Presseblick (44)

Flüchtlinge. Das Dauerthema. Seit Wochen. Mit den üblichen Methoden der Medienindustrie: Skandalisierung, Personalisierung, Emotionalisierung, Agenda Setting, Framing und Übertreibung. Es werden Erwerbslose gegen Migranten ausgespielt, infantile Emotionen statt Argumente geliefert, Horrorzahlen- und Meldungen abgedruckt und vor allem die Menschen gegeneinander aufgehetzt und: der hässliche Deutsche zeigt wieder offen seinen Rassismus. Es ist primär eine gigantische Ablenkungsstrategie, was da gerade vor unseren Augen stattfindet. Griechenland und die abgefuckte Troika sind plötzlich kein Thema mehr. TTIP auch nicht. Der BND- und NSA-Skandal interessiert niemanden mehr. Wenn die Massenmedien plötzlich wochenlang nur noch über ein Thema berichten, werde ich misstrauisch und frage mich, was eigentlich gerade in den Hinterzimmern geplant wird?

Neoliberalismus
Joseph Kishore beschreibt auf wsws.org die »Schocktherapie« (Naomi Klein) die New Orleans nach dem Hurrikan Katrina erlebt hat. Wie in Afghanistan und dem Irak werden Zerstörungen knallhart ausgenutzt, um anschließend die komplette Infrastruktur den profitorientierten Haien zum Fraß vorzuwerfen:

»In den zehn Jahren seit dem Hurrikan wurde praktisch das gesamte öffentliche Schulsystem abgewickelt oder profitorientierten Konzernen auf dem Silbertablett serviert. Große Wohnsiedlungen wurden dem Erdboden gleich gemacht. Das Charity-Krankenhaus, das 1736 gegründet worden war, um für Arme und Mittellose zu sorgen, wurde 2005 geschlossen, obwohl es nur geringfügige Flutschäden davongetragen hatte.«

Arbeitsmarkt
War ja klar, dass die Industrie den Mindestlohn so schnell wie möglich wieder los werden will: »Neoliberale Meinungsmacher wollen Flüchtlingskrise für Lohndumping nutzen.« Ganz vorn dabei: Hans-Werner Sinn. Gleichzeitig wünscht sich der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, eine flexiblere Ausweitung des Achtstundentags. Es soll möglich sein, dass Lohnarbeiter auch mal 12 oder 14 Stunden an einem Tag arbeiten, um die Bedürfnisse des Unternehmens zu befriedigen. Die jahrhundertelang hart erkämpften Arbeitsrechte werden weiter geschliffen.

Unterdessen werden weiterhin überall Leute entlassen, um die Aktionäre zu besänftigen und weil technische Möglichkeiten Menschen ersetzen. So will die größte Bank Italiens, die UniCredit, rund 10.000 Menschen auf die Straße setzen. Und in Brasilien haben GM, Mercedes-Benz und Volkswagen allein im Jahr 2015 schon rund 40.000 Menschen entlassen. In Indien gab es einen Generalstreik von rund 150 Millionen Menschen gegen die neoliberale Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, den unsere Leitmedien natürlich verschwiegen haben.

Neues Deutschland vom 30. August 2015

Neues Deutschland vom 30. August 2015

Social Media
Auf Facebook, Twitter, gutefrage.net, Bewertungsportalen und in den Kommentarspalten treiben sich lediglich Trolle, Putinversteher, Verschwörungstheoretiker, Spinner, Populisten, Esoteriker und Wutbürger herum, so behaupten es die bürgerlichen Massenmedien. Ganz vorne mit dabei sind aber noch ganze andere Spieler: Unternehmen, die PR-Agenturen dafür bezahlen, Schleichwerbung und wohlwollende Kommentare und Bewertungen in das Netz zu rotzen: »Dieses sogenannte Posting im Internet stammt nicht von einer Betroffenen, sondern von kreativen Köpfen der Wiener Medienagentur »Modern Mind Marketing« (mhoch3). Im Laufe seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit Bayer hat das Unternehmen Hunderttausende solcher Kommentare in den sozialen Medien plaziert.« In diesem Fall auch bei Produkten, deren Wirksamkeit mehr als bedenklich ist. Einen übersichtlichen Artikel über die Machenschaften der PR-Agentur mhoch3 gibt es auf datum.at zu finden.

Freiheit
Wer in die Zukunft blicken möchte, sollte nach Spanien schauen: »Seit dem Inkrafttreten neuer Sicherheitsgesetze werden in Spanien regelmäßig Bürger für die Ausübung ihrer Meinungs- oder Versammlungsfreiheit bestraft.« Merkel lobte die Einschränkung der Bürgerrechte in Spanien indessen als »Vorbild für Deutschland«.

Hartz 4
Ein Blog hat die Opfer der Hartz-Reformen gesammelt. Viele traurige Schicksale, die nur einen Schluss zu lassen: Hartz 4 ist nicht nur staatlich organisierte Enteignung und verordnete Massenarmut, sondern schlicht ökonomisch gewollte Vernichtung.

Und während zum Januar 2016 das Arbeitslosengeld 2 um ganze fünf Euro erhöht wird und sich die Bundesregierung für ihre soziale Wohltat feiert ‑die in keinster Weise den tatsächlichen existentiellen und finanziellen Bedürfnissen der Hilfesuchenden entsprechen- ignoriert die »SPD-Linke« (ja, so wurde sie jahrelang in den Massenmedien bezeichnet!) Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, kaltschnäuzig den hungerstreikenden Erwerbslosenaktivisten Ralph Boes. Dieser wurde zu 100 Prozent sanktioniert.

Und zum Schluss ein empfehlenswertes Interview mit Yanis Varoufakis:

4 Gedanken zu “Presseblick (44)

  1. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass dein Presseblick für mich hundert mal mehr Informationswert besitzt als sämtliche Online-Nachrichten-Ableger der großen Zeitungen zusammen.

  2. Das Thema Flüchtlinge sehe ich auch nur als Ablenkung an.

    Naomi Klein spricht von »Schock-Strategie«. Und genau dass ist es auch, was in Griechenland gelaufen ist — und immer noch läuft. Insbesondere der totale Umfaller von Tsipras war wirklich ein ziemlich derber Schock. Es war fast wie aus einem Drehbuch — am größten Punkt der Hoffnung, Syriza würde den Neoliberalen endlich und standhaft den »Stinkefinger« zeigen — nach dem Oxi beim Referendum — kam die Nacht der Schande und die vollständige Kapitulation... Die Botschaft nach Europa und insb. nach Spanien war damit auch eindeutig.

    Mal gespannt, was seine ehem. »Parteifreunde« nun mit Varoufakis anstellen werden. Auch hier wird man wohl ein Exempel statuieren und ihn wegen »Hochverrats« einbuchten... Die wahren Verräter tun nun genau das Gegenteil dessen, wozu sie urspr. angetreten waren — und exekutieren einmal mehr als »linke« Partei rechte Politik. Und werden dafür wiedergewählt... Zum k...!

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