Zweisamkeit lohnt sich nicht!

Daniele Sartori von flickr

Gehören Sie zur, in Nordeutschland und in den Großstädten gar nicht so seltenen, Gattung der Sozialschmarotzer? Liegen Sie gern in der sozialen Hängematte und den anderen auf der Tasche? Müssen Sie sich ständig rechtfertigen, warum Sie denn keine Lohnarbeit hätten? Schämen Sie sich manchmal zu den gesellschaftlichen Verlierern zu gehören? Haben Sie Beziehungs- und Geldprobleme? Dann ist der folgende Ratgeber vielleicht genau das Richtige für Sie!

Zunächst einmal müssen Sie die Hartz — Reformen von einer völlig anderen Perspektive betrachten: es ist kein Gesetz, dass Menschen demütigt, entwürdigt oder zu Bettlern macht – das ist linke Gutmenschen-Propaganda! Nein, ALG 2 befreit! Es befreit Sie von jedweder sozialen Bindung oder Verantwortung. Leben Sie endlich in völliger Freiheit!

Sicher haben Sie schon gemerkt, dass Menschen sich weniger für Sie interessieren, sobald Sie Ihnen sagen, dass Sie keine Lohnarbeit haben, oder? Nein? Testen Sie es einmal! Gehen Sie einmal auf eine Party, ins Museum, ins Stadtzentrum oder ins Kino und zeigen Sie allen Menschen ganz stolz Ihren ALG 2 – Bescheid! Achten Sie nun auf Blicke und Kommentare. Sie werden sehen, kaum jemand möchte etwas mit Ihnen zu tun haben. Das ist jedoch kein Grund zum verzagen, schließlich lebt sich’s alleine doch am besten!

Eine Liebesbeziehung schminken Sie sich gleich ganz ab! »Möchten Sie mit mir in einer Bedarfsgemeinschaft leben?« – soviel Verbalerotik lässt jeden erröten. Sie müssen das Ganze auch realistisch und wirtschaftlich pragmatisch sehen! Mit den paar Kröten vom Amt, was können Sie da ihrem Partner, Ihrer Partnerin schon bieten? Charakter haben, liebenswürdig sein, einfühlsam, intelligent, humorvoll — alles schön und gut, aber davon kann sich niemand was kaufen, oder?

Große Unternehmungen oder regelmäßige Restaurantbesuche können Sie sich auch schenken. Wozu auch das Ganze? Zuhause auf der Couch vorm Fernseher ist es doch eh am Schönsten, oder? Und Beziehungen kosten sowieso nur Nerven! Bleiben Sie allein, gründen Sie keine Familie und setzen Sie erst Recht keine Kinder in die Welt! Die kosten nur Geld, dass Sie nicht haben. Und die herrschenden Eliten werden es Ihnen danken, denn Hartz4-Kinder kosten mehr als sie in Zukunft jemals einbringen werden!

Zweisamkeit lohnt sich nicht! Bleiben Sie allein und genießen Sie die soziale Isolation!

14 Gedanken zu “Zweisamkeit lohnt sich nicht!

  1. Exakt das ist es was sie wollen:
    Isolation.

    Wer in einer annonymen Bettenburg versauert im Niemandsland und vor der Glotze hängt, der wird niemals »auf die Straße gehen«.

    In der VR China hat man das auch schon begriffen und auch schon angefangen die ganzen wunderschönen alten Hinterhöfe abzureißen, wo man Konspiration vermutet hat, denn die Leute dort haben sich gekannt und in so einem schönen Hinterhof trifft man sich mal am Abend und es kommt auf den Tisch, was auf den Nägeln brennt.
    Dann haben die Chinesen .. die Regierung der Chinesen lieblose Plattenbauten auf die grüne Wiese gestellt (hieß bei uns »sozialer Wohnungsbau) was nebenbei auch noch den Bauboom ausgelöst hat. Egal...
    Und nun wollen die dort wie bei uns die Menschen spalten, entsolidarisieren und zu grauen Mäusen machen...

    Man schaue sich nur mal die Städte an! Hässlich
    und der STadtRAND?? noch hässlicher!!

    Alles gewollt.

  2. So ist es ! Isolation heißt das Planungsziel. Und zwar aller, die es sich finanziell nicht leisten können diesem gewollten Kalkül der Finanzelite zu entgehen.

    Wer genug Kohle hat kann sich ja Freundschaft, Anerkennung, Zuwendung, Sex, Nachhilfe, Liebe und Eintrittskarten in Internate, teure Clubs und in die High Society kaufen....ja, das nenn ich Neoliberalismus in toto !

    Gleichzeitig werden wir eingelullt mit Freiheit, Freiheit, Freiheit............

    Noch eins: Isolations-Folter ist Tötung auf Raten !!!

  3. @Nordlicht

    ganz richtig, die Perspektive ist jedoch entscheidend:

    wenn ich der Henker bin, ist es Satire — bin ich aber der Gehenkte, ist es bitterer Ernst, eben Lebensrealität/Todesrealität...

  4. Schöner und trauriger Text über eine grausliche Realität, die
    Zweisamkeit und jegliche denkbare Paarbildung pervertiert.

    Verpartnerte unter AlgII-Verhängnis erhalten pro Kopf weniger Regelsatz
    als Singles; sollte einer der Partner über ein ausreichnedes Einkommen verfügen,
    muss er u.U. seinen Partner mit durchziehen, weil dessen AlgII-Anspruch gemindert wird oder gänzlich erlischt. Natürlich versucht auch das JobCenter
    mit derartigen Partnerschaften seine fiesen Spielchen. Über dfie Standzeit derartiger Partnerschaften kann gerne spekuliert werden …

  5. Man sollte nicht die Genüsse der Onanie vergessen. Ihre Geheimnisse erschließen sich einem fast ausschließlich in Einsamkeit.
    Divide et impera, der alte Leitsatz jeglicher Herrschaft. Das divide heißt nun vereinzele, trenne sie in ihren Eigenkosmos, devastiere die kollektiven Schemata in ihren Köpfen, verstümmele die sozialen Bindungssynapsen, entsprachliche des Mitsein und verfestige es in Konkurrenzkoordinaten, reize die eigenzentrierten Erlebensstrebungen und enttäusche sie zugleich, um eine Spirale des Lechzens nach egoistischer Befriedigung zu erzeugen, senke die Frustrationstoleranz gegen über anderen, expliziere und destabilisiere Vertrauensbänder, erhöhe die Bedeutung narzsitischer Anteile, sodass jeder andere als der GANZ andere erscheinen muss und ein Band zu ihm und ein Bund mit ihm als das GANZ Unmögliche erscheinen, positiviere dieses zur abyssalen Differenz, zur fundamentalen Diversität, die nur die Menschenrechte schützen, streue Missgunst in die Augen, erzeuge Verdächtigung als soziale Sinnform. Eine Geschichte der Schließung mitseinsbezogener Existenzformen. Wir sind halbierte Menschen. Wenn wir die Seienden der Umwelt mit hinein nehmen, sind wir nur mehr zu einem Drittel Menschen: an sich selbst angeschlossene Staubsauger.

  6. Aber was hilft jammern?
    Die von der Leiharbeit liest unsere Klagen und Zorn eh nicht sondern hockt den ganzen Tag bestimmt auf der egienen Seite ihres unnötigen Ministeriums und drückt F 5 F 5 F 5 ...

    Es ist zum zur Schrotflinte greifen!
    (jawohl herr Innenfritze, das können sie ausdrucken und sich an den Hut stecken)

  7. Kann ich nicht nachvollziehen. An einem schönen Tag rausgehen und sich mal in den Park setzen oder im Biergarten mit anderen Treffen oder mit Freunden ein bissel in der freien Natur bewegen — wo ist das Luxus? Zur Natur kommt man auch aus dem Großstadtghetto mit 3 Euro per S‑Bahn. Oder man läuft in die Natur... das wäre ja auch mal was...

    Wenn mehr so denken würden wäre der Park voll von möglichen Freundschaften. Für Zwischenmenschlichkeit braucht es wirklich kein Geld.

    Die Schuld für die eigene Trägheit sollte man nicht Anderen zuschieben. Die erste gute Tat wäre es den Fernseher direkt aus dem Fenster der Bettenburg zu werfen.

    Das Fernsehproblem habe ich im übrigen überwunden... das geht ganz einfach, wenn man mal drüber nachdenkt welche Mengen an hirnverbranntem Schrott dort serviert wird!

  8. ZeroCool,

    Danke für den Post aus der Welt der Ahnungslosen.

    Selbst diese bescheidenen Freuden sind mit dem Alg II-Regelsatz
    so gut wie ausgeschlossen: das Geld für solche Unternehmungen
    fehlt dann – schmerzlich – irgendwann, spätestens in der letzten
    Monatswoche. Oder soll man sich von den Freunden im Biergarten
    aushalten lassen, nachdem man schwarz S‑Bahn gefahren ist?

    Für Zwischenmenschlichkeit braucht es, wie für alles in dieser Gesellschaft,
    eben doch das bisschen Geld, welches der Regelsatz nicht hergibt!
    Außer man ist der geborene Schnorrer und trifft immer wieder Dumme, die
    das nicht einmal bemerken …

  9. @ZeroCool: Wenn das wörtchen Wenn nicht wär...

    Dann wäre Pofalla ein Dorftrottel.

    Aber die Welt ist nun mal nicht so, wie wir es gerne hätten

  10. »Kann ich nicht nachvollziehen.«

    Das glaube ich dir sofort.

    »An einem schönen Tag rausgehen und sich mal in den Park setzen oder im Biergarten mit anderen Treffen oder mit Freunden ein bissel in der freien Natur bewegen — wo ist das Luxus? Zur Natur kommt man auch aus dem Großstadtghetto mit 3 Euro per S‑Bahn. Oder man läuft in die Natur... das wäre ja auch mal was...«

    Dagegen spricht nichts. Davon abgesehen daß es schon kritisch wird wenn die Freunde dann doch länger im Biergarten verweilen oder noch einen Happen im Restaurant der Wahl essen gehen wollen. Spätestens dann ist man raus. Es sei denn man möchte etwas blenden und dann den Rest des Monats trocken Brot essen.

    »Wenn mehr so denken würden wäre der Park voll von möglichen Freundschaften. Für Zwischenmenschlichkeit braucht es wirklich kein Geld.«

    Wenn ich das jetzt auf Beziehungen anwende: fürs erste Date vielleicht noch nicht. Für alles weitere wird die Finanzsituation und die damit verbundenen Nebenwirkungen allerdings zu einer sehr ernsten Belastung. Und wenn man selbst so etwas wie Verantwortungsgefühl hat, überlegt man sich auch zwei mal ob man Jemand anderem seine Lebenssituation und den damit verbundenen Streß aufbürden möchte.

    »Die Schuld für die eigene Trägheit sollte man nicht Anderen zuschieben. Die erste gute Tat wäre es den Fernseher direkt aus dem Fenster der Bettenburg zu werfen.«

    Den habe ich schon vor acht Jahren entsorgt. ;)

  11. @zerocool

    Für Zwischenmenschlichkeit braucht es wirklich kein Geld.

    Sehr romantisierende, wenn nicht gar naive Vorstellung. Ab einem gewissen Alter schauen ca. 95 Prozent aller Menschen in Deutschland auf die finanzielle Situation des zukünftigen »Lebenspartners«. In der Uni meinte mal eine Studentin: »einen Arbeitslosen würde ich als Freund nicht nehmen!«. Und das war wenigstens noch ehrlich.

    Das vorgegebene verlogene Gequatsche, dass einem Charakter, Humor, Empathie, Intelligenz usw. wichtiger als Geld sei — löst sich bei näherem Kennenlernen schnell in Luft auf. Da wird nach dem Sozialstatus gefragt, wieviel man im Monat verdienen würde, ob man ein Auto habe, wie groß die Wohnung sei, wie oft man in Urlaub fahren würde, wo man seine Kleidung einkaufen geht usw.

    In einer Kaufs- und Verkaufsgesellschaft, in der Geld wie eine Götze angebetet wird, ja zum alles maßgebenden Kriterium geworden ist — zu glauben, dieses würde in zwischenmenschlicher Ebene völlig negiert werden, ist schlicht naiv.

  12. @epikur

    genau so ist es !

    Ich bin auf einem kleinen Dorf in Südniedersachsen aufgewachsen.

    Dort gab es von 2500 Einwohnern vielleicht 10 Arbeitslose, bzw. Gelegenheitsarbeiter, diese waren aus der Dorfgemeinschaft ausgegliedert.
    Nur beim Schützenfest und »Fußball« fanden sie Anschluß.

    So meine Erinnerung an eine Kindheitserfahrung in den 50 und 60ern.

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