Wort. Wert. Wirkung.

cola_titelWerbung kann in unsere Gedanken tröpfeln, unsere innere Ruhe zersetzen oder auch unser Unterbewusstsein manipulieren. In der Regel ist sie jedoch verdammt dämlich, sinnbefreit und kontextlos. Häufig werden positiv besetzte Begriffe aus dem Assoziations-Baukasten verwendet, Plastikbuchstaben und Gummiwörter eingesetzt sowie Worthülsen-Domino gespielt. Ganz ähnlich wie in der Politik. Dennoch halten sich nicht wenige PR- und Marketing-Soldaten für extravagante, kreative Zeitgeister, die stolz von sich behaupten, dass sie mit der Sprache jonglieren und Kunstwerke produzieren würden.

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Was will uns beispielsweise dieses Plakat sagen? Nur diejenigen, die sexy sind und nicht diejenigen, die durch weniger Kalorien vermeintlich sexy werden wollen, dürfen Coca Cola Light trinken? Sexy seien nur diejenigen, die wenig Kalorien zu sich nehmen würden, also vermeintlich schlank seien? Oder steht sexy hier doch als Synonym für übergewichtig und dick? Warum braucht man dann aber weniger Kalorien, wenn man als dicker Mensch doch sexy ist (und es vermutlich auch bleiben will)? Soll der Satz womöglich indirekt zugeben, dass die normale Coca Cola Zuckerwasser ist und fett macht? Ob das wirklich im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit wäre? Oder bezieht sich das Adjektiv sexy überhaupt nicht auf die Figur, sondern will nur alle Menschen ansprechen? Was ist aber, wenn sich viele gar nicht als sexy empfinden? Wurde dann nicht die Zielgruppe verfehlt?

Soviele Gedanken und Fragen haben sich die Verantwortlichen »Kreativen« vermutlich nicht gestellt. Ich schätze, sie haben sich gedacht: »Hey, wir müssen die Marke Cola irgendwie mit Sex und Erotik in Verbindung bringen, denn das ist cool!« Solche Sprachvergewaltigungen erzeugen bei mir jedoch eine unangenehme Hirnblutung.

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Mehr was? Mehr Nikotin? Mehr Raucherlunge? Mehr Lungenkrebs? Mehr Kippen auf den Straßen? Mehr Rauchgestank? Mehr Freiheit (und weniger Rücksicht auf Mitmenschen) durch ungezügelten Drogenkonsum? Mehr Mundgeruch?  Und schon wieder ein: »Für alle, die...«. Zwar gibt es nach der Kommastelle immer eine vermeintliche Einschränkung, letztlich sollen sich aber doch alle Verbraucher angesprochen fühlen. Denn wer will nicht sexy sein oder mehr wollen? Der suuuper-kreative Trick ist, im Vorfeld keine konkrete Zielgruppe (denn darum dreht sich ja alles im Marketing: Zielgruppen) festzulegen, sondern die Konsumenten sollen sich selbst durch sexy und mehr wollen dazugehörig fühlen. Damit so eine vermeintliche Verbindung zwischen Produkt und Individuum entsteht.

Je länger und intensiver man sich mit Werbeplakaten beschäftigt, desto mehr muss man Aldous Huxley zustimmen, als er die These aufstellte, dass Werbung letztlich nichts anderes sei als: »kommerzielle Propaganda«.

»Die Bilder werden schon bei ihrer eigenen Produktion nach den Standards des Verstandes vorzensiert, dem gemäß sie nachher angesehen werden sollen. Die Wahrnehmung, durch die das öffentliche Urteil sich bestätigt findet, war von ihm schon zugerichtet, ehe sie noch aufkam.«

- Max Horkheimer/Theodor W. Adorno. »Dialektik der Aufklärung«. Fischer 2010. Originalausgabe: New York 1944. S. 91

3 Gedanken zu “Wort. Wert. Wirkung.

  1. »kreative Zeitgeister«

    Eine Mär , die auch in der Linken weit verbreitet ist , und vielleicht sogar ein Einfallstor ist für die vielkritisierte Gentrifizierung.

  2. Flower Power PopUp Cola — alles ist in Afri-Cola!

    Kann sich noch jemand an die Sequenz aus einem Asterix-Heft erinnern? Eine Szene auf dem Markt, zwei Wildschein-Händler betreiben Werbung.
    »Wildschweine«
    »Frische Wildschweine«
    « ... etwas später ...«
    »SCHÖÖÖÖNEEE FRIIISCHEEE WIIILDSCHWEIIINÄÄÄÄ!!!!«

    Ein schönes Beispiel, wie Werbung eskalieren kann. Wenn ich schreibe, dass ich »Wasser in einem iMer« trage, weiß jeder, der das versteht, dass auch er schon werbeverseucht ist.

    Hitler war übrigens auch Vegetarier. Beethoven war eines von 9 Kindern einer syphilitischen Mutter und eines Alkoholikers.

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