durchlesen, was sogenannte Job-Coacher, Management-Berater und Personalführungs-Firmen im Original-Laut so verargumentieren. :jaja:

Politik
Es soll bald einen »Antisemitismus-Beauftragten« geben. Auch Kritik an der israelischen Regierung, die nur getarnte Judenfeindlichkeit sei, soll damit verurteilt werden. Und wann bekommen wir einen Antiiranismus‑, Antirussismus- und einen Antiarabismus-Beauftragten? Ach nein, stimmt, gegen diese Länder und Bevölkerungsgruppen darf man hetzen.

Zynismus Pur: Sozialabbau betreiben, Altersarmut forcieren und Nützlichkeitsdenken etablieren und sich dann über Vereinsamung wundern. (zeit.de vom 19.01.2018)

Zynismus Pur: Sozialabbau betreiben, Altersarmut forcieren und Nützlichkeitsdenken etablieren. Und sich dann über Vereinsamung wundern? (zeit.de vom 19.01.2018)

Wirtschaft
BWL´er und Ökonomen lebten schon immer in ihrer realitätsfernen Blubberblase. Wirklich wichtige Themen für Finanzjongleure sind beispielsweise: »Fitch erhöht Kreditwürdigkeit: Portugal ist kein Ramsch mehr.«

Henrik Müller von Spiegel Online versucht sich in ökonomischer Prophetie für das Jahr 2018, bleibt komplett im Ungefähren und sagt eigentlich gar nichts. Dafür offenbart er, was Ökonomen von der Demokratie halten:

»Eine neue Ära des Turbo-Demokratismus hat begonnen. [...] In unfreien Systemen mag das befreiende Wirkung haben. In etablierten Demokratien jedoch droht eine Destabilisierung des politischen Systems.«

In China, Iran oder Nordkorea sind Demonstranten Kämpfer für die marktkonforme Demokratie und somit begrüßenswert. In Deutschland sind es allesamt Chaoten und Störfaktoren für die Wirtschaft. Hier sollen die Konsumenten und Lohnarbeiter gefälligst die prekären Arbeitsbedingungen und Dumping-Löhne kritiklos akzeptieren, ergo: Klappe halten! Eigentlich hätten Manager, Ökonomen und BWL´er viel lieber einen modernen Feudalismus, eine Plutokratie oder eine Oligarchie in Deutschland. Für manche Beobachter (mich eingeschlossen) haben wir das schon längst. :jaja:


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6 Gedanken zu “Presseblick (69)

  1. ...ist doch ganz einfach....solange hier nicht eine neue RAF entsteht und führende Köpfe fallen, tut sich gar nix...

  2. @rainer

    Na. Das wäre ein Segen für Politik, Polizei, Militär und Geheimdienste. Dann kann man nämlich so richtig durchgreifen mit Notstandsgesetzen, Überwachung, Kontrolle, Abbau von Bürgerrechten, Zensur usw. — alles im Namen des Anti-Terror-Kampfes. Kennen wir doch von den USA sehr gut.

  3. »Dann kann man nämlich so richtig durchgreifen mit Notstandsgesetzen, Überwachung, Kontrolle, Abbau von Bürgerrechten, Zensur usw.«

    Ähm... und worin besteht der Unterschied zu »Jetzt« ?

    Zynische Grüße

  4. Bei der Lohnsklaverei ging es noch nie um »Selbstverwirklichung« o.ä. Auch die heute teilweise ausgerollte »Fürsorge« dient ausschließlich dem Erhalt der Arbeitskraft und/oder der Ablenkung von schlechtem Betriebsklima oder miesen Löhnen.

    Bei uns gibt es u.A. Rückentraining im Büro, Fitnessraum, Sehtest, Grippeschutzimpfung, Kaffee, Duschen, Büros mit Kleinkindecke, Sozialberatung, Stipendien und was weiß ich noch alles.

    Und auch wenn fast alle (deutschen) Ökonomen neoliberale Ideologen sind und die meisten BWLer seelenlose Schlipsborg, verwahre ich mich trotzdem gegen diese Pauschalisierung. War natürlich eine Schnapsidee, so einen Sch**** zu studieren, aber leider habe ich ziemlich lange gebraucht, bis ich ernsthaft in der Lage war, die gängigen Narrative dieser Gesellschaft zu hinterfragen.

  5. Weil die RAF damit nachweislich ja auch so unheimlich erfolgreich war...!

    Unser Gewaltphantast namens rainer träumt also mal wieder von Enthauptungen. Ich hatte dir ja schon mehrfach empfohlen, dann halt auch mal selber aktiv zu werden! Ich finds irgendwie lächerlich, dass du offenbar drauf wartest, dass dir jemand die Arbeit abnimmt. Das sind mir ja die Allerliebsten! :lol:

    Ähm… und worin besteht der Unterschied zu „Jetzt“ ?

    Das wirst du dann sehen! Oder glaubst du ernsthaft, dass das Ende der Fahnenstange schon erreicht sei...!? Immerhin darfst du z. B. ja noch in Blogs wie diesem hier frei kommentieren.

  6. »Immerhin darfst du z. B. ja noch in Blogs wie diesem hier frei kommentieren.«

    Ja, noch.
    Wird ja jetzt schon alles getrackt; bald kommt schon der Zensor beim Upload; und dank NetzDG wird auch schon fleissig gelöscht.

    Natürlich ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht, aber das schaffen die Herrschaften auch ohne eine RAF, irgendein Grund findet sich immer — Terror, Sicherheit, für die Wirtschaft, etc.

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