Kinder in Deutschland; Teil 23: Konsum

Deutschland ist in vielen Gesellschaftsbereichen ein kinderfeindliches Land. Bei Bewerbungsgesprächen werden Frauen immer noch gefragt, ob sie Kinder wollen oder gar welche haben. Alleinerziehende Mütter rutschen meist in die Armutsfalle. Laute, spielende oder auch weinende Kinder in der Öffentlichkeit gelten oft als anstrengend. Um Kindertagesstätten werden Lärmwände gezogen. Nachbarn beschweren sich über laute Kinder und wer mehr als drei Kinder hat, hat es schwer, überhaupt eine Mietwohnung zu finden. Auch politisch werden weder für Kitas, noch für Erzieher ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Da schenkt man lieber den Banken 500 Milliarden Euro. Bei einer Sache jedoch, sind Kinder stets willkommen: beim Konsum.

Welche Wirkung Marken ausüben, hat Naomi Klein in ihrem Buch »No Logo« ausführlich beschrieben. Auf Kinder bezogen, dürfte die Macht der Marke und des Franchise noch um ein vielfaches größer sein, als auf Erwachsene. Kindern fehlt die Lebenserfahrung, die Fähigkeit der Analyse und sie haben noch einen leicht-gutmütig-naiven Blick auf die Welt. Das machen sich Unternehmen und große Konzerne zunutze, indem sie ihre Produkte kindgerecht produzieren und präsentieren. Ein Beispiel für die große Franchise-Macht auf Kinder ist »Cars« von Walt Disney. Fast jeder Junge zwischen drei und sechs Jahren zeigte hier in den letzten Jahren eine große Begeisterung für den roten »Lightning Mcqueen«. Das Merchandising von »Cars« ist riesig: Rucksäcke, Zahnbürsten, Pappteller, Schokolade, Schlafanzüge und vieles mehr.

Unter anderem »Cars«-Spielzeug sorgte für Zuwächse im Bereich Verbraucherprodukte. Der Umsatz wuchs um 13 Prozent auf 685 Millionen Dollar, das operative Ergebnis stieg um 32 Prozent auf 155 Millionen Dollar.

- n24.de

Als Konsumenten sind Kinder stets willkommen, auch wenn natürlich die Eltern zahlen. Insofern muss das Marketing bei Kinder-Produkten meist beide Zielgruppen ansprechen: Kinder und Eltern. Plakate mit Kindchen-Schema-Persönlichkeiten, Süßigkeiten in Regalen, die auf Kinderhöhe positioniert sind und überall Tiere als Identifikationsfiguren. Überhaupt scheinen Tiere das Marketing-Argument für Kinder zu sein. Kinder identifizieren sich mit Tieren, erkennen durch sie menschliche Eigenschaften und bekommen dadurch Werte vermittelt: wie beispielsweise der starke Bär, die flinke Maus, die schlaue Eule oder die hinterhältige Schlange.

Kinder gelten im neoliberalen, ökonomischen Rational-Choice-Denken oft als Kostenfaktoren, genauso wie Erwerbslose. Beide Gruppen werden für den Produktionsprozess nicht benötigt, wohl aber als Konsumenten. Denn riesige Industrien leben von ihnen. Bei Kindern sind das die Spielzeugwaren- und Süßigkeitenhersteller, Walt Disney, Spielemax, toys »R« us, Ikea und viele mehr. Bei Erwerbslosen sind das die Weiterbildungsindustrie, private Arbeitsvermittler, Jobcoacher, Bewerbungsratgeber und so weiter.

Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, Konzernen, Organisationen und Dienstleistern, die sich auf die Zielgruppe von Babys, Kleinkindern, Kindern und Eltern spezialisiert haben. Sie alle wollen meist keine Mitarbeiter, die Eltern sind, wohl aber das Geld der Mütter und Väter, die ihre Geschäfte betreten.
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Eine Zusammenfassung der ersten zehn Teile der Kinderserie ist auf www.zeitgeistlos.de zu finden. Alle bisherigen 22 Folgen können im ZG-Blog in der Rubrik Kindheit gefunden werden.

3 Gedanken zu “Kinder in Deutschland; Teil 23: Konsum

  1. @epikur

    Ich will mich mal ausdrücklich und heftig bei Dir bedanken für Deine vielen immer wieder nachdenklich machenden Artikel!!einself!!

    Vielen Dank!

  2. Danke dafür.

    Und wie Naomi Klein schon sehr gut beschrieb, ist auch die Schule inzwischen kein geschützter Ort mehr :-( Zwar noch nicht in dem Ausmaß wie in USA, aber dennoch, wir haben zum Thema Stromerzeugung eine von EON gesponserte Broschüre bekommen, die als prüfungsrelevantes Material unseren Grundschülern zur Verfügung gestellt wurde und regelmäßig bekommen wir »Gänsefüßchen«, da werden Bücher günstig verkauft.
    Nicht dass etwas gegen Bücher spräche, aber muß das in der Schule stattfinden? Der Konsumdruck ist enorm, gerade weil die Kinder hier auch sehen: die anderen bekommen was, warum also ich nicht?

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