Inklusion predigen. Neoliberalismus leben.

Auf jeder Arbeitsstelle müsste ein Schild hängen: »Beim Betreten endet die Demokratie! Willkommen im Neofeudalismus!«

Die Welt der Pädagogik ist nicht selten eine realitätsverweigernde Glasglocke, in der mit schillernden Fachbegriffen ein humanistisches Weltbild proklamiert wird, das vor allem in der real existierenden Lohnarbeitswelt (aber auch sehr häufig im zivilgesellschaftlichen Leben) schlicht nicht existiert. Da wird von...

  • Partizipation
  • Selbstwirksamkeit
  • Wertschätzung
  • Ganzheitliches Lernen
  • Inklusion

...und vielem mehr gesprochen. In der Regel interessiert das weder Politiker, Manager, Banker oder Unternehmensbosse. Für sie zählt nur der persönliche Vorteil und der Profit. Die pädagogische Arbeit ist daher in großen Teilen nicht nur ein Kampf gegen Windmühlen, sondern auch eine ermüdende Sisyphos-Arbeit. Kinder lernen vor allem: »Wasser predigen. Und Wein saufen!«


»Die zehn Gebote des Neoliberalismus«
»Berliner Bildungsprogramm: eine Kritik«
»Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn«

6 Gedanken zu “Inklusion predigen. Neoliberalismus leben.

  1. Die Leute wollen das so. Das, was sie beauern ist nur, dass sie selber nicht der Boss sind. Alles andere handhaben sie genau so. Jeder, der da anders ist, wird ausgegrenzt.

  2. Ich erinnere mich noch sehr gut, als die konformistische bürgerliche Gesellschaft sich gerne über die grünen Klamotten eines »Mao the Dunk« aufgeregt hat. Über den Uniformismus der Maoisten.

    Unsere bürgerliche Gesellschaft hat das Abweichen von einer offiziellen Kleiderordnung dann dafür genommen, das sie selbst eine liberale sei und eine ebensolche in ihrer geistigen Verfasstheit.

    Dabei fasst sie jede Abweichung, jedes Abweichen von ihren bürgerlichen unausgesprochenen gesellschaftlichen Normen als persönliche Kriegserklärungen auf, verschleisst sich in permanenten Kleinkriegen darüber, was Gesellschaft zu sein hat, was in ihr erwünscht ist.

    Einen gewissen Fortschritt in der Padagogik sehe ich dann doch:
    Zu meiner Volksschulzeit gab es vor Beginn des Unterrichts erst einmal ein paar Schläge vom Lehrer auf die ausgestreckten Fingerspitzen der Schüler, so als Warnung, sich respektlos oder störend zu verhalten.

    Und als Kind von Eltern, die in der Nazizeit aufgewachsen sind, hatte ich ebenso tägliche und schmerzliche Erfahrungen ihres Erziehungsideals zu ertragen.

    Wenn man Theodor Lessing liest, so hat es dieses humanistische Bildungsideal nie gegeben, so war die Pädagogik eine Veranstaltung zur Abtötung individueller Entwicklung und Entfaltung und zu seiner Zeit ausgeführt von konformistischen Lehrer-Beamten.

    All gegen die vorgebrachten Einwände, nicht um sie zu widerlegen, haben ich dann doch wohl sehr viel Glück gehabt, mit meinen Lehrern und Dozenten.

  3. Inklusion ist Illusion...zumindest deutschlandweit. Schau Dir Wetter (kurz vor dem Ruhrgebiet) und in Sachsen Dresden, irgendwo, wo die junge Heide beginnt, an. Da werden alle, die nicht gut aussehen, hingekarrt und möglichst lang vor der Allgemeinheit im Ghetto beschützt. Alles schön abgelegene Orte, wo keiner rein oder auch keiner raus kommt. Zumindest ist die vor G‑star und Gucci geifernde Bevölkerung nicht gezwungen, die Leute auch als Teil der Gesellschaft zu begreifen. Anno 2018.

  4. »Die Welt der Pädagogik ist nicht selten eine realitätsverweigernde Glasglocke, in der mit schillernden Fachbegriffen ein humanistisches Weltbild proklamiert wird, das vor allem in der real existierenden Lohnarbeitswelt (aber auch sehr häufig im zivilgesellschaftlichen Leben) schlicht nicht existiert.«
    Was soll diese Verunglimpfung einer Wissenschaft? Nur weil im bekloppten, real existierenden Neoliberalismus dafür kein Platz ist, muss es noch lange (oder eben gerade?) nicht falsch sein, was diese Wissenschaft erforscht (hat).

  5. @Mordred

    Es wäre schön, wenn in der Pädagogik die real vorhandenen sozioökonomischen Strukturen und (Macht-)Verhältnisse nicht regelmäßig geleugnet und ausgeblendet werden würden. Sei es in den Erzieherschulen, in den sozialen Einrichtungen oder in Gesprächen mit Pädagogen. Das würde die Wirkungsmacht der Pädagogik weitaus stärker machen, als sie es bisher ist.

  6. Die Pädagogik beackert ein noch brach liegendes Feld der Selbstoptimierung. Prometheisch kann hier am Kind der Optimierungsprozess eingeleitet werden und zukunftsschwangere Weichen gestellt werden. Wie in den meisten Fällen der Selbstoptimierung gilt auch hier: für sozioökonomische Phänomene werden psychische Lösungsstrategien (oder für gesellschaftliche Phänomene werden indiviudelle Lösungsstrategien) eingesetzt. Die Sozioökonomie (oder Gesellschaft) gibt es ja in der offiziellen Diktion nicht. Und die Eltern befinden sich in der Regel auch in einem Repetitorium: am Kind sollen die eigenen Fehler in der Selbstoptimierung tunlichst vermieden werden. Die pädagogische Handlung wirft jeweils ihren mentalen Schatten in die Zukunft des Kindes als Wettbewerbsteilnehmer. Soll man hier mal nein! sagen? Hmm, ob das seine Wettbewerbsfähigkeit dann fördert oder nicht? Oder straff wird das Ausbildungscurriculum durch das Leben des Kindes gespannt, die Eltern drehen am Spannrad bei der jährlichen Curricular-Revision, sodass es direkt in einen hochdotierten Job führt. Dem Ideal nach zumindest. Wo die Zukunft wenig Ausdehnung hat, wo kaum Aufstiegsmuster latent eingespeichert sind, wo der Sinnkomplex aus Versuchen und Fragmenten sich gebildet hat, wo Mühen, Abweisungen und Verletzungen die Zukunft möglichst kurz halten lassen, aber das sorglose Leben (der Edeka ums Eck hat geschlossen, nun muss ich zwei Häuser weiter, wo es nicht dieselben Bio-Karotten gibt) in der Zukunft ständig durch unsichtbare Barrieren fern gehalten wird, muss das Leben spontaner und lockerer geführt werden. Und in der Regel auch ärmer. Und die Pädagogik verflechtet blind Kompetenzen, Fähigkeiten, Abschlüsse, Lebensläufe mit Zukünften der Wohlfahrt. Der Erzählung nach, sollen sie eintreffen können.

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