»Aber mein Chef braucht mich!«

chef_titelVorauseilender Gehorsam. Untertanenmentalität. Sklavenmoral. Millionen von Lohnarbeitern in Deutschland wollen gerne daran glauben, dass sie auf der Arbeitsstelle unersetzlich sind. Sie seien doch so zuverlässig, loyal, motiviert und würden so außergewöhnlich viel und einzigartiges leisten, was andere nie niemals könnten. Sie lechzen nach Lob, betteln nach Anerkennung. Doch während Unternehmen zwar vermeintlich soziale Methoden zur Motivationssteigerung anwenden, so sind sie nur selten an ihren Mitarbeitern ernsthaft interessiert. Das Menscheln ist in der Regel nur Mittel zum Zweck. Für die Motivationsverbesserung der Untertanen und somit für die Produktionsoptimierung des Betriebes.

Typische Sprüche:

»Ich arbeite echt viel und hart.«
»Er weiß schon, was er an mir hat.«
»Ohne mich würde alles zusammenbrechen.«
»Ich mein, er kann mich jederzeit anrufen, auch am Wochenende oder im Urlaub.«
»So zuverlässig, pünktlich, sorgfältig und motiviert ist echt kaum einer da.«
»Ich habe das alles mit aufgebaut. Er wäre ja schön blöd, mich jetzt raus zu werfen.«

Leidiges Lohnarbeitsleben
Wenn der Chef dem Mitarbeiter die Anerkennung versagt, und primär nur am nörgeln und motzen ist (was gar nicht so selten der Fall ist), dann sucht man sich die Bestätigung für seine harte Arbeit eben im Privatleben. Es gibt kaum einen Stammtisch oder eine Gesprächsrunde in der Kneipe, im Garten oder auf einer Familienfeier, auf der nicht mindestens einer oder eine über seine/ihre harte Arbeit und über die verinnerlichte Sklavenmoral schwadroniert, die er/sie als vorbildlich betrachtet. Schließlich wollen wir uns alle geliebt und gebraucht fühlen. Niemand möchte eine überflüssige Ballastexistenz sein. Im Zeitalter von Hedgefonds, Heuschrecken, prekären Beschäftigungsverhältnissen, Zocker-Banken, korrupten Politikern und Unternehmern, Finanzmafia, Niedriglohnsektor und Massenentlassungen, sich die menschliche Daseinsberechtigung vom Lohnarbeitgeber wertschätzen zu lassen, beweist, wie tief die Untertanenmentalität schon verinnerlicht wurde.

»Nur außerhalb der Arbeit hat der Arbeiter die Möglichkeit, persönliche Erfüllung und Selbstachtung zu finden –und damit auch die Wertschätzung durch andere.«

- David Harvey. »Für einen revolutionären Humanismus«. Blätter. Ausgabe September 2015. S. 83

Frostige Funktionsexistenz
Wir wissen zwar, dass jeder ersetzbar ist, im Angesicht von mehr als ungeschönt 7 Millionen Erwerbslosen erst recht (und nein, die sind nicht alle unqualifiziert und/oder ungebildetet!), aber wir wollen es nicht wahrhaben. Es wird verdrängt und geleugnet. Sich jahrzehntelang ausschließlich für Geld kaputt zu schuften, wird sozioökonomisch und gesellschaftlich zwar gefordert, ist aber für die persönliche Motivation langfristig frustrierend. Und wenn der Chef unsere Wichtigkeit nicht erkennen will, dann reden wir uns eben selbst ein, wie ungeheuer einzigartig unsere Arbeit vor Ort doch sei. Wir sind die Lohnarbeit. Den schleichenden Prozess der Selbstentfremdung, durch das unausweichliche Unterdrücken der ureigenen Empfindungen, Gedanken und Bedürfnisse (die zum funktionieren nicht benötigt werden oder gar stören), überlebt man nur, indem man sein Rest-Seelenheil im Konsum versenkt.

Zudem ist es ein großer Trost, zu wissen, dass es anderen genauso beschissen geht, wie einem selbst. Daher rührt wohl auch die große Verachtung gegenüber Erwerbslosen. Denn diese seien nicht täglich gezwungen, ihr authentisches Selbst zu verleugnen. Ob das Selbst nicht ohnehin schon längst verschüttet ist und ob die Erwerbslosen, durch das menschenverachtende Hartz-System, nicht ohnehin schon intensiv schikaniert und geknechtet werden, steht auf einem anderen Blatt. Ja, die Lohnarbeit ist wichtig, um Einnahmen zu haben und um finanziell über die Runden zu kommen. Mobbing, Burnout, Depressionen, Armutslöhne und Massenentlassungen scheinen dennoch wenig daran geändert zu haben, dass viele Menschen in Deutschland leben, um zu arbeiten, statt zu arbeiten, um zu leben.

»Warum der Arbeit nachlaufen? Da steht man vor dem, der die Arbeit zu vergeben hat, und wird behandelt wie ein zudringlicher Bettler. [...] Wenn ich so untertänig um Arbeit betteln muss, um sie zu erhalten, kann ich auch um übriggebliebenes Mittagessen in einem Gasthof betteln.«

- B. Traven. »Das Totenschiff«. Rowohlt Verlag. Hamburg 1954. S. 68

16 Gedanken zu “»Aber mein Chef braucht mich!«

  1. Da kann man bei den Erfahrungen von vielen über 50-Jährigen im Osten nachfragen, die können einem die weise Erkenntnis ans Herz legen: »Du und unentbehrlich? Das mussten wir alle auf die harte Tour lernen. Unentbehrlich und dass deine Arbeit geschätzt wurde, das war vielleicht noch der Fall als draußen am Schild VEB dran stand und der Betrieb zum Teil auch dein Eigentum war. Heute wirst du ausgetauscht, wenn du jemandem nicht mehr in den Kram passt, und es kümmert sich niemand um dich. Deine kaputten Knochen kannst du auch selbst behalten.«
    Glaube, aktuell für sich sprechend ist auch der Fall der P+S Werften.

    Um es auch noch mit einem Zitat von jemandem zu »belegen«, der von der anderen Seite der Mauer stammte, mit Ost und West nichts am Hut hatte und der sogar auch noch vor dem Erwerbsleben verstanden hatte, wie die Sache läuft: »Man hat mir gesagt ich muss zur Schule gehen, um für mein leben zu lernen, um später ein schönes Leben führen zu können. Aber was bringt einem das dickste Auto, das grösste Haus, die schönste Frau, wenn es letztendlich sowieso für’n Arsch ist. Wenn deine Frau beginnt
    dich zu hassen, wenn dein Auto Benzin verbraucht das du nicht zahlen kannst, und wenn du niemanden hast der dich in deinem scheiss Haus besuchen kommt! [...] Wozu das alles? Wozu soll ich arbeiten? Damit ich mich kaputtmaloche um mit 65 in den Ruhestand zugehen und 5 Jahre später abzukratzen?Warum soll ich mich noch anstrengen irgendetwas zu erreichen, wenn es letztendlich sowieso für’n Arsch ist weil ich früher oder später krepiere? Ich kann ein Haus bauen, Kinder bekommen und was weiss ich nicht alles. Aber wozu? Das Haus wird irgendwann abgerissen, und die Kinder sterben auch mal. Was hat denn das Leben bitte für einen Sinn? Keinen!« (© ResistantX)

    Über das, was (wohl) er unter »Sinn« verstand, kann man getrost streiten.

  2. Ob die Verachtung Erwerbsloser wirklich so weit verbreitet ist , bin ich mir nicht so sicher , diejenigen aber , die sie haben , sind hier richtig diagnostiziert , man sollte es kaum glauben , aber da scheint Neid eine erhebliche Rolle zu spielen .

    Viele glauben immer noch , sowas wie die bevorzugten Kinder der Obrigkeit (heute die Arbeitgeber) zu sein , selber schuld , wer nicht dazugehört , weil er nicht genügend buckelt.
    Wenn das dann zusammenbricht , wie jetzt , ist das Lamentieren groß , »Kapitalismuskritik« , die sich daran stört , sich nicht ausbeuten lassen zu dürfen.
    Können sie so halten , für sich selber , tun sie aber nicht , die Arbeit-um-jeden-Preis — Fraktion beansprucht schamlos , die Gegebenheiten des Arbeitsmarkts bestimmen zu dürfen , warum eigentlich?
    Frei nach Hannah Arendt »Es gibt kein Recht auf Fleiß«.

    Sehr treffender Artikel.

  3. Hi, hi....dazu fällt mir, bei aller Zustimmung, noch der neue schräge, satirische »Doku-Film« ein »Er ist wieder da« (mittlerweile sogar auf DVD erhältlich) — wo es satirisch darum geht was passieren würde wenn eine Figur namens »Adolf Hitler« von der Nazi-Vergangenheit ins Berlin des 21. Jahrhunderts verschlagen wird.

    Als der »Hitler«-Darsteller einen jungen Mann frägt ober er mit ihm die »nationale Revolution« machen würde meinte der: »Morgen schon, aber heute muss ich arbeiten!« *grins*

    Egal ob »nationale« oder sonstige Revolution, »man muss erst arbeiten«, und dann kann man revoltieren.

    Schönes Deutschland heutzutage *doppelgrins*

    ...übrigens der junge Mann war noch keine 20 Jahre alt, aber....in Gedanken schon über 90 Jahre.....*dreifachgrins*

    Übrigens seither weis ich auch, dass wir die AfD und die NPD (der Parteivorsitzende tat mir richtig leid mit seinem verweinten Gesicht als »Hitler« ihm die Leviten las) nicht mehr fürchten müssen, denn die hat der Satiriker im Hitler-Kostüm auch als unfähige, verschwörungstheoretische Nulpen entlarvt.....ebenso wie die SPD und die CDU/CSU, einzig die Grünen fand er toll, aber das ist wohl Geschmackssache....

    Das »Aber mein Chef braucht mich!« ist nicht aus dem Film »Er ist wieder da!«? Kommt mir nämlich verdächtig bekannt vor der Satz.....

    Gruß
    Bernie

  4. Schöner Text!

    Irgendwie muss man sich halt jeden Tag auf’s Neue einreden, dass das ewige Rennen im Hamsterrad für irgendwas gut ist. Heute rennt eine Generation sehenden Auges in die Altersarmut — und interessiert sich dafür: einen feuchten Scheißdreck...!

    Der wesentliche Nutzen für die »Helden der Arbeit« ist ja auch nicht unbedingt der Broterwerb; sondern der damit einhergehende Sozialstatus. Damit kann man sich die Sache ja erst so richtig schönreden. Und die damit einhergehende Abgrenzung nach »unten« erst — mit Gold nicht aufzuwiegen...! »Hauptsache Arbeit«. Wenn selbst Menschen, die bedeutungsloseste und stupideste Arbeiten verrichten eine Möglichkeit gegeben wird, von sich zu behaupten, man »ginge für sein Geld wenigstens selbst arbeiten«. Man würde es sich »ver-dienen«! »Arbeit« zu haben gilt als Privileg, als Ausdruck von Leistung, Fleiß — und der »Stärke«, den vermeintlichen, verführbaren Lastern wie »Faulheit« und Müßiggang nicht zu erlegen. Gar auch durchaus stolz darauf sein, dem Chef in den Arsch zu kriechen, den »wichtigen« Leuten möglichst immer nach dem Munde zu reden — um voran zu kommen. Auch dies ist in diesem System eben eine nicht zu unterschätzende »Leistung«...! Die jede Individualität verleugnende Anpassung...

    Die Illusion, selbst als ausgebeuteter Niedriglöhner Schmied seines eigenen »Glückes« zu sein; irgendwas von Bedeutung für diese Gesellschaft zu tun, muss gepflegt werden... Im tiefsten Innern weiß man ja, dass man sich da beim alltäglichen Ausschalten des Weckers aufs Neue belügt... Jede Selbstentfremdung tut weh; wie gut, dass es da Menschen gibt, auf die man diesen Selbsthass projizieren kann...

    @Art Vanderley: Natürlich ist diese Verachtung weit verbreitet; sie ist gar wesentliche Triebfeder des Lohnarbeitssystems — als auch unserer »Gesellschaft«. Wer bitte sonst wählt regelm. zu zig Mio Parteien, denen der Druck auf die Arbeitslosen niemals genug sein wird...!? Obwohl man sich damit im Grunde selbst schadet — da man seine eigene Verhandlungsposition schwächt...!

    @Bernie — ich deute ja »Er ist wieder da« so, dass damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass »er« (also der Faschismus) nie weg war...! Er in der Mitte wie eh und je vor sich hinbrodelt. Siehe Adorno und seine Angst vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten!

  5. @Bernie

    »Das »Aber mein Chef braucht mich!« ist nicht aus dem Film »Er ist wieder da!«? Kommt mir nämlich verdächtig bekannt vor der Satz.....«

    Keine Ahnung, ob so etwas in dem Film vorkommt. Habe ihn zwar auch einmal gesehen (und fand ihn gar nicht so schlecht, besonders die herbe Medienkritik war gut), aber den Lohnarbeitsfetisch findet man doch überall: in der Familie, bei Freunden, Bekannten und so weiter. Man schleppt sich ja auch krank zur Lohnarbeit, weil ja sonst dort alles zusammenbrechen würde. Man sei eben zu wichtig für das Unternehmen. Zumindest will man das unbedingt gerne glauben. :p

  6. Es gab hier schon einige geniale Texte, doch das hier ist der König. Hut ab. Wer so schreibt, steckt selbst in der Mühle. Das hat gesessen. Ich mache Montag mal blau. Und Dienstag auch.

  7. Perfide sind in meinen Augen da auch die nicht mehr wegzudenkenden »Gruppenarbeiten« (die sich nach meinem Geschmack in Schule und Studium immer weiter ausbreiten — fast Nichts habe ich damals mehr gehasst...) — ohne (oberflächliche) »Teamfähigkeit« geht heute ja nichts mehr... Wenn man Menschen (die sonst in Konkurrenz stehen...) für »Projekte« in kleine »Teams« einteilt. Dann führt dies zu einem immensen Druck auf die Einzelnen, auch ja immer dabei zu sein. Soziale Kontrolle. In meinem Studium war es auch ganz extrem; da schleppten sich nur noch auf dem Zahnfleisch kriechende Leichen noch in die FH — nur um nicht als jemand zu gelten, der seine Leute »hängen lässt« — und gar ohne was beizutragen von der »Leistung« anderer profitiert.

  8. Eine Perspektive, die vielleicht zu der Sache noch beitragend ist: Leider ist es ein Problem, dass Leute, wenn sie jung und abenteuerlustig sind, sie sind so naiv, lassen sich schnell ein teures Auto, ein Haus, eine Inneneinrichtung und eine Familie »aufschwatzen«, als Dinge, die Glück bringend sind und unbedingt dazugehören, und dann, wenn sie älter werden, in der Lage sind, klarere Bilder zu sehen, sind sie in diesem Hamsterrad aus Rechnungen gefangen und sind regelrecht dazu gezwungen, weiterzuschuften, weil sie im ersten Moment keinen anderen Ort zum Wohnen für sich und ihre Familie haben und auch kein anderes Auto vor der Tür zu stehen haben.
    Brechen sie die Arbeit ab, fällt der Verdienst aus und die Rechnungen fressen einen auf, was am Ende in die Schuldenfalle führt und einen zu gar nichts mehr kommen lässt. Unter Umständen bringt es einen sogar um die Familie, die sonst da ist.
    Quasi ist man dazu gezwungen, nicht aus dem Hamsterrad zu fallen, weil dies Konsequenzen für das eigene Leben haben könnte, die nicht vorraus zu sehen sind.
    Was macht der einigermaßen kluge Mensch also? Weiter, so lang wie es geht.
    Und wenn man noch jung ist, dann hat man noch für eine gewisse Zeit Reserven, weil man sich von diesem Unsinn noch schneller körperlich erholt.
    Wenn die 40 passiert ist, dann stellt es sich häufig auf die Probe, wie viel diese Leute noch vertragen... und die Probe fällt in vielen Fällen negativ aus. Weil einen in dem Alter die Sünden der Jugend langsam erreichen. Entgültig Schluss ist dann bei 50, weil dann der Körper entgültig signalisiert, du bist keine 20 mehr und er stellt sich auf den restlichen Abschnitt des Lebens ein.
    Wer’s bis dahin nicht geschafft hat, seine Rechnungen zu begleichen, der ist hoffnungslos verloren. — Oder man hat da Glück, dass einen das Erwerbsleben bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgespuckt hat, und man sich eine höhere Position aufgebaut hat, die einen fachlich nicht so leicht entbehrlich macht.

    Lange Rede, kurzer Sinn: Kann man Mitleid mit haben oder nicht.
    Die Leute sind teilweise sehr früh in dem Hamsterrad gefangen, weil Rechnungen sie drängen und es nicht mehr allein nur um ihr Leben geht — weil man ihnen das glorifizierend in jungen Jahren schmackhaft gemacht und aufgeschwatzt hat wie ein schlechtes Investmentprojekt und sie, naiv und gutgläubig, teilweise auch (emotional) dumm, wie sie sind, sie den Vertrag eingegangen sind.

    Kann man als Ansatzpunkt zur Korrektur nehmen.

  9. @ Dennis82
    So sieht heutzutage schon die Oberstufe aus. Wer ernsthaft seine Mitschüler nicht mag, mit ihnen nicht zurecht kommt oder eher allein als Autodidakt lernt, der ist, auf gut Deutsch, »richtig in den Arsch gekniffen«. Werden alles nur diese sozialen Typen Menschen gefördert und alles andere fällt unter den Tisch... Und da beschwere sich einer, dass die Millennials und die IGeneration (und die noch jüngeren) nichts außer kommunizieren können.

  10. Es gibt einige Privilegierte, für die Arbeit und Vergnügen (damit meine ich z. B. Freizeitinteressen) keinen Widerspruch darstellen (Ärzte, Architekten, Schauspieler, Fernsehleute, Politiker). Wer sich ein wenig mit der Philosophier der früheren Initiative dere »Glücklichen Arbeitslosen« beschäftigt, erkennt, dass die protestantische Arbeitsethik integraler Bestandteil der Sozialisation im Kapitalismus ist.

    Das Modewort »Corporate Identity« wurde nur erfunden, um Menschen besser ausbeuten zu können. Wer sich für unentbehrlich und nützlich hält und meint, der Stöpsel in der großen Wanne zu sein, den man nicht herausziehen darf, der soll sich einmal fragen, was geschieht, wenn er plötzlich stirbt. Bricht dann das Betriebssystem zusammen oder läuft es fast wie geschmiert weiter.

  11. Wieder einmal voll auf den Punkt gebracht!

    Von wegen unentbehrlich:
    Der Lohn/das Gehalt kann aus unternehmerischer Sicht gar nicht gering genug sein. Mindert er doch seinen Gewinn entsprechend — hemmt somit das Wachstum.

    Der Nachschub an Menschen, die sich effektiv für weniger Lohn ausbeuten lassen (müssen) lässt jedoch nicht lange auf sich warten.

    Wenn sich die Karriereleiter dann doch als Hamsterrad entpuppt.....

  12. @Dennis82

    Die Wahl der etablierten Parteien hat nichts zu tun mit dem Druck auf Arbeitslose , dieselben Wähler haben die auch gewählt , als eine andere Politik gemacht wurde. Wahlverhalten ändert sich nicht so schnell , besser gesagt , es ist extrem behäbig , selbst im wechselfreudigen Griechenland mußte erst ein sehr hoher Druck entstehen , bis mal was Neues gewählt wurde.
    Es gibt eine Mentalität des Stammtischs , die sehr gut darin ist , Mehrheit vorzutäuschen und die derzeit die Politik vor sich hertreibt , vor allem durch Lautstärke. Ich halte es für einen schweren Fehler , deren Behauptungen einfach zu übernehmen , wer vielen Leuten einfach mal von links unterstellt , sie wären antisozial , der treibt sie überhaupt erst in die Arme der Faschisten , obwohl sie linken Positionen vielleicht näher stehen würden.

    »Der wesentliche Nutzen für die »Helden der Arbeit« ist ja auch nicht unbedingt der Broterwerb; sondern der damit einhergehende Sozialstatus.«

    Sehr guter Gedanke , Hauptsache , in der Herde , wenn auch als Fußabstreifer , umso größer der Hass auf Dissidenten , die da einfach mal aussteigen oder es wenigstens versuchen , scheitern kann natürlich immer sein.

  13. arbeit für den chef ist doch nix anderes wie »sinnlose Beschäftigung gegen Entgelt«, die einen vom Nachdenken, und wirklich Wichtigen abhält.

  14. Sehr hübsch zusammengefasst, danke. — Gegen das weit verbreitete Untertanentum und devote Sklavenbewusstsein im Kapitalismus — die in Deutschland ganz besonders stählern ausgeprägt sind — kommt man mit Texten, mit Logik und Vernunft aber leider nicht an.

    Wer sein gesamtes Leben einschließlich des Lebensstandards einzig über die verfluchte Lohnarbeit und die daraus resultierenden Brotkrumen vom Tisch der Superreichen definiert — und das ist nach meiner rein subjektiven Beobachtung (bis hinein in die bucklige Verwandtschaft) die überwältigende Mehrheit der Menschen -, kann aus dieser pervertierten Weltsicht nur dann ausbrechen, wenn eben dieses gesamte Leben samt aller scheinbaren Erfolge der Vergangenheit und angestrebten Zukunft radikal in Frage gestellt wird. Dazu ist indes kaum ein Mensch bereit bzw. in der Lage.

    Die Menschheit im Kapitalismus lebt längst im Panopticon, das freilich stetig weiter — im Sinne der Sklavenhaltung — optimiert, verschärft und »verfeinert« wird, anstatt es auch nur rudimentär in Frage zu stellen.

    Erich Kästner hat das in seinem folgenden Gedicht trefflich zum Ausdruck gebracht:

    Kurt Schmidt, statt einer Ballade

    Der Mann, von dem im weiteren Verlauf
    die Rede ist, hieß Schmidt (Kurt Schm., komplett).
    Er stand, nur sonntags nicht, früh 6 Uhr auf
    und ging allabendlich Punkt 8 zu Bett.

    10 Stunden lag er stumm und ohne Blick.
    4 Stunden brauchte er für Fahrt und Essen.
    9 Stunden stand er in der Glasfabrik.
    1 Stündchen blieb für höhere Interessen.

    Nur sonn- und feiertags schlief er sich satt.
    Danach rasierte er sich, bis es brannte.
    Dann tanzte er. In Sälen vor der Stadt.
    Und fremde Fräuleins wurden rasch Bekannte.

    Am Montag fing die nächste Strophe an.
    Und war doch immerzu dasselbe Lied!
    Ein Jahr starb ab. Ein andres Jahr begann.
    Und was auch kam, nie kam ein Unterschied.

    Um diese Zeit war Schmidt noch gut verpackt.
    Er träumte nachts manchmal von fernen Ländern.
    Um diese Zeit hielt Schmidt noch halbwegs Takt.
    Und dachte: Morgen kann sich alles ändern.

    Da schnitt er sich den Daumen von der Hand.
    Ein Fräulein Brandt gebar ihm einen Sohn.
    Das Kind ging ein. Trotz Pflege auf dem Land.
    (Schmidt hatte 40 Mark als Wochenlohn.)

    Die Zeit marschierte wie ein Grenadier.
    In gleichem Schritt und Tritt. Und Schmidt lief mit.
    Die Zeit verging. Und Schmidt verging mit ihr.
    Er merkte eines Tages, dass er litt.

    Er merkte, dass er nicht alleine stand.
    Und dass er doch allein stand, bei Gefahren.
    Und auf dem Globus, sah er, lag kein Land,
    in dem die Schmidts nicht in der Mehrzahl waren.

    So war’s. Er hatte sich bis jetzt geirrt.
    So war’s, und es stand fest, dass es so blieb.
    Und er begriff, dass es nie anders wird.
    Und was er hoffte, rann ihm durch ein Sieb.

    Der Mensch war auch bloß eine Art Gemüse,
    das sich und dadurch andere ernährt.
    Die Seele saß nicht in der Zirbeldrüse.
    Falls sie vorhanden war, war sie nichts wert.

    9 Stunden stand Schmidt schwitzend im Betrieb.
    4 Stunden fuhr und aß er, müd und dumm.
    10 Stunden lag er, ohne Blick und stumm.
    Und in dem Stündchen, das ihm übrigblieb,
    brachte er sich um.

  15. Mit dem Thema ‚Freiwillige Knechtschaft‘ beschäftige ich mich seit langen ohne einen Ausweg für das kleine Arschloch zu finden. Der Artikel findet meine volle Zustimmung, auf den Punkt gebracht, Endet aber leider auch dort, wo ich nicht weiterkomme. Letztendlich beschreiben wir nur was ist.
    Kurt Schmidts Ballade beschreibt es recht gut. Aber das alles bringt uns nicht wirklich weiter. Angstfrei vorleben und Ratschläge zum Aussteigen aus dem Hamsterrad geben, bringt auch nichts. Habe meine Vorstadtvilla vor fünf Jahren gegen einen Wohnwagen auf einer Mühleninsel getauscht. Manchmal denke ich, daß es sinnlos ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Ratschläge sind sinnlos. Es braucht entweder einen knallharten Absturz im Leben, sei es durch Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder Depression, die zum Umdenken bewegen. Letztere habe ich mir gegönnt, die mir zum Ausstieg verhalf, aber nur, weil mir klar war, daß kein Angebot von Hilfe durch Pillen oder freudschem Geschwurbel mich da rausholen kann. Die Meisten klammern sich nach einer persönlichen Miesere, die sie durch ihre freiwillige Knechtschaft erlitten wieder an die die sie knechteten. Der Zirkelbezug Herr – Sklave kann dadurch nicht durchbrochen werden. Wann kapieren die das?
    Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen schreibt Étienne de La Boëtie vor fast 500 Jahren. Das ist zwar auf die Regierenden bezogen, paßt aber genausogut in den ‚kleingeistigen‘ Rahmen:
    …O ihr armen, elenden Menschen, ihr unsinnigen Völker, ihr Nationen, die auf euer Unglück versessen und für euer Heil mit Blindheit geschlagen seid, ihr laßt euch das schönste Stück eures Einkommens wegholen,
    … und all dieser Schaden, dieser Jammer, diese Verwüstung geschieht euch nicht von den Feinden, sondern wahrlich von dem Feinde und dem selbigen, den ihr so groß machet, wie er ist, für den ihr so tapfer in den Krieg ziehet, für dessen Größe ihr euch nicht weigert, eure Leiber dem Tod hinzuhalten.
    Der Mensch, welcher euch bändigt und überwältiget, hat nur zwei Augen, hat nur zwei Hände, hat nur einen Leib und hat nichts anderes an sich als der geringste Mann aus der ungezählten Masse eurer Städte; alles, was er vor euch allen voraus hat, ist der Vorteil, den ihr ihm gönnet, damit er euch verderbe.
    Woher nimmt er so viele Augen, euch zu bewachen, wenn ihr sie ihm nicht leiht?
    Wieso hat er so viele Hände, euch zu schlagen, wenn er sie nicht von euch bekommt?
    Die Füße, mit denen er eure Städte niedertritt, woher hat er sie, wenn es nicht eure sind?
    Wie hat er irgend Gewalt über euch, wenn nicht durch euch selber?
    Wie möchte er sich unterstehen, euch zu plagen, wenn er nicht mit euch im Bunde stünde?
    Was könnte er euch tun, wenn ihr nicht die Hehler des Spitzbuben wäret, der euch ausraubt, die Spießgesellen des Mörders, der euch tötet, und Verräter an euch selbst?
    Ihr säet eure Früchte, auf daß er sie verwüste; ihr stattet eure Häuser aus und füllet die Scheunen, damit er etliches zu stehlen finde;
    … ihr nähret eure Kinder, damit er sie, so viel er nur kann, in den Krieg führe, auf die Schlachtbank führe; damit er sie zu Gesellen seiner Begehrlichkeit, zu Vollstreckern seiner Rachebegierden mache;
    … ihr rackert euch zuschanden, damit er sich in seinen Wonnen räkeln und in seinen gemeinen und schmutzigen Genüssen wälzen könne;
    … ihr schwächet euch, um ihn stärker und straff zu machen, daß er euch kurz im Zügel halte:
    und von so viel Schmach, daß sogar das Vieh sie entweder nicht spürte, oder aber nicht ertrüge, könnt ihr euch frei machen, wenn ihr es wagt, nicht euch zu befreien, sondern nur es zu wollen.
    Seid entschlossen, keine Knechte mehr zu sein, und ihr seid frei.“ …
    Fällt mir noch ein Gedicht vom Ludwig der Träumer ein zum Thema, was das kleine A bei der Stange hält.
    Sinnlose Hoffnung
    Oh du gläubiger der hoffnung der das gute immerwährend suchst
    wenns nicht kommt das jetzt verdammst und verfluchst
    machen müssen immer nur die anderen damit die welt wird gut
    macht weiter so ihr wartet vergebens bis ihr werdet teufels glut
    hängt euch an der kanzel munde sucht das versprochen heil
    schleimt euch die worte von oben ein notfalls mit dem beil
    geht nach hause mit der froher botschaft vom großen herrn
    jeder seines glückes schmied wenn verstanden gottes und elites kern
    singt fröhlich im großen rad des lebens haltet es gesund und bunt
    der erfolg wird euch zuteil mit der börse die gedeiht besonders rund
    lebt für die elite es geht immer nach oben schritt für schritt mit euerem geld
    dafür bomben not so die frommsten von der kanzel sonst geht kaputt die welt
    dein glaube hält dich aufrecht im hamsterrad solange du nach oben schaust
    während deine füße anfangen an zu verwesen merkst du nicht wovon mir graust
    trampelst auf kopf und pfoten meinst fortschritt ehre und erfolg dir zu teil
    der kopf der deinen durch dich bereits tot ist dir selbst in gedanken zu steil
    die elite euch verachtet und knechtet weil ebenbürdig ihr euch nicht betrachtet
    sie gelernt als gottes ebenbild zu glänzen während du knecht dies gut verachtest
    kriechst ihre füße leckend vor ihr hin um krümel vom kuchen den sie hat fallenlassen
    den du gebacken und ohne lohn zu ihr getragen vor deinem hungertod zu erhaschen
    oh du sklave der träume die hoffnung hegst und pflegst dein leben lang und immer fort
    solange du dich kannst aufrecht halten im hamsterrad und kriechend vor der elite dort
    das hamsterradeln gelernt durch schule und wichtige affen willst beenden mit hoffnung
    sie hält dich aufrecht auch mit lotto bis du ausgeworfen zum weltenführers elite dung
    wach endlich auf es gibt keinen kredit auf leben es gibt nur dich und deine zu beleben
    schmeiß lehrer pfaffen und parteien fort denke selbst und nimm in die hand dein eigen leben
    ( Ludwig der Träumer )

  16. Ok, große Jammerei darüber, wie schwer doch das Leben ist und dass immer noch keine Milch und kein Honig fliessen.

    Wow!

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