Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (11)

(Teambesprechung 1)

Chefin: »Gibt es noch weitere Anliegen?«

Frau Müller: »Ja. Es müsste sich noch jemand um unseren Großkunden Herr Schabanowski kümmern. Und die Kaffeeküche müsste mal aufgeräuumt werden.«

Chefin: »Ok. Wer kann sich um den Großkunden kümmern?«

(Betretenes Schweigen. Alle schauen und ducken sich weg.)

Chefin: »Wer kann die Kaffeeküche in Ordnung bringen?«

(Betretenes Schweigen. Alle schauen und ducken sich weg.)

Chefin: »Frau Müller, da sich sonst Niemand findet, würden Sie die Aufgaben dann übernehmen?«

Frau Müller: (falsches Lächeln) »Ja, sehr gerne sogar!«

(Teambesprechung 2)

Chefin: »Gibt es noch weitere Anliegen?«

(Betretenes Schweigen. Alle schauen und ducken sich weg.)

Chefin: »Nun gut. Dann schließe ich für heute die Teamsitzung!«


Chefin: »Wer verabschieden heute unseren lieben und langjährigen Mitarbeiter Sven, der nach rund 40 Jahren Betriebszugehörigkeit in seine wohlverdiente Rente gehen wird.

(alle klatschen, lächeln und freuen sich mit ihm.)

Sven: »Ich danke euch!«

Chefin: »Moment! Ich habe da auch noch was für Dich!« (Sie überreicht ihm voller Stolz einen Blumenstrauß mit einem kleinen Umschlag. Dort ist ein Karstadt-Gutschein im Wert von 20 Euro enthalten.)

Sven: »Danke!«



Frau Müller: »Wir haben alle Aufgaben erfüllt! Dürften wir heute vielleicht etwas früher gehen?«

Chefin: »Wurde das Büro schon geputzt?«

Frau Müller: »Heute morgen.«

Chefin: »Der Boden im Flur und in der Kaffeeküche gesaugt?«

Frau Müller: »Das habe ich gerade eben erledigt.«

Chefin: »Die Fenster und Tische gewischt?«

Frau Müller: »Das hat der Sven vor einer Stunde gemacht.«

Chefin: (im bestimmten Ton) »Dann macht eben alles noch mal!«


»Aber mein Chef braucht mich!«
»Der tägliche Lohnarbeitswahnnsinn 1–10«

4 Gedanken zu “Der tägliche Lohnarbeitswahnsinn (11)

  1. Dies wird bald der Vergangenheit angehören.
    Es wird ersetzt durch »Vertrauensarbeit«. Das heißt keine feste Arbeitszeiten (Frau Müller könnte gehen)
    Es führt dazu, dass die Arbeitnehmer mehr arbeiten als die vereinbarte Arbeitszeit, dafür aber keine Überstunden mehr abrechnen können.
    Schöne neue Welt!

  2. Es führt dazu, dass die Arbeitnehmer mehr arbeiten als die vereinbarte Arbeitszeit, dafür aber keine Überstunden mehr abrechnen können.

    Das ist keine Perspektive, dafür aber ne Retrospektive. Formal läuft das schon seit vorigem Jahrtausend unter Labeln wie »Kernarbeitszeit« für Jobs in Büros oder im Handel, für die Malocher aufm Bau und in der industriellen Produktion heißt sowas »Arbeitszeitkonto«.

    Dabei geht es nicht um »Überstunden«, sondern von vornherein um unbezahlte Arbeit in Büro und Handel bzw. ums »Freistellen«, wenn die Produktion grad partiell stillgelegt werden muss oder aufm Bau wetterbedingt nix geht.

    Die wg. »Pandemie« geänderte, »erleichterte Kurzarbeiterregel« beinhaltet bspw., dass der Staat die »Sozialabgaben« bei Kurzarbeitergeld übernimmt und dergestalt »Unternehmen entlastet«

  3. @Kakapo3 @Samson

    Auf dem Vormarsch sind auch »Zielvereinbarungen« statt die Vorgabe von schnöder Arbeitszeit. Du kannst es Dir alles zeitlich selbst einteilen, total flexibel sein, selbstbestimmt agieren. Nur zum Tag X muss das Ergebnis/Produkt X fertig sein. Klingt für viele sehr verlockend. Ist aber häufig eine Falle, da man insgesamt viel mehr arbeitet, als bei einem regulären 9 to 5 Job.

  4. Vertrauensarbeitszeit, Zielvereinbarungen, Flexibilität, Eigeneinteilung sind die Vokabeln mit denen die Retrospektive (Samson) verkauft wird.
    Netter Nebeneffekt: Wenn jemand mit seiner Arbeit nicht fertig wird, ist dass die Schuld des Arbeitnehmers, da er sich halt die Zeit richtig einteilen muss.

    PS: 9 to 5 Jobs sind absolut verpönnt in der schönen neuen Berufsberaterwelt. Das ist die völlig falsche Einstellung. So wird das nichts mit der ersten Million (für den Arbeitgeber).

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