Schöne Grüne Welt

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Ich bin ein Baum, holt mich hier raus!

Wenn ich mich mit biogrünen Tier- und Naturschützern unterhalte, dann wird regelmäßig die Massentierhaltung, die Atom- und Lebensmittelindustrie, die Umweltverschmutzung durch Konzerne sowie der starke Raubbau an der Natur kritisiert. Es wird an den Symptomen des Raubtier-Kapitalismus herum gekratzt, ohne ihn jedoch in Frage zu stellen.

Es werden Anti-Atom-Demonstrationen geplant, Facebook-Shitstorms gegen den Verkauf von Lebendhummer oder Tierpelze durchgeführt sowie öffentlichkeitswirksame Protestaktionen gestartet (z.B. von PETA). Wenn man jedoch fragt, wieso und weshalb es diese Zustände heute gibt, dann sind regelmäßig einzelne Unternehmen und Konzerne dafür verantwortlich. Nur die wenigsten kritisieren den Kapitalismus mit seinen Mechanismen oder sprechen von der Einführung eines nachhaltigen Wirtschaftssystems. Die meisten begnügen sich in schlichtem Gut (Wir, die Tierschützer) gegen Böse (Industrie und Konzerne). So als würde sich langfristig gesamtgesellschaftlich etwas verbessern, wenn beispielsweise Kaufhof keine Stopfleber mehr verkaufen würde.

Greenwashing
Unternehmen benutzen den Grün-Hype, um ihr Image aufzupolieren, neue Zielgruppen zu erschließen und um zu expandieren. Im Rahmen von Corporate Social Responsibility– und Marketing- Kampagnen, inszenieren sich Unternehmen, Konzerne und Banken als menschelnde und gewissenhafte Persönlichkeiten, die an Nachhaltigkeit und an soziale Verantwortung ernsthaft interessiert seien. So gibt es beispielsweise bei Mcdonalds vermeintlich gesunde Salate zu kaufen, obwohl weiterhin Regenwälder für die Fleischproduktion abgeholzt werden. Atomkonzerne wie RWE werben damit, dass der Atomstrom klimafreundlich und umweltfreundlich sei. Es wird mit zweifelhaften Öko-Siegeln gearbeitet, eigene Nachhaltigkeitsberichte werden in Auftrag gegeben sowie PR‑, Marketing- und Werbeagenturen veranstalten grüne Kampagnen.

»Unser Wirtschaftssystem und unser Ökosystem befinden sich miteinander im Krieg.«

- Naomi Klein

Der Kapitalismus assimiliert alles. Solange das wirtschaftliche Wachstum und die Profitraten stimmen und nicht beeinträchtigt werden, sind auch neue Ideen, wie die erneuerbaren Energien oder der Emissionshandel willkommen. Gerade die Öko- und Bio-Fraktion geht dem Neoliberalismus komplett auf den Leim, wenn sie ernsthaft glaubt, die Menschheit würde Haben-Denken, Konsum und Egoismus überwinden, wenn wir alle nur Vegetarier oder Veganer werden, ausschließlich Bio-Produkte kaufen, mehr Fahrrad fahren und nur noch Ökostrom beziehen würden. Ganz im Sinne der neoliberalen Eigenverantwortung, könne doch jeder etwas zu einer besseren Welt beitragen, so das Credo. Einfach ein bisschen mehr zahlen und dann ist auch kein politisches Engagement mehr nötig. Grundsatzfragen sowie Konzepte oder Ideen für eine gerechte Welt braucht man dann auch nicht mehr. Es wird sich gemütlich im bestehenden kapitalistischen Unrechtssystem eingerichtet und eine elitäre Konsumhaltung eingenommen. So einfach ist der Widerstand.

Auch wenn das Prinzip der Nachhaltigkeit im Kern zu befürworten ist, so wird es ‑im kapitalistischen Spiel des grenzenlosen Wachstums auf einer Welt mit endlichen Ressourcen- niemals adäquat umgesetzt werden können. Solange die Umweltbewegung nicht antikapitalistisch wird, nörgelt sie nur an den Symptomen des Neoliberalismus herum. Erst wenn sich die weltweiten wirtschaftlichen Spielregeln komplett ändern, d.h. den Menschen als Teil der Natur und nicht den Profit in den Mittelpunkt rücken, werden grüne Ideen, Konzepte und Methoden auch sinnvoll sein.  Bis dahin ist grün entweder Etikettenschwindel oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

11 Gedanken zu “Schöne Grüne Welt

  1. Stimmt einerseits, je lauter die Werbung schreit, desto mehr lügt sie. Andererseits ändert sich das Ganze ja wirklich nur, indem mehr und mehr Mitmenschen sich anders verhalten (vor allem weniger kaufen, und nur Sachen, die wirklich nützen, die lang halten und die von anderen Menschen unter gerechten Bedingungen und mit möglichst wenig Naturzerstörung gemacht sind).
    Denn darauf daß alle beschließen: ab nächsten 1. gilt nicht mehr der Kapitalismus sondern (Ja-was-denn-eigentlich), und dann ist mit einem Schlag alles gut, können wir wahrscheinlich ewig warten. ^^

  2. Ist genau wie mit den Asylanten, jeder Kriegsflüchtling der von Deutschland aufgenommen wird trägt nicht zur Befriedung des eigenen Landes bei; jeder Wirtschaftsflüchtling der von unserem Sozialsystem profitiert entzieht sich der heimatlichen Wirtschaft und trägt nicht zu ihrem Aufbau bei. Bin ja nicht dagegen, Menschen in Not zu helfen, aber solange Menschen nicht friedlich sind ist das vergebliche Müh‹. Was bringt es, ein paar Tausend Afrikaner aufzunehmen, wenn sich in deren Heimat weiterhin Hunderttausende gegenseitig abschlachten und aushungern?

  3. Das, was seit dem letzten Live Aid seinen Weg gefunden hat... Ich glaube, danach jedenfalls fing dieses kommerzielle »Wir müssen die Welt retten!« an.

    Das Schlimmste, was allerdings an diesen neumodernen Umweltaktivisten ist: Sie wollen, dass alles, was in ihren Augen umweltschädlich ist, verschwindet; sie vergessen aber allein, dass ihr täglicher Komfort nur durch Umweltverschmutzung erreicht wird. Ich wüsste jedenfalls nicht, dass Windkraftanlagen vom Himmel fallen. Oder Solarzellen. Für Tofu als Fleischersatz müssen auch riesige Plantagen mit Soja angepflanzt werden. Ist das keine Quälerei für eine Pflanze, in Reih und Glied nur für einen bestimmten Zweck gezüchtet zu werden?
    Auf sein Smartphone und seine Tablets verzichtet auch niemand, weil die Förderung von seltenen Erden die reinste Drecksarbeit ist.
    Oder der Realität erliegen, dass alles, was »Energie sparen« oder »effizient verwalten« mit Hilfe eines Akkus erledigt — dass dieser Akku auch nicht aus ökologisch abbaubaren Bestandteilen besteht.

  4. Ja, das gute, alte Greenwashing! In dem Zusammenhang werfe ich mal die Frage auf, warum z. B. die rein kapitalistisch organisierte Form der »Windenergie« immer noch so ein gutes, gar irgendwie »linkes« Image hat...? Nur, weil man da in der Propaganda einen nicht stringenten alternativlosen(!) Antagonismus zum AKW aufgebaut hat? In der jeder gleich ad hominem ein »Atomlobbyist« ist, der auf Risse in der grün angestrichenen Fassade hinweist? voRWEggehen wirbt ja z. B. auch ganz offensiv mit Windrädchen und dem Umstieg auf »Erneuerbare«... Ist so ziemlich der einzige Markenkern der Grünen, der scheinbar überdauert hat. Aber eben nur scheinbar — denn auch die Organisation und Form, mit der dieser Strom (und damit nicht unerhebliche Gewinne für die Kapitalseite) gewonnen wird, lässt sich auch unter »angekommen im System« verbuchen. Ich seh da auch ne gewisse Form von Privatisierung der Luft. Anfangs hieß es oft, man gebe den Gemeinden die Möglichkeiten, ihren Strom selbst zu gewinnen... daraus wurde nix, die Gewinne gehen an ein paar Aktionäre oder Gesellschafter. Da machen ein paar Wenige also gewaltig Geld — mit allen Mitteln, die sonst so verabscheut werden: Lobbyismus, Korruption und Lügen.

    Ich lebe in Rheinland-Pfalz, in der die Grünen das Umwelt- zu einem regelrechten »Windkraft-Lobbyministerium« umgewandelt haben. Die Interessen kapitalintensiver »Windenergiekonzerne« werden hemmungslos bedient, regelm. Gesetze beschlossen oder Landesentwicklungspläne angepasst. Es gibt kaum mehr Auflagen oder Ausschlüsse; ein regelrechter planloser »Wildwuchs« ist: ausdr. erwünscht! Unter anderem ermöglichte man es rechtlich (nach dem Motto »divide et impera«) jeder popligen Gemeinde, auf »ihrem« Claim darüber zu entscheiden, ob nun um die 200m hohe Windräder aufgestellt werden dürfen oder nicht. Obwohl diese Entscheidungen auch andere Gemeinden betreffen. Dann droht der Windradmanager dem Ortsbürgermeister, wenn er die Dinger nicht für ein paar Euro Pacht bei sich aufstellt, geht er eben in die Nachbargemeinde und pflanzt die Dinger an die Gemarkungsgrenzen... Auch gesetzlich abgeschafft wurde unter einer grünen(!) Umweltministerin die Pflicht zur ausgleichenden Wiederaufforstung beim Bau von WKA in Waldgebieten. Und wer sich mal ganz vorurteilsfrei ansieht, wie da zum Beispiel in den Wäldern des Hunsrücks plan- und rücksichtslos gewütet wurde (d. h. tausende Hektar Wald vernichtet und das Anlegen regelrechter »Autobahnen« zum Transport der riesigen Bauteile), könnte sich ja doch mal die Frage stellen, ob man hier nicht versucht, den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben!? »Grün« oder umweltschützendes ist daran für mich nix mehr. Außer, dass der Mittelklassespießer nun mit seinem Ökostrom mit beruhigtem Gewissen die Klimaanlage laufen lassen kann... und dass ist ja die Hauptsache! Der Kapitalismus verkauft einem nämlich grade in Energiefragen ja primär: das reine Gewissen...!

  5. @Herbert Derp

    Da kommt einem glatt das vegane Tofuschnitzel wieder hoch...

    Genau , die »Asylanten« sollen doch zu ihren Verfolgern gehen und mit ihnen reden , ist genauso einfach wie für Sie der Gang in den Supermarkt , die nächste Alk-Bombe besorgen , feiges Pack , diese Flüchtlinge , was sind wir anständigen Deutschen doch mutig...

    @epikur

    Weitgehende Zustimmung , aber »Bios« und »Ökos« sind nicht dasselbe wie die Veganer-und Co.-Fraktion , auch wenn die Kritik stimmt , daß sich die Öko-Ecke zunehmend instrumentalisieren läßt von den Partikularinteressen der Vegwerfgesellschaft.

  6. Sinnigerweise, sind die Grünen auf den Zug aufgestiegen, dass ein Markt alles regeln könnte. Das heißt dann soviel wie; Ökonomie und Ökologie schlafen im selben Federbett eines Wohlstandes, den man nicht nur selber gewöhnt ist, bzw. sein will, sondern auch die Welt darüber erklärt, — während sie tunlichst vermeiden auf den Gedanken zu kommen, dass der Profit Matraze wie Bettgestell ausmacht. Im Grunde sind es einfach nur noch erbärmliche Bio-Nationalisten mit gerade mal den konditionierten Restbeständen von sowas wie Humanismus zur Selbstbeweihräucherung gesegnet.

    @Herbert Derp
    Ehrlich gesagt, kann ich auch darüber diskutieren, was es bringen soll Kinder auf die Welt zu bringen, wenn in ca. 5Mrd. Jahren die Sonne sowieso zum weißen Zwergstern wird, oder die Entwicklung transnationaler Konzere (mit sogar grünem Feeling) den Planeten schon viel früher in Schutt und Asche legt. Auch Sozialsysteme machen nur Sinn, wenn darunter eine humane Ethik verborgen ist, die das überhaupt erst ermöglicht. Ist ja nett, dass du nichts dagegen hast, Menschen in Not zu helfen, aber irgendetwas sagt mir, dass der ganze humane Sinn überhaupt erst darauf aufgebaut ist.

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