Auf der Suche nach Mr. Perfect

- Über Anspruchsdenken. Dekadenzerscheinungen. Erwartungshaltung. -

perfect_titelMittlerweile bin ich schon fast drei Jahre Single. Aber an mir kann es nicht liegen. Ich sehe gut aus, bin schlank, charmant, verdiene gut in meinem Job und ich werde auch öfter mal von Männern angesprochen. Nur das sind alles Idioten! Protzig. Aufdringlich. Unterbelichtet. Dumm. Und unerotisch. Manche sind zwar zuvorkommend, sympathisch, zahlungsfähig, durchtrainiert, liebevoll, aufmerksam, tierlieb, kreativ, tolerant, hingebungsvoll, ehrgeizig, mutig, vertrauensvoll, leidenschaftlich, kinderlieb, intelligent, respektvoll, stark oder gentlemanlike – aber keiner davon kann alles vorweisen! Und ich bin ja nicht so blöd und verkaufe mich unter Wert! Ich habe es verdient, einen Mann zu finden, der mir all das zusammen bieten kann!

Meine letzte Beziehung dauerte fast drei Jahre. Aber dann hatte er sich verändert. Er schenkte mir immer seltener Blumen und Aufmerksamkeit, traf sich viel zu oft mit seinen Freunden, widmete sich seinen Hobbys und motzte ständig rum, weil ich weniger Sex wollte. Als wenn er damit nichts zu tun gehabt hätte! Seine Schlabbersachen beispielsweise sind für mich total abtörnend! Jedenfalls hatte ich ihm mehrere Ultimaten gestellt. Aber er wollte sich einfach nicht ändern! Als er dann eines Tages auch noch anfing, meine TV-Sendungen nieder zu machen (DSDS, GZSZ, Germanys Next Topmodel, Shopping Queen etc.) und sie »emotionale Verwahrlosung« nannte, fühlte ich mich nicht mehr verstanden und trennte mich schließlich. Seltsamerweise hat er danach nicht mehr um mich gekämpft. Also hat er mich auch nie wirklich geliebt! Seither läuft es mit den Kerlen irgendwie nicht mehr. Und ich weiß nicht mal warum???

Männer sind scheiße!
Ich hatte beispielsweise mal ein Date mit einem Typen, der doch tatsächlich darauf bestanden hatte, dass wir getrennt zahlen. Unglaublich! Ich war ihm noch nicht mal die Rechnung wert! Ein Anderer war zwar total sympathisch, charmant und intelligent, aber der war kleiner und jünger als ich. Außerdem hat mir seine Nase nicht gefallen. Dann habe ich mal einen kennengelernt, mit dem ich viel unterwegs war. In Bars, Clubs oder wir haben gemeinsam Sport gemacht. Da haben sich bei mir auch Gefühle entwickelt. Nur leider war er Maler. Und ich kann mir ja denken, wie wenig die verdienen. Schließlich will ich auch mal Urlaub machen, nicht ständig mit Bus und Bahn fahren und Kinder kriegen! Der viel also auch flach.

Dann lernte ich einen alleinerziehenden Vater kennen. Der war zwar sehr süß, aber Männer mit Altlasten kann ich nicht gebrauchen. Ein Anderer war super im Bett, aber in Sachen Kommunikation war der eine totale Niete! Hatte immer fast 3 Stunden gebraucht, bevor er mal auf meine sms- und whatsApp-Nachrichten reagiert hat! Geht ja mal gar nicht! Mir hat Mann sofort zu antworten! Irgendwie verliebe ich mich immer nur in die Falschen! Die tollen Männer sind alle vergeben und übrig bleiben die Idioten! Nach meinen Erfahrungen, bin ich jetzt auch vorsichtiger geworden. Ich lass mich nicht mehr auf Kompromisse ein! Nun halte ich meine Gefühle erst einmal zurück. Sonst werde ich nur verletzt.

"Die englische Paartherapeutin Susan Quilliam rät Frauen, keine Liebesromane zu lesen – sie würden die Wirklichkeit von Beziehungen völlig verzerrt darstellen." (welt.de vom 13. Januar 2012)

»Die englische Paartherapeutin Susan Quilliam rät Frauen, keine Liebesromane zu lesen – sie würden die Wirklichkeit von Beziehungen völlig verzerrt darstellen.« (welt.de vom 13. Januar 2012)

Menschen verwursten
Seit mehr als 10 Jahren bin ich nun schon Personalerin in einem großen Unternehmen. Wer bei uns arbeiten will, muss erst einmal an mir vorbei! Und das ist keineswegs als Drohung gemeint, schließlich habe ich eine besonders wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Vor allem Männer denken oft, sie könnten mich täuschen! Dabei kenne ich die typischen Selbstdarstellungstricks, die Lebenslauf-Beschönigungen und die Körpersprache der Kerle sehr gut. Wenn ich ehrlich bin ‑und das bleibt unter uns- dann spielt die fachliche Qualifikation kaum eine Rolle. Bei fast allen, die ich zum Vorstellungsgespräch einlade, gehe ich davon aus, dass sie den Aufgaben gewachsen sind. Letztlich geht es mir primär um Sympathie.

Selbstbewusste und intelligente Kandidaten sind in unserem Unternehmen zwar gefragt, aber vor mir sollen sie bitte unsicher, nervös und demütig sein. Das mag ich! Wer mir im Vorstellungsgespräch zu selbstsicher in die Augen schaut, dem gebe ich einen Laufpass. Wer mir für die entsprechende Stelle als zu kompetent erscheint, der ist auch nicht geeignet. Wer weiß, nachher will der noch auf meine Kosten Karriere machen, mich in Verlegenheit bringen oder mich gar ersetzen? Wer zu viele, eher unkonventionelle Fragen stellt, eigene Ideen mitbringt, im Internet nicht (oder viel zu oft) zu finden ist oder gar selbständig denkt, ist auch verdächtig. Nachher will der noch einen Betriebsrat gründen oder ist bereits Gewerkschaftsmitglied? Nene, bloß kein Risiko eingehen. Weg damit.

Ich bin Empathie
Man mag mich für kleinlich halten, aber wer im Anschreiben oder im Lebenslauf Tippfehler oder gar Komma-Fehler hat, der wird erst gar nicht eingeladen. Egal wie fachlich kompetent er oder sie auch sein mag. Ordnung muss sein! Auch wer zu schlau, zu dick, zu hübsch, zu klein, zu groß, zu ausländisch, zu muskulös, zu dumm oder zu schwanger ist, fällt durch das Raster. Ich bevorzuge Durchschnittstypen, die das sagen, was ich hören will und das machen, was die Geschäftsführung befiehlt demokratisch, bei flacher Hierarchie (Hihi!) in Auftrag gibt. Und in aller Regel bevorzugen wir Bewerber, die unter 40 Jahre alt sind. Die sind meist nicht nur billiger, sondern auch formbarer und seltener krank. Und natürlich erwarte ich, dass der Bewerber sich im gesamten Bewerbungsprozess richtig, richtig viel Mühe gibt. Ich kann aber nur vorgefertigte Standard-Absagen verschicken. Ich habe leider viel zu viel zu tun. Tut mir nicht leid.

Und wenn ich mir nicht wirklich zu 100 Prozent sicher bin, dann lasse ich die Stelle auch unbesetzt im Unternehmen. Gerne auch für mehrere Monate oder sogar Jahre. Die Person muss schon ganz genau zu uns passen. Ich achte beispielsweise besonders darauf, wer wo wann bei wem schon gearbeitet hat oder ob wer wen wie genau kennt. Eigentlich sind das, inklusive Sympathie, die entscheidenden Kriterien. Das Branding zählt. Immerhin haben wir, neben dem Gehalt, auch eine Menge zu bieten: eine faire Unternehmenskultur, Parkplätze, flache Hierarchien (neofeudalistische Entscheidungs-Strukturen), einen firmeneigenen Facebook-Account, flexible Arbeitszeiten (die wir festlegen!), einen Kaffee-Automaten, aktuelle Büro-Software und vieles, vieles, sehr, sehr, sehr vieles mehr.

7 Gedanken zu “Auf der Suche nach Mr. Perfect

  1. Mach Dich mal locker meine Gute. Die Suche nach Mr. Right muss scheitern. Es gibt nur Mr. Kompatibel...und by the way.... mal ganz ehrlich...leben und leben lassen...jedenfalls wenn dieser Artikel nicht ironisch ist

  2. @Nelly aus Sachsen

    »Entspannung« ist mein zweiter Vorname. Ich schreibe nur, was ich beobachte und/oder schon einmal selbst erlebt habe. Eventuelle Überspitzungen sind der semantischen Dramaturgie geschuldet. ;)

  3. Es ist doch offensichtlich, dass hier ein männlicher Autor eine Satire auf weibliche Befindlichkeiten schreibt. Frau Nelly, Sie haben vor lauter Lockerheit wohlmöglich ein paar Probleme mit der Wahrnehmung satirischer Stilmittel.

  4. Die männlichen Personaler sind auch nicht besser als die weiblichen, allerdings ist der Verschwörungsglaube immer noch weit verbreitet, daß alles besser wird mit Frauen in Führungspositionen.

  5. Das Fiel hinter Kinder kriegen kommt von Fallen. Ich würde den Satz auch mit einem Ausrufezeichen versehen, da er wie ein Ausruf gesprochen wird.

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