Praktikanten

praktikanten_titelIn vielen Unternehmen und in der Medienlandschaft gibt es ein vorwiegend negatives Bild von Praktikanten: »Das Werbeplakat sieht ja mies aus. Das war bestimmt der Praktikant!« Oder: »Hat man da wieder den Praktikanten rangelassen?« Sie würden zusätzliche Arbeit verursachen und keine Ahnung haben. Dabei muss jede neue Arbeitskraft in die lokalen Rahmenbedingungen, Strukturen, Absprachen, persönlichen Befindlichkeiten und Mentalitäten eingearbeitet werden. Ganz zu schweigen von technischen Methoden. Vor- und Fachwissen kann zwar helfen, die Einarbeitungszeit zu verkürzen, aber ganz ohne wird es nie gehen. Denn ein wesentlicher Bestandteil jedes Unternehmens sind die Mitarbeiter. Und die muss man immer wieder neu kennen- und mit ihnen umgehen lernen.

Davon abgesehen schützt berufliche Erfahrung überhaupt nicht vor Tunnelblick, Alltagsmuff und Innovationsmangel. Vielleicht werden Praktikanten mitunter auch deshalb als Eindringlinge betrachtet, weil sie die verkrusteten, oft wenig effizienten Strukturen und Arbeitsmethoden, durch ihre Neugier und Fragerei unbewusst transparent machen. Insofern sind eben nicht immer die Noch-Lernenden für alle Fehlleistungen verantwortlich, sondern auch die fertigen Menschen im Betrieb.

7 Gedanken zu “Praktikanten

  1. Dabei muss jede neue Arbeitskraft in die lokalen Rahmenbedingungen, Strukturen, Absprachen, persönlichen Befindlichkeiten und Mentalitäten eingearbeitet werden.

    Nicht immer und nicht unbedingt.
    Am 01.08.2016 habe ich bei einer neuen Firma angefangen... am 02.08.2017 war ich eigenständig einsatzbereit.
    Und ich bin kein besonderen Fall, keine seltene Ausnahme.

  2. Moin EPI,
    da sprichst du ein Problem an welches weitestgehend ignoriert bzw. bewusst toleriert wird. »Ach papperlapap, der wird sich schon einfinden, dann soll ihn jemand an die Hand nehmen und einweisen, hahaha.« Da die arbeitende, fachl. qualifizierte Belegschaft »auf Kante genäht« ist, mit Zusatzarbeiten des mittl. & höheren Management dichtgeschissen wird, fällt dieses Einarbeiten, Training on the Job, somit weg.
    Das Ende vom Lied, der Praktikant wird alleine gelassen, baut evtl. Scheiße oder ist aufgrund solcher Zuwendung spitzenmotiviert.
    Ich habe eine mehr als 30 jährige Berufserfahrung mit sog. Praktikanten, bei uns an Bord hießen sie Wehrpflichtige, Unter/-Offiziersanwärter, Kdtén/WO›s und auch mit Schaffung der neuen Laufbahn, PUO›s. Ein Gottesgeschenk, wenn man (bestausgebildet, bestausgerüstet, usw.) in die Einsätze geschickt wird.
    @mauro ich denke nicht das wir hier von Kugelschreiber zusammenbauen sprachen.

  3. @Fluchtwagenfahrer
    Ich bin Qualitätsingenieur und ‑planer in der ‑Elektronikindustrie. Ich rede nicht von Kugelschreiber zusammenbauen (auch weil heute kein Mensch macht das, sondern Maschinen).

  4. @epikur: Naja — man bezahlt den Leuten ja kein Geld. Warum erwarten dann grade die, die wenigstens einen Lohn bekommen dann auch noch »Höchstleistungen«? ;) Es ist ja schon absurd genug, dass es gesellschaftlich überhaupt akzeptiert ist, Menschen 8 Stunden als »Praktikanten« auszubeuten. Wohl auch deshalb funktioniert es in diesem Land so gut mit den 1‑Euro-Jobs. Wir wissen ja: »Hauptsache Arbeit!« Und es wird ja auch als selbstverständlich angesehen, dass man so etwas halt auch zu leisten habe, wenn man denn einen (bestimmten) Job wolle. Gegen Ende der Hauptschule gab es bei uns zwei verpflichtende Betriebspraktika. Ich kam je in nem Bau- und Supermarkt unter. Da buckelte ich mir grade an den Kühlregalen dann 8 Stunden lang die Seele aus dem Leib, während meine »Ausbilderin« im Aufenthaltsraum Kaffee gesoffen hat... Am Ende bekam ich — wow, Wahnsinn — 100 Mark...

    @Mauro: Ist es Absicht, dass da zwischen dem 1. und 2. August ein Jahr (und Letzterer gar in der Zukunft) liegt...? Natürlich bist du als »Qualitätsingenieur und ‑planer« ein »besonderer Fall« und eine »seltene Ausnahme«. Zumal du am 2. Arbeitstag über die Firma und ihre internen Abläufe, die Kollegen, die Projekte und die Kundschaft noch rein gar nichts weißt. Wenn du das Glück hast, so ne hell strahlende Leuchte und Kapazität auf deinem Gebiet zu sein, dass man dich machen lässt, wie du grade lustig bist — schön. Das hat aber nichts mit dem Alltag in Alltagsjobs zu tun. Da kann es Jahre dauern, bis du wirklich »drin« bist.

  5. @Mauro
    Dir sollte schon klar sein, dass da auch Leute mit lesen, die das mit dem zweifelhaften Status vielleicht nicht so wichtig nehmen, sich da aber trotzdem ein wenig auskennen. Qualitätsingenieur ist fürwahr genauso ein weiter Begriff wie z.B. auch Entwicklungsingenieur. Und klar, neben den Einsteigern in fast deckungsgleiche Erfahrungsgebiete, (das Ding mit der profilierten Abgleichung), gibt es auch die fast perfekten Autodidakten, die sich hoch flexibel, hoch optimiert und von null auf hundert direkt eingeben können. Hinter letzterem steckt sogar so etwas wie ein Sinnbild für die Schrödersche Matrix des perfekt funktionalen Leistungsträgers, der aber trotzdem in der kalkulativen Profilierungschiene nicht mehr benötigt wird. Je nachdem, wie ich das Ding jetzt sehe, bist du drin, — oder ein Auslaufmodell. Wenn du im Unterschied zwischen Kugelschreiber und Maschine so etwas wie Intelligenz vermutest, — solltest du darüber hinaus denken können. Nimm das bitte nicht persönlich, — aber bezüglich des Satzes;

    Und ich bin kein besonderen Fall, keine seltene Ausnahme,

    gibt es differenzierte Sichten auf Aussage‑, Umfelder‑, wie auch reale quantitative Verhältnismäßigkeiten, die man als Ingeniör auch außerhalb des subjektiven Blickwinkels wie Erfahrungssprektrums sehen sollte/könnte/dürfte. Oder willst du die qualitative Tiefenschärfe eines durchaus edlen Berufes in Frage stellen? (Darüber, kann man allerdings reden)

  6. @all

    Vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt oder einige Passagen wurden direkt mal überlesen. Mir geht es in meinem Kurzbeitrag eben nicht um den Praktikanten-Status oder um den Umgang mit Praktikanten und/oder darum, was, wer, wann, wieso gut kann oder eben nicht. Oder wie lange jemand braucht um richtig eingearbeitet zu sein. Oder um einzelne Branchen, Titel oder Berufe und wie toll manche schon so schnell »einsatzbereit« seien. Meine Güte. Diese Lohnarbeits-Fixierung mit all ihren üblichen Narrativen und Penis-Vergleichen wollte ich hier nun ganz und gar nicht bedienen. Das passiert doch schon jeden Tag am Stammtisch.

    Mir ging es schlicht darum, dass Praktikanten per se eben nicht unfähig und/oder schlechte Arbeitskräfte sind, nur weil sie in der Hierarchie-Rangfolge ganz unten stehen. Auch wollte ich betonen, dass Praktikanten durch ihre Neugier, unbewusst Strukturen und Methoden transparent machen, die man ansonsten lieber gerne verschweigen will. Hinzu kommt: jeder sollte immer lernen wollen, egal wie vermeintlich erfahren man ist. Es würde mich freuen, wenn die lieben Kommentatoren dazu etwas sagen würden, anstatt sich ein Ingenieurs-Battle zu liefern . Danke. ;)

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