Der pädagogische Happen (48)

(15:30 Uhr. Grundschule. Nachmittagsbetreuung. Über 400 Kinder im Hort. 20 Pädagogen und Pädagoginnen im Einsatz. Großes Gelände. Zahlreiche Angebote für Kinder laufen. Ein Pädagoge sitzt in einem Raum mit rund 20 Kindern und erklärt ihnen ein Brettspiel. Alle haben ihre Schuhe ausgezogen, damit der Teppich sauber bleibt.)

Mutter: (kommt mit dreckigen Straßenschuhen rein und ruft laut): »Entschuldigen Sie, wissen Sie vielleicht wo mein Kind ist?«

Pädagoge: »Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Tut mir leid. Haben Sie schon auf der Magnettafel nachgeschaut, wo sich Ihr Kind gerade aufhält?«

Mutter: »Aber Sie arbeiten doch hier, dann müssen Sie doch wissen, wo MEIN KIND ist?«

Pädagoge: »Entschuldigen Sie, wir haben hier mehr als 400 Kinder, ich bin seit über einer Stunde hier, in diesem Raum. Ich habe also keine Ahnung, wo sich jetzt Ihr Kind, dessen Name Sie mir nicht gesagt haben, gerade aufhält. Das alles können Sie sehen, wenn Sie auf der Magnettafel nachgeschaut hätten! Ich bitte Sie also, schauen Sie jetzt auf der Magnettafel nach, wo Ihr Kind ist und lassen mich hier weiter den Kindern das Spiel erklären. Und das nächste mal ziehen Sie hier bitte Ihre Schuhe aus! Vielen Dank!«

Mutter: (zieht ein mieses Gesicht und stapft sauer von dannen)


Immer mehr Pädagogen, Lehrer und Therapeuten wundern sich über eine mangelnde Selbst- und Fremdwahrnehmung von Kindern und Jugendlichen. Sie sehen vor allem sich selbst, ihre Bedürfnisse und ihre Interessen. Die oft gescholtene narzisstische und egoistische Grundhaltung vieler Kinder, kommt nicht vom Himmel, sondern vom Verhalten ihrer Eltern.


Kinder in Deutschland
Der pädagogische Happen

9 Gedanken zu “Der pädagogische Happen (48)

  1. Ernst Mayr (1904−2005) hat in einem seiner letzten Interviews bedauernd die Entkopplung von Fortpflanzung und Intelligenz beim Menschen konstatiert. Auf die Frage:
    »Wie sieht die Zukunft des Menschen aus?«
    Mayr: »Finster.«
    https://web.archive.org/web/20031103060729/http://www.netzeitung.de/wissenschaft/243544.html
    Da wir gerade wieder am Jahresanfang stehen wo Prognosen bekanntlich en vogue sind, würde ich diese Prognose von vor ziemlich genau 20 Jahren als bis heute ziemlich zutreffend ansehen.

    Ach, ja, die neue Evolution von Eltern:
    Eltern, Helikoptereltern, Kampfhubschraubereltern

  2. @orinoco

    Es gibt auch noch die »U‑Boote«. Die sich auf keinen Elternabenden und auch sonst nirgends blicken lassen und dann immer Oma, Babysitter etc. vorschicken. ;-)

  3. @orinoco
    Mayr hab ich auch gelesen.
    Wenn er auch aus der eher konservativen Ecke kommt, ist aber seine Analyse, und auf die kommt es an, weitestgehend richtig.
    Danke für den Link.

  4. Ähnliches erlebe ich bei meiner Arbeit in einem Rewe auch immer wieder. Es wird immer schlimmer mit diesen Kunden, die überhaupt nicht wahrzunehmen scheinen, das sie nicht die einzigen sind, die im Laden einkaufen. Da hilft man einem Kunden und dann kommt auf einmal ein anderer von der Seite.
    „Wo ist denn hier Produkt XY?“
    Kein bitte, kein guten Morgen oder was auch immer, einfach drauflos.
    Aber ich helfe natürlich ersteinmal dem anderen Kunden und das sage ich auch.
    „Einen Moment bitte, der Herr hier war vor ihnen dran.“
    Und dann reagieren die oft auch noch beleidigt oder verlagen, das sofort ein Kollege gerufen wird.
    Wie gesagt, dieses Verhalten nimmt zu gerade bei den sogenannten Millennials.

  5. @Der Kaufmann
    Ich meine ähnliches auch zu beobachten. Ich vermute dies ist Verhalten, um einen Ausgleich für den stärker werdenen gesellschaftlichen Druck zu schaffen, um die eigene Bedeutungslosigkeit und Hilflosigkeit nicht wahrnehmen zu müssen. So ist er der Kleinbürger, erhöht sich der Druck, tritt er nach unten.
    Man kann und sollte das überwinden

  6. @Der Kaufmann @Kakapo3

    Achtet mal in Gesprächen darauf, wie oft euer Gegenüber das Wörtchen »Ich« verwendet. Nicht wenige wollen nur über sich, über ihre Gefühle, ihre Interessen, ihre Meinungen und über ihr Leben reden. Und das am Liebsten den ganzen Tag! Andere Menschen stören da nur.

    Manche nennen das auch die narzisstische Gesellschaft. Die ist mittlerweile überall zu spüren.

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