Wie macht man einen Beitrag über den 50. Todestag eines beißenden Gesellschaftskritikers, der die Mechanismen, Methoden und Herrschaftsprinzipien vom Faschismus und Marktradikalismus in zahlreichen Büchern, Schriften und Aufsätzen präzise aufgezeigt hat, ohne groß über seine Erkenntnisse zu schreiben? Man macht einen Podcast über seine Heimat: »Theodor W. Adorno kritisierte seine Umwelt als eine von Riesenkonzernen gesteuerte Massenkultur. Ein richtiges Leben im falschen sei unter diesen Bedingungen unmöglich. Im bayerischen Amorbach fand der Philosoph trotzdem so etwas wie Heimat.«
Man schwadroniert über sein Haus, sein Lieblingsrestaurant, seine Familie, seine Stammkneipe und ‑Apotheke und über seine Nachbarn. Man erzählt wie er einmal einen Beschwerdebrief wegen einer Umgehungsstraße an die Stadtverwaltung verfasst hatte und über Wildschweinfütterung. Es menschelt. Bürgerlich. Bieder. Spießig. Der Deutschlandfunk schafft es auf diese Art, die kritischen Gedanken des Theodor W. Adorno über die Themen Macht, Herrschaft und Ideologie dem (vielleicht uninformierten) Leser komplett vorzuenthalten. Diese extrem oberflächliche und unpolitische Aufarbeitung des großen Denkers Adorno ist nicht nur eine intellektuelle Beleidigung, sondern auch eine schamlose Entstellung gegenüber seinem Lebenswerk: »Was einmal Geist hieß, wird von Illustration abgelöst.« (Theodor W. Adorno. »Minima Moralia«. Suhrkamp Verlag. 8. Auflage 2012. S.160)







Aufmerksamkeit ist im digitalen Zeitalter eine harte Währung. Wer nicht gesehen, gehört oder gelesen wird, der findet nicht statt. Der ist nicht nur für die Werbeindustrie und die Massenmedien uninteressant, sondern auch für Politik und Wirtschaft. Deshalb sind SEO-Methoden sowie viele andere Aufmerksamkeits-Techniken, wie Click-Bait-Überschriften, reißerische Bilder, extreme Meinungen oder provozierende Thesen, so populär und weit verbreitet. Wer argumentiert, sachlich, differenziert und ausgeglichen schreibt und berichtet, wird vielleicht in einem kleinen elitären Akademiker- oder Intellektuellen-Kreis gehört und gelesen, findet aber eher selten in den großen TV- und/oder Internet-Medien-Kanälen, wie RTL, Twitter oder Facebook statt. Deshalb wird fast überall provoziert, skandalisiert, boulevardisiert und polarisiert. Digital ist emotional.