Die SEO-Filter-Bubble (2)

Die devote Google-Hörigkeit (SEO) sämtlicher Online-Medienportale geht mir weiterhin gehörig auf den Sack! Warum? Weil überall Nicht-Nachrichten, Gerüchte, Spekulationen, Filterblasen und Echokammern erzeugt werden, nur damit man beim Suchmaschinenranking weit vorne steht. Es wird nicht mehr geschrieben, was Redakteure für relevant halten oder was den Leser interessieren könnte, sondern das, was der Google-Algorithmus vorgibt und belohnt. Es gibt mittlerweile unendlich viele Artikel und Beiträge im Internet, die absolut keine handfesten Infos, News oder Daten mehr beinhalten, sondern nur Keyword-und-Textbaustein-Dropping im Spekulations-Mantel betreiben. Natürlich im vemeintlich attraktiven Schablonen-Rahmen für Google. Und damit es nicht sofort auffällt, dass man absolut keine neuen Informationen oder News hat, bedient man sich gerne solcher Formulierungen:

»Wissen wir nicht...«
»Könnte womöglich, dürfte aber...«
»Ist nicht auszuschließen...«
»So sollte es...«
»Ist uns leider nicht bekannt...«
»Details wurden noch nicht verraten...«
»Bleibt abzuwarten...«

»Natürlich stellt sich die Frage...« (die wir euch leider nicht beantworten können, aber danke für den Klick!)

Jedes Strategie- und Taktik-Game wird mit »Xcom« verglichen, jedes Rollenspiel mit »Baldurs Gate«, jeder Sci-Fi-Film mit »Star Wars«, jede Serie mit »Game of Thrones« und jeder Horror-Film mit »Alien«. Einfach deshalb, weil man damit Beiträge mit google-relevanten Keywords verknüpfen kann. So erzeugt man effektiv Echokammern und einen kommerziell-verengten Blick. Dann werden Artikel veröffentlicht, die nur aus Blabla-Gerüchten und Blubber-Spekulationen bestehen (»Avengers 5«), keinerlei inhaltlichen Mehrwert bieten, aber schon mal als Google-Platzhalter dienen, damit man als Erster den Klick abgreifen kann, falls jemand »Avengers 5« in der großen Suchmaschine eingeben sollte. Oder hier: »Alternativen zu Diablo 4 — Die spannendsten kommenden Action-Rollenspiele.« Dabei gibt es überhaupt kein »Diablo 4«! Ja, es wurde noch nicht einmal angekündigt, dass es überhaupt entwickelt wird oder werden soll! Aber Hauptsache schon mal den Google-Klick-Platzhalter-Artikel raushauen. Toll! :sick:

So wird immer wieder der selbe Brei hochgekocht, Hypes und Shitstorms werden so inszeniert und konstruiert sowie die immer gleichen Themen bedient. Das was Google mag, bedienen die Online-Medienportale. Immer. Und immer. Und immer wieder. Rankings, Scores und Algorithmen bestimmen, was wir lesen dürfen und sollen. Komplett neue oder exotische Themen, Perspektiven, Analysen und Blickwinkel, finden so kaum noch statt. Die Jagd nach Klickzahlen (Clickbait) und Aufmerksamkeit scheinen stets wichtiger, als die Benutzerfreundlichkeit (Usability) von Webseiten zu sein. Da werden beispielsweise Fotostrecken und/oder Toplisten veröffentlicht, bei denen man sich durch 20 bis 100 Seiten durchklicken darf.

Prächtige Skalierung
Nicht-SEO-Redakteure haben heute in den Online-Medien kaum noch was zu melden. Sobald sie ein noch so interessantes oder spannendes Thema haben, das aber SEO-technisch schlecht bis sehr schlecht verwurstet werden kann, fällt es unter den Tisch. Es findet einfach nicht statt. Der SEO-Marketing-Soldat schmeißt dann mit seinen Google-Klick-und-Aufruf-Zahlen um sich, und der klassische Redakteur wird damit mundtot gemacht. Auch kreative oder kryptische Überschriften ‑jenseits von SEO-Clickbait-Headlines- die das Thema des Beitrages eben nicht sofort erkennen lassen, findet man immer weniger. Ebenso in der URl, den Zwischenüberschriften, der Bild-Auswahl, der geschriebenen Sprache und so weiter: bitte nicht zu individuell oder kreativ werden! Wir wollen gleichgeschaltete Google-Konformität! :jaja:

Selbst Print-Produkte verwenden mittlerweile SEO-Methoden.

Viele verwenden die große Suchmaschine zudem als erweiterte Problemlösungs-Kompetenz, die Antworten auf eigene Bedürfnisse und Interessen geben soll. Deshalb werden mitunter ganze Fragen in Google eingegeben:

»Wann kommt...«
»Wie macht man...«
»Wie viel kostet...«
»Wo finde ich...«

Um genau diesen Klick für diese Fragen-Textbausteine abgreifen zu können, benutzen SEO-Redakteure diese Formulierungen als Überschriften. Die Antwort versteckt sich dann meist im letzten Drittel oder irgendwo zwischen den Zeilen. Schließlich soll der User sich länger als 5 Sekunden auf der Seite aufhalten (Visit Duration, Viewing Time, Visibility Time) und darf deshalb auch gerne mal nach der Antwort länger in den Textbausteinen suchen. Oft gibt es gar keine Antwort, weil es die Hersteller, Produzenten oder die Verantwortlichen noch gar nicht öffentlich gemacht haben. Dann bedienen sich die findigen SEO-Redakteure solcher Formulierungen: »Können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau sagen.« Oder: »Ist uns noch nicht bekannt.« Mit Benutzerfreundlichkeit hat so ein Artikel nichts zu tun. Es geht eben nur um eine Google-Platzierung. Möglichst weit oben.

Nicht zu vergessen: SEO ist mittlerweile ein riesiges Geschäft geworden. Ganze Heerscharen an SEO-Manager, Content-Manager, Social-Media-Manager, E‑Commerce-Manager, Community-Manager sowie Online-Marketing-Sonstwas-Manager (und ‑Agenturen) werden gesucht oder bieten ihre ‑meist eher selten günstigen- Dienste an. Ganz so, als wäre Google-Suchmaschinenoptimierung ein großes Business und eine große Wissenschaft, die nur ausgebildete Gurus und Experten ausüben könnten. Sie schmeißen mit tollen Anglizismen um sich und versprechen eine größere Sichtbarkeit bei Dr. Google. Der Inhalt an sich interessiert dabei immer weniger, deshalb nennt man ihn auch »Content«. Eine Ware, ein Produkt, das verkauft und verwurstet werden soll.


Die SEO-Filterbubble

4 Gedanken zu “Die SEO-Filter-Bubble (2)

  1. Das ist ja hart. Da erhält die Aussage, dass die Sprache das Haus des Seins ist eine neue Bedeutung. Die Sprache ist das googlesche Gefängnis des Seins

  2. Wusste nicht, dass es teilweise schon SO schlimm ist (z. B. Vergleiche mit Spielen ziehen, die es gar nicht gibt). Allerdings, das erklärt auch die vielen Mülltreffer, wenn man Infos zu einer bestimmten Sache sucht...

  3. oh man, das waren noch Zeiten mit »Ufo- Enemy Unknown« aka , Xcom , Diablo 1 und Baldurs Gate ((mir ging nur die zeitabhängige Quest von dem Typen mit der Maus(Frettchen) auf der Schulter auf die Ketten)) lang lang ist es her :lol:

    wie genial:
    aktuell vom 17.07.19
    https://www.netzwelt.de/diablo‑4/index.html

    Inhalt : Null, wie oben beschrieben..Treffer, versenkt.

  4. @MoikMc

    Schau Dir Deinen Link bitte noch einmal an! Jetzt haben Sie das Datum angepasst (28.2.2020), denn jetzt haben sie mehr Infos zu »Diablo 4«. Die Kommentare unten sind aber teilweise 2 Jahre alt. Daran erkennt man, dass es vor allem um einen Google-Platzhalter-Artikel geht, der dann einfach still und leise aktualisiert wird. Nach dieser Methode werden User im WWW weltweit überall als Klickvieh missbraucht.

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