Reise in die Vergangenheit

Die Gegenwart ist trist, düster, depressiv. Orwell, Kafka und Huxley hatten Recht. Um diesen Irrsinn seelisch zu überstehen, brauchen wir viel Resilienz, Eskapismus und ein wenig Nostalgie. Ich will heute eine kleine persönliche Reise in meine eigene Vergangenheit starten und euch dabei mitnehmen. Welche Filme, Spiele, Bücher und Lieder haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen?

Mittlerweile mehr als 60 Millionen Aufrufe. Jonathan Davis hat den Zeitgeist einer ganzen Generation aufgefangen. Die Wut, den Frust und die Ohnmacht. Das Lied war für mich immer wie eine heilsame Therapiestunde:

Bis heute ein absoluter Klassiker. Die Kamerafahrten, der Score und die Atmosphäre sind immer noch unerreicht. Ich habe ihn schon mehr als 10 mal gesehen und er wird nie langweilig. Allein die ersten drei Minuten sind legendär. Der Bass zieht einem die Schuhe aus. Übrigens: so schreibt man starke Frauencharaktere! Geht mir weg mit Rey aus »Star Wars«, Ms. Marvel oder den anderen radikalfeministischen »Mary Sues«.

»Die Kunst des Liebens«, »Haben oder Sein« oder auch »Die Furcht vor der Freiheit« von Erich Fromm, haben mich alle sehr beeinflusst. Sein tiefsitzender Humanismus, seine Mitmenschlichkeit und seine messerscharfen Analysen über Mensch und Gesellschaft waren vor 50 Jahren aktuell und das sind sie heute immer noch:

Der erste Teil von »Deus Ex« kam vor rund 20 Jahren raus und war ein feuchter Traum der Transhumanisten. Das Spiel war nicht nur sehr unterhaltsam, sondern durchzogen von zynischer Gesellschaftskritik. Die Nachfolger sind allesamt nicht wirklich schlecht, trauten sich aber häufig nicht, genauso deutlich und bitterböse zu sein. Das Spiel hatte damals nicht nur meinen Geist geschärft, sondern mir auch viele Nächte geraubt:

Mittlerweile sehr bekannt, aber damals beim ersten Album noch ein echter Geheimtipp: »System of a down«. Live leider nicht so toll. Zwei mal war ich in Berlin auf einem Konzert. Ist und bleibt eine Wucht. Da passt einfach alles. Für mich die würdigen Nachfolger von »Tool«.

Kaum ein Film hat den Wahnsinn des Krieges so gut eingefangen, wie »Apocalypse Now«. Der Ritt in das Herz der Dunkelheit des Menschen ist so gut gemacht, dass er bis heute seine Wirkung zeigt. Ja, er hat Längen und ist keine leichte Kost. Als Kind bin ich eingeschlafen. Mit Anfang Zwanzig war ich geflasht.

Ich habe lange gebraucht, um »Minima Moralia« und »Die Dialektik der Aufklärung« von Adorno und Horkheimer zu verstehen. Danach war ich ‑ungelogen- ein anderer Mensch. Die Horizonterweiterung ist und bleibt immens. Auch diese Werke bleiben hochaktuell: »Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.«

J. Michael Straczynski war ein Pionier. Er hatte eine zusammenhängende Geschichte geschrieben, die über 5 Staffeln gehen sollte. Charaktere entwickelten sich und nahmen Bezug auf vergangene Ereignisse. Was heute ganz normal klingt, war im Jahr 1993 für die Studiobosse ein fast undenkbares Risiko. »Babylon 5« gehört für mich bis heute zu den besten Serien. Drehbücher, Dialoge, Dramaturgie — haben mich nachhaltig geprägt. Keine Serie habe ich so oft gesehen. So werden tolle Frauencharaktere geschrieben und glaubwürdig in Szene gesetzt:

Auch »Thief 2« (eindeutig der beste Teil der Reihe!) hat mich damals nicht mehr los gelassen. Die Immersion und die Atmosphäre waren einzigartig. Man ballert sich eben nicht durch die Levels, sondern muss schleichen, leise agieren, lauschen und sich im Schatten verstecken. Hier wurde eine Kulisse aufgebaut, die einen hervorragenden Eskapismus ermöglicht hatte. Der schnöde Alltag war komplett vergessen.

Und wie es sich für anständige Nostalgie gehört, zum Schluss noch ein 10 Jahre altes Foto inklusive Cat Content und Schlamm-Maske!

7 Gedanken zu “Reise in die Vergangenheit

  1. Eine sehr interessante Zusammenstellung und bestätigt, warum ich hier ständig mitlese. Alle Filme, Bücher und die Musik finde ich gut und wichtig. (Bei Spielen bin ich ein unbeschriebens Blatt, vieleicht hole ich das irgendwann nach und beende den Mangel).
    Bei Adorno stört mich zwar sein Kuturpessimus (Der Mann hatte nun wirklich überhaupt keine Ahnung vom Kino), er hatte dennoch viele wichtige Gedanken, Herbert Marcuse beindruckte mich aber mehr.
    Um sich in diesen schweren Zeiten, an alte Zeiten, Kämpfe und Gedanken zurückzuerinnern, hier meine Top3 bei Filmen und Texten:
    Film:
    Brazil, UK 1985, Terry Gilliam:
    https://www.youtube.com/watch?v=ZKPFC8DA9_8
    Düstere Gesellschaftskritik, die weder in der Vergangeheit, der Zukunft noch in der Gegenward spielt, filmtechnisch interesant, weil zwei Handlungstränge begonnen werden und drei beendet. Robert deNiro als rebellischer Klempner.
    Reflecting Skin (Schrei in der Stille), UK, CD 1990, Philip Ridley
    https://www.youtube.com/watch?v=rvmHOGhHBQM
    Kaum ein Film zeigt das Leben so schonungslos ehrlich, wie es ist: Scheiße. (OK jetzt nicht so aufbauend, aber es gibt halt einen Grund für den Widerstand)
    Sciuscià (Schuhputzer), It 1946, Vittorio de Sica
    https://www.youtube.com/watch?v=N507yZBtgEQ
    Ein Klassiker, der zeigt wie Kinder durch die Gesellschaft fertig gemacht werden, der aktuellste Film der drei.
    Nun noch drei Texte:
    Leo Trotzki »Ihre Moral und unsere«
    https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/moral/moral.htm
    Jedes Wort passt auf die heutige Situation.
    Doris Lessing »The Golden Notebook«
    https://de.wikipedia.org/wiki/Das_goldene_Notizbuch
    In Zeiten, da der Feminimus sowohl mainstreaming als auch konservativ geworden ist, lohnt es sich die grundlegenden Werke wieder zu verinnerlichen.
    Umbert Eco »Kant und das Schnabeltier«
    (nur kommerzielle Links)
    grundlegendes Werk zum Verständnis von Diskursen.
    Alle drei Autoren waren in einer kommunisten Partei und alle drei haben diese wieder verlassen (müssen). Ich bitte die Einseitigkeit zu entschuldigen.
    (Leider kein Katzenbild).

  2. Huh, nostalgische Anwandlungen? Na, da bin ich auch dabei.
    Computerspiele: mein erstes eigenes, ›Shattered Steel‹. Mechaction a la Mechwarrior, hatte sogar ne Hintergrundstory über privatisierte Kriegführung, eine Erde aus Konzernstaaten nach dem Atomkrieg Indien gegen China — naja, dafür musste man halt die Anleitung lesen.
    Musikalisch — Korn waren nie meins. Vielleicht Doppelkorn, soll in der aktuellen Lage auch ab und zu hilfreich sein ;-)
    Das »Kings of Metal« — Pathos der alten Manowar war und ist da schon eher meins — ich bin halt auch filmisch eher für »Conan der Barbar«.
    Umberto Eco lesen geht auch immer. Kann aber noch Michael Niemi »Das Loch in der Schwarte« empfehlen. Wer SciFi im Stil von Lems »Sterntagebüchern« oder Douglas Adams mag, sollte mal reinlesen, bei Gelegenheit.

  3. @epikur...der gig (j davis) ist ja hammer!
    leider bin ich des englischen nicht mächtig genug, um den text ausreichend zu verstehen.
    gibt es eine übersetzung?

    ich bin kein großer musik-auskenner und mit 57 gehört ihr stil nicht so unbedingt zu dem, was ich gewöhnlich höre...

    aber kate tempest — auch hier verstehe ich leider viel zu wenig — hat uns eine menge zu sagen?

    https://www.youtube.com/watch?v=QSVyyykaEOo

    danke fürs tolle blog und eiserne grüße aus berlin!

  4. Für mich war »THX 1138« oder »Silent running« wegweisend.
    Später dann natürlich »Apocalypse now« aber auch »Butch Cassidy and the Sundance Kid« oder auch »Heavens Gate« und »Die Ausgebufften« (Les Valseuses) mit der Isabelle Huppert, daher meine Vorliebe für rothaarige Frauen.
    Mein PC-Spiel, das ich über alles liebe ist »Fallout 1 und 2«
    Habe damals an der Übersetzung für die Deutsche Version mitgearbeitet.
    Gelesen habe ich früher nicht so viel, außer allem was mit Psychologie und Gesellschaftskritik zu tun hatte.
    Aber auch hier war es 1974 der Bericht vom »Club of Rome« die Texte von »Ulrike Meinhof« und später dann »Schwarzbuch Kapitalismus« von »Robert Kurz« und die mich wirklich geprägt haben.

    Musikalisch natürlich die Stones, Led Zep. Doors, The Who. Pink Floyd, Nektar, Caravan, Soul, Jazz und viele was häufig wie der Blues auch schwarz war.

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