Der US-Gefängnis-Industrie-Komplex

RT Deutsch vom 28. April 2016

RT Deutsch vom 28. April 2016

Zum militärisch-industriellen-Komplex in den USA gehört ein Industrie-Sektor, der viel zu selten thematisiert wird, obwohl er mittlerweile ein riesiges Geschäft darstellt: die US- Gefängnisindustrie. Obwohl die USA nur 5 Prozent der Weltbevölkerung stellen, befinden sich dort 25 Prozent aller Gefängnisse weltweit. Rund 2,5 Millionen Menschen sind im »land of the free« eingesperrt. Mehr als 80 Prozent der Häftlinge sind Lateinamerikaner, Afroamerikaner und andere »Nicht-Weiße«. In der Regel werden diese auch härter bestraft als Weiße. Neben General Motors sind die US-Gefängnisse mittlerweile der zweitgrößte Arbeitgeber in den USA mit über 500.000 Beschäftigten. Die US-Gefängnisindustrie macht einen Umsatz von 35 Milliarden Dollar im Jahr, mit Zwangsarbeit und der Produktion von beispielsweise Militärausrüstung für US-Konzerne.

Kriminalität schafft Arbeitsplätze
Strafvollzugs-Unternehmen wie die Corrections Corporation of America (CCA) haben 90.000 Gefängnisbetten in 20 US-Staaten und verdienen mittlerweile mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr. Sie haben ein großes Interesse daran, immer genug Menschen einzusperren, damit ihre Gefängnisse ordentlich Gewinn erwirtschaften. Sie profitieren direkt an rassistischen Strukturen, menschenverachtenden Ideologien und am ausufernden Drogenhandel, denn wo es mehr Gewalt und Verbrechen gibt, da gibt es auch mehr Häftlinge und einen größeren »Bedarf« an Gefängnissen inklusive Wachpersonal, Verwaltungsangestellten, Hausmeistern, Psychologen, Sicherheitstechnologien und so weiter.

Übrigens ist der »Friedennobelpreisträger«, »Drohnen-König« (bisher mehr als 4.000 Tote) und Wall-Street-US-Präsident Barack Obama deutlich härter als viele US-Präsidenten vor ihm, was Begnadigungen angeht: »Einer Analyse der US-Investigativreporter von Propublica zufolge hat er nur einen von 35 Anträgen bewilligt, die ihm das Justizministerium vorlegte. Ronald Reagan hatte nach der entsprechenden Zeit einen von drei Bewerbern begnadigt. Bei George Bush senior liegt das Verhältnis bei 1:16.« Und obwohl die Kriminalitätsrate in den USA in den letzten 30 Jahren stetig sank, verdreifachte sich gleichzeitig die Inhaftierungsrate.

Ein empfehlenswertes, rund 15 Minuten langes Interview (deutsche Synchronisation) mit dem schwarzen Bürgerrechtler Mumia Abu-Jamal, der seit 30 Jahren ‑höchstwahrscheinlich unschuldig- im Gefängnis sitzt, über das US-Gefängnis-System:

»Kalifornien gibt 62.396 Dollar pro Gefangenem und Jahr aus, und zehn Milliarden Dollar für seinen Strafvollzug insgesamt. […] Derweil wendet Kalifornien nur 9200 Dollar jährlich für einen Schüler bis zur zwölften Klasse auf, und das durchschnittliche Gehalt eines neu eingestellten Lehrers beträgt 41.926 Dollar. Und während Kalifornien 22 Gefängnisse in 30 Jahren baute, gründete es lediglich eine öffentliche Universität.«

- welt.de vom 22. September 2015

Law and Order
Als weltweit einziges Land ‑neben Somalia- haben die USA zudem die UN-Kinderrechtskonvention nicht ratifiziert. So verhängen sie beispielsweise lebenslange Haftstrafen ohne Bewährung gegen Minderjährige und verstoßen damit gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Seit der »War on Terror« ausgerufen wurde, werden auch internationale Menschenrechtskonventionen sowie UN-Antifolterkonventionen, insbesondere in US-Gefängnissen, kaum noch eingehalten.

In 19 von 50 US-Bundesstaaten wurde die Todesstrafe seit Wiedereinführung im Jahre 1976 wieder abgeschafft. Der US-Bundesstaat Texas hat seit 1976 über 500 Häftlinge hingerichtet. George W. Bush hat als Gouverneur von Texas in seiner Amtszeit (1994 — 2000) 52 zum Tode Verurteilte innerhalb von 6 Jahren hinrichten lassen. Das entspricht 64 Prozent der Exekutionen in Texas in den Jahren 1976 bis 2000. Auch die Todesstrafe gegen minderjährige Täter ist noch in 19 von 38 US-Bundesstaaten zulässig. Laut einer Untersuchung von US-Juristen seien rund 5 Prozent aller der zum Tode Verurteilten unschuldig.

Übrigens: um für zehn Jahre ins Gefängnis zu kommen, reicht der Besitz von 50 Gramm Crack – von Koks hingegen muß man fünf Kilo mit sich führen. Unnötig zu sagen, daß Crack die Droge der Armen und Koks die der Reichen ist.

Wie brutal und unmenschlich der Alltag in US-Gefängnissen wirklich ist (jenseits von romantisierend verklärter Knast-Schmonzetten),  zeigt die etwas ältere HBO-Serie »Oz« aus dem Jahr 1997. Morde, Wächter-Bestechungen, Folter, Drogenhandel, Misshandlungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung.

»Normalerweise, wenn du in der freien Wirtschaft arbeitest, melden sich die Leute krank, sie haben Probleme mit dem Auto, sie haben familiäre Probleme. Hier haben wir das nicht. Der Staat zahlt für die medizinische Versorgung. Und: Die Leute fahren bestimmt nicht in Urlaub.«

- Leonard Hill, Besitzer eines texanischen Zulieferbetriebes der Computerindustrie, der in einem privaten Gefängnis produzieren lässt. Im Januar 1995.

Auch in Deutschland schreitet die Privatisierung von Gefängnissen weiter voran. So gibt es nicht nur mehrere US-Knastfirmen, die unbedingt in Deutschland expandieren wollen, sondern auch deutsche Unternehmen, wie die Justizvollzugsanstalt Hünfeld, die erste teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt in Deutschland. Und in der Justizvollzugsanstalt Waldeck dürfen die Insassen bereits heute der deutschen Möbelindustrie Konkurrenz machen und für Hungerlöhne schuften.

Sollte sich also die Privatisierung der Bestrafung auch in Deutschland durchsetzen, werden wir mehr Kriminalität und/oder härtere Strafen »bekommen«. Der Gefängnis-Industrie-Komplex ist ein gutes Beispiel dafür, wie menschenverachtend und brutal eine Gesellschaft werden kann, wenn der Profit das alles bestimmende Dogma einer Gemeinschaft ist und alle sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche durchdringt.

Und wer noch nicht genug hat: im PC-Spiel »Prison Architect« vom Indie-Entwickler Introvision Software darf man das Knastgeschehen realistisch managen und verwalten. Inklusive zahlreicher ironischer und gesellschaftskritischer Seitenhiebe auf die US-Knastindustrie:

9 Gedanken zu “Der US-Gefängnis-Industrie-Komplex

  1. Kapitalismus in seiner widerwärtigsten Form. Da wird klarer, warum es im Unrechtsstaat USA so absurde Gesetze wie Drei-Vergehen-lebenslänglich gibt , obwohl sie keinerlei Sinn machen, was die Kriminalitätsbekämpfung angeht.
    Rassismus ist aber nicht die Ursache, die ist erstmal die amerikanische Obrigkeitshörigkeit, was den amerikanischen Geldadel angeht , die selbst die deutsche noch in den Schatten stellt.

    Erst bei der Opfersuche spielt Rassismus eine wesentliche Rolle, aber auch hier erst nach der Armut, schließlich ist die Polizei nicht dort auf der Jagd nach Menschenfleisch, wo mittelständische Schwarze wohnen.
    Diese Mißstände zeigen auch einmal mehr, wie verlogen und neoliberal die politische Korrektheit ist: wer was Schiefes über einen gutsituierten Schwarzen sagt, wird mit shitstorms belegt, die menschliche Vernichtung von finanziell armen Schwarzen interessiert hingegen keine Sau.
    Und man kann viel lernen über die wiedergängerischen Lichtgestalten, diese »Hoffnungen für Amerika und die Welt«.
    Die Parallelen zu Kennedy sind erstaunlich, Obama als Dampfplauderer, der weder gegen die Gefängnisindustrie vorgeht , noch gegen Guantanamo, noch gegen die workfare-Gesetze, und statt dessen lieber Drohnenkrieg führt.
    JFK, der große Reden schwang, aber die Kubakrise mit heraufbeschwor(in der er sich allerdings sehr klug verhielt) , und den Vietnamkrieg vorbereitete.

  2. Weiter CxU, spd, FDP, Afd und Grüne wählen, dann klappt das auch bei uns. Versprochen!

    Und die Linke bei 9% — 10% halten, damit die dortigen, vom Dienstwagensyndrom befallenen »Politiker« keinen Grund haben, ihre Regierungsfähigkeitanbiederung einzustellen.

    Was für eine widerwärtige, verkommene Scheißwelt.

  3. Teilprivatisierung gibt es natürlich auch in der deutschen Verwaltung, inkl. Haftanstalten. Zumal schon quasi der gesamte ÖD auf »leistungsfähig« gem. der »ökonomischen« Doktrin getrimmt / d. h. ausgeblutet wurde; mit freundlicher Unterstützung von pricewaterhousecoopers, Bertelsmann und Co.

    Die Linke bei max. 10 % zu halten, scheint ja auch die primäre Hauptaufgabe vieler anderer »Linker« zu sein... :P Ein Linker, der linke Politik betreibt, darf von mir aus auch »Dienstwagen« fahren. Mit 10 % Stimmen im Rücken kann man aber nun mal nicht so viel fordern wie mit 40 oder 50 %; damit ist aber manch Pipi-Langstrumpf-Hirn einfach überfordert...

  4. Die Politiker und Superreichen kommen aber immer schön davon...Wie lange müssten die eigentlich ins Gefängnis?So lange leben bestimmt gar nicht mehr.Naja...
    Letztens hatte ich bei »Focus« oder so auch mal irgendetwas kommentiert,wo es um Gefängnisse ging und war sehr kritisch-wurde natürlich nicht veröffentlicht.Aber wir haben ja »Meinungsfreiheit«...

  5. Durch dieses Gefängnissystem schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe. Diese Gesellschaft beruht auf Ausbeutung und Unterdrückung. Abgesichert mit einem Rechtssystem, welches dem römischen Sklavenhalterrecht entsprang, in dem es kein Menschenrecht gab. Nicht Wiedergutmachung, Gnade und Barmherzigkeit bzw. Weisheit stehen im Mittelpunkt, sondern Rache. Eine Schwachstelle der Zivilisation, ein Grundsatz der Unterdrückung.
    Das System fungiert als Disziplinierungsmaßnahme für Straftäter und gleichzeitig als Prophylaxe für die anderen Menschen der Gesellschaft. Falls diese aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und sich weigern, Ausbeutung und Unterdrückung weiter zu ertragen, wissen sie, wohin das führen kann.

  6. Im Grunde hat man in D halt auch erkannt, dass klassischer Strafvollzug einfach zu teuer ist; da der Staat (wenn nicht von vornherein entsprechend viel Schmiergeld fließt) auch den Privaten nicht wahl- und endlos Geld in den Rachen schmeißen will. Wie sollten sich da die Michels sonst noch regelm. über unsere vermeintlich verweichlichte »Kuscheljustiz« aufregen...!? ;)

    Daher hat man in D auch sowas wie Hartz IV empfunden. Das ist im Grunde das Gleiche — sogar ein deutlich schärferer Strafvollzug — nur spart man sich die Immobilien und kann das Ganze noch unter »Freiheit« verbuchen; sieht hübscher aus als das unverblümte System in den USA...

    Ganz in die Richtung geht da ein Blogbeitrag, den ich über das Telepolis-Forum (zu einer Meldung über die Nichtherausgabe von Jobcenter-Telefondaten) gefunden habe.

  7. @ Dennis82

    Den »Staat« als selbstmachendes oder selbstdenkendes Etwas gibt es nicht. Er ist eine Organisationsstruktur im Auftrag der finanziell Mächtigen. Als solche hält er alle seine Bürger in Gewahrsam. Unter dem Deckmantel der »sozialen« Umschichtung kassiert diese Organisation Steuern und Abgaben. Der eigentliche Kern dieser Zahlungen ist aber nicht die »Umschichtung«, sondern die Zahlung von Zinsen an die »Geldgeber«. Diese Schulden kommen daher, weil sich die Organisation »Staat« vorher Geld bei ihnen lieh, um gemeinschaftliche Anliegen zu finanzieren, die aber auch allein von der Gemeinschaft geschaffen wurden und werden.
    Wenn die Gemeinschaft der Schaffenden aufwacht und auf die Idee kommen sollte, dass sie das Geld der finanziell Mächtigen nicht benötigt, weil sie selbst die alle Werte erschafft, und sich für ein eigenes Geld entscheidet, dann wird sich auch der »Staat« komplett verändern. Er könnte, kluge Entscheidungen vorausgesetzt, vom Feind der Bürger zu deren Freund werden, welche dann frei entscheiden, was für einen »Staat« sie überhaupt wollen. Vom »offenen Vollzug« in die Freiheit.

  8. @Carlo: Zum Begriff »Staat« hat so ziemlich jeder eine andere Meinung; grade ja unter Linken. Darüber zu diskutieren, hat sich im Laufe der Jahre als vollkommen sinnfrei erwiesen... ;) Ich halte »den Staat« einfach nur für ein wertneutrales »Werkzeug« (oder ne Art »gesellschaftliches Betriebssystem«), welches ausdrücklich nicht nur im »Auftrag der Mächtigen« (sondern auch für deren Entmachtung; siehe teilw. Südamerika oder auch Russland) verwendet werden kann. Das deckt sich ja im Grunde auch mit dem, was du als Wandlung vom »Feind« in einen »Freund« beschreibst. Die gegenwärtige Ausprägung ist natürlich — da gebe ich dir völlig Recht — größtenteils für den Ar...! Die von einigen favorisierte totale Anarchie halte ich halt auch für keine erstrebenswerte Gesellschaftsform; sehe sie gar nur als konsequente Fortentwicklung des gegenwärtigen Systems...

  9. oh man, das ist so schlimm, ich könnt kotzen.

    vor über 10 Jahren hab ich mal ein Feature im DLF darüber gehört. Da gings um die Überfüllten Gefängnisse und deren Profiteure.
    Die »Drogenproblematik« ist doch wunderbar. Sehr sehr viele sitzen wegen dem Besitz von ein paar Gramm Gras ein, teilweise Jahrelang. Da ist und war die Legalisierung ne Katastrophe. Weiterhin wurde im Feature angesprochen, die Vereinigung der Gefängnisswärter, die auch Null Interesse an legalem Gras oder Strafvermeidung haben, ein recht grosser PAC waren. Ob das heute noch so ist, weiss ich nicht, damals haben die wohl den Wahlkampf schon mitbestimmt.

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