Die Methode der Verleugnung

Eines der wohl beliebtesten rhetorischen Werkzeuge in der Politik, ist die Methode der Verleugnung. Tatsachen, Zustände und Gegebenheiten werden einfach als nicht vorhanden abgeschrieben. Das geht meist sogar so weit, dass an die eigene Verleugnung geglaubt wird. Wenn also Müntefering mit dem Zitat »in Deutschland gibt es keine Unterschichten, sondern nur Menschen die es schwer haben« auftrumpft, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass er lügt. Er glaubt an seine eigene Realitätsverleugnung. Auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder glaubte sicherlich an seinen Satz, den er am 5. Juli 2004 in der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« der Nation mitteilte: »Es gibt keine Alternative zu meiner Reformpolitik«. Auch viele Experten die davon überzeugt sind, dass es keine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland gäbe und dass Hartz4 ja eigentlich etwas ganz tolles sei, glauben sehr wahrscheinlich an ihre eigenen Aussagen. Auch Westerwelle ist eher ein Überzeugungstäter, als ein notorischer Lügner.

Es ist eine Sache, gezielt zu lügen und Dinge zu verleugnen. Eine andere ist es, an die eigene Lüge zu glauben. Wie nennt man sowas noch gleich in der Psychologie?

4 Gedanken zu “Die Methode der Verleugnung

  1. Es ist eine Sache, gezielt zu lügen und Dinge zu verleugnen. Eine andere ist es, an die eigene Lüge zu glauben. Wie nennt man sowas noch gleich in der Psychologie?

    hm, kompliziert — die erste sache ist umso überzeugender, wenn die zweite gleichfalls vorhanden ist.

    und sowohl psychologie als auch psychiatrie (beides sind sehr verschiedene, teils in sich gebrochene, und immer noch stark verfeindete disziplinen) kennen das unter verschiedenen namen und in verschiedenen zusammenhängen — ob es nun die sog. persönlichkeitsstörungen (wie narzissmus etc.) sind, oder aber soziopathen aka als-ob-persönlichkeiten — die simulativen anteile und eigenschaften sowie ihre konsequenzen im sozialen leben in und unter menschen sind — aus meiner perspektive — immer noch größtenteils unbegriffen.

    und direkt zur frage: ich finde, dass einiges dafür spricht, solche leute als radikale konstruktivisten zu bezeichnen — schliesslich gibt es in diesem weltbild so etwas wie lüge von vorneherein nicht mehr — siehe auch meine anmerkungen hier.

  2. Na, ich würde das einfach mal als simplen Selbstbetrug verorten, der in jedem von uns selber mitwohnt, und nicht nur Politiker betrifft. Die Kunst die Dinge so sehen zu wollen wie man sie sich wünscht, beinhaltet automatisch auch die Ausblendung von Dingen die dagegen sprechen könnten. Ufologen und Ideologen haben vieles gemeinsam, und eine Art Lebensideologie oder Glaubensvorstellung bastelt sich jeder. Die Psychologie z.B. hat selber das Problem, das sie jahrzehntelang fehlende Grundlagenforschung heute noch ausblendet. Die Bezeichnung »radikale Konstruktivisten« von @mo gefällt mir sehr, behaupte aber das es jeden betrifft, und der Gebrauch lediglich mit dem Bedarf steigt. Wir leben schließlich in einer Welt wo jeder was zu verkaufen hat. Und da es als normal empfunden wird, das »alle« Politiker heute Diplomaten sind, ist die Akzeptanz des »Ausblendens« hier auch besonders hoch.

  3. »Radikale Konstruktivisten« klingt passend.

    Die Frage die sich mir stellt, ist dann, was wir mit diesem »Befund« anstellen? Wird es jemals möglich sein, Politiker oder Experten zu haben, die die Dinge so sehen wie sie sind? Und nicht, wie sie sie haben wollen? Wie können Volksvertreter dann jemals das Volk wirklich vertreten, wenn sie stets an die eigene Realitätsverleugnung glauben bzw. einem subjektiven radikalen Konstruktivismus erlegen sind?

  4. Gute Frage. Ich weiß nicht wie andere das sehen, aber für mich sind Politiker nur so gut, oder schlecht wie das Volk was sie in seiner Gesamtheit vertreten. Andererseits haben sie die Möglichkeit Vorbilder zu sein. Schwierig. Deshalb profiliere ich Vielfalt und Unterschiede, weil nur dadurch so etwas wie Sicherheit entsteht, das mittels dieser Ausblendungen keine gefährlichen Mainstreams entstehen. Das was Westerwelle treibt, treibt ja auch ein Großteil der Bevölkerung. Wo hier zuerst die Henne, oder das Ei war, ist kaum noch nachzuvollziehen. Die Alternative wäre ein Mainstream der sich der Reduzierung des Selbstbetruges verschreibt. Das kann durch die Bevölkerung durch Druck auf die Politik geschehen, aber auch durch Vorbilder in der Politik. (Und natürlich durch solche blogs ;-)

    Was man nicht ausblenden sollte, ist die Akzeptanz von Unterschieden und des Umstandes, das es so etwas wie den perfekten Menschen nicht gibt, — was auch ergibt, das es niemals ein Optimum, das perfekte System, oder die perfekte Weltanschauung gibt. Und genau da, hab ich zur Zeit meine meisten Befürchtungen. Vielleicht einfach etwas weniger Lenkungs‑, und Steuerungswillen, — wäre mal ein echter Fortschritt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.