»Deutschland ist wirtschaftlich erfolgreich!«

EU-Abgeordnete, Journalisten, Linksgrüne, vermeintliche Wirtschaftsexperten, die Bundesregierung, (auch linke) Akademiker und Intellektuelle sowie viele, viele Andere wiederholen ständig und überall diesen Glaubenssatz. Dabei bleibt stets die Frage: Wer ist mit Deutschland eigentlich gemeint? Die mehr als 7,5 Millionen Bezieher von ALG 2 und Sozialgeld? Die 2,5 Millionen Kinder in Armut? Die 8 Millionen, die im Niedriglohnsektor arbeiten? Die 2,5 Millionen Rentner, die in Armut leben? Die rund 850.000 Obdachlosen? Die 4 Millionen Menschen, die an Depressionen leiden? Generation Praktikum? Akademisches Prekariat? Flüchtlinge? Nein, natürlich nicht. Mit Deutschland sind Konzerne, Unternehmen, Banken und Millionäre gemeint. Nur sagt das niemand. Stattdessen wird die Volksgemeinschaft beschworen und immer wieder so getan, als hätten die Ärmsten der Armen irgendetwas davon, wenn Banken und Konzerne satte Profite machen.

4 Gedanken zu “»Deutschland ist wirtschaftlich erfolgreich!«

  1. Wenn die Franzosen von Frankreich reden — die können sich das glatt berechtigt erlauben. Um 500 kam der erste Merowinger. Und Frankreich war nicht 100 Mal geteilt. In 1500 Jahren kann sich schon eine gewisse Konsenskultur entwickeln.
    Bei den Deutschen, die ihren heutigen Einheitsstaat erst seit 1871 nur durch einen diplomatischen Kniff Bismarcks, um gegen Frankreich einen Krieg zu provozieren, haben, der zwischendurch Territorien eingebüßt hat, zerteilt wurde und als BRD wie eine Föderation nach dem amerikanischen Modell funktioniert ( = jedes Bundesland ist wie ein Bundesstaat; hat viele eigene Berechtigungen und die Hauptstadt darf ihnen in vielem nicht reinreden) — da ist es noch viel zu früh um von einer einheitlichen deutschen Kultur oder Nation zu reden.
    Der deutsche Staat, der mal versucht hat, es darauf anzulegen, der versuchte ganz Europa umzustrukturieren, zu entvölkern und die ganze Geschichte seines geografischen Gebietes umzuschreiben wie sie nie gewesen ist. Er basierte auf einer Pseudoidentität, die mehr mit Hirngespinsten von als echtem mitteleuropäischem Brauchtum zu tun hatten. Dem entsprechend hielt dieses Intermezzo zeitgeschichtlich nicht sehr lang.

  2. Wirtschaftlicher Erfolg , der auf dem Rücken der Schwächsten beruht , ist ja nicht neu , das ist nicht erst seit kapitalistischen Zeiten systemimmanent.
    Also empfinden die Vertreter dieser Ansicht , die zumindest mit »linksgrün« sehr unglücklich bezeichnet sind , kein Problem , wenn man ihnen entgegenhält , daß es da immer mehr Verlierer gibt , die nicht nur weniger haben , sondern , was viel schwerer wiegt , schwer eingeschränkt sind , was die Chance auf ein menschenwürdiges Leben angeht , da geht es eben nicht nur ums Geld.
    Allerdings sind alle diese Systeme untergegangen , wenn sie nicht bereit waren , sich grundlegend weiterzuentwickeln.

  3. Pingback: Feynsinn » Narrativ konkret: Fleiß und Nation

  4. Ob es »Deutschland« »wirtschaftlich« gut geht, ist eh eine vollkommen absurde Frage... dieser Bund aus eigentlich eigenständigen Ländern besteht aus rund 80 Mio. natürlichen und nochmal schätzungsweise ein paar Mio. juristischen »Personen« (Kapitalgesellschaften). Wenn da ein paar Mio. Loser den Saldo ein wenig nach unten ziehen, isses doch am Ende eh wieder nur deren Schuld...! ;)

    Interessanter ist, dass man an diesen Phrasen die jeweilige vorherrschende politische Agenda und das jeweilige Narrativ gut erkennen kann — nach der neoliberalen Doktrin ist es ja (calvinistisch, protestantisch untermauertes) Naturgesetz, dass vor einer (vermeintlichen) »Besserung« erst einmal eine Phase des Verzichts und des Leids, des »Gürtel-enger-schnallens« kommen muss. Es ist noch nicht soooo lange her, da schrieb Albrecht Müller ein schönes Buch mit dem Titel »Die Reformlüge«. Zu der Zeit war den Talkshow-Titeln nach und der Stimmung in der »freien Presse« dieses »Deutschland« kurz davor, ein Dritte-Welt-Land zu werden... Mit der ökonomischen Realität hatte das zwar nicht viel zu tun — aber es war eben notwendig, um später eine Legende zu stricken, wonach es diese »schmerzhaften, aber notwendigen« Schritte (wie Agenda 2010, Privatisierung der Rente, »Gesundheitsreformen« usw. — Austerität im Allgemeinen) gewesen seien, die das Volk in eine rosige Zukunft und jenes »Deutschland« vom »kranken Mann« zur »Wachstumslokomotive« haben werden lassen. Rot-Grün kloppt sich dafür ja heute noch regelm. auf die Schultern — und Merkel findet dafür immer noch regelm. lobende Anerkennung. Auch dies ist gemessen an den eigenen Volkswirtschaftlichen Maßstäben (siehe z. B. das verzweifelte Anschwimmen von Flassbeck, das Gemobbe gegen Lafontaine) zwar absurder Bullshit — wird aber halt geglaubt. Weil das Wahrheitsministerium diese Botschaft aus allen Kanälen herausfeuert...! Man lese nach bei Orwell; wenn die Schnürsenkelproduktion das Jahresziel wieder weit übertroffen hat...

    Wirklich etwas »verbessert« hat sich für die Mehrheit in der Summe ja gar nichts, im Gegenteil. Der Arbeitslose, der früher halbwegs mit der Arbeitslosenhilfe auskam, wird nun unter Androhung von Totalsanktionierung in den Niedriglohnsektor geprügelt. »Dumm sein und Arbeit haben — das ist Glück« (Benn). Weil wie du richtig anmerkst nur der oberste Teil dieses »Deutschlands« profitiert hat. Trotzdem glaubt auch die Mehrheit der Union- und SPD-Wähler, es ginge ihnen »besser«...

    In Frankreich lief dann nachdem Hollande sich erdreistet hat, tatsächlich ein paar Dinge zu beschließen, die den Mächtigen und Reichen ein wenig weh taten, die selbe Nummer — leider mit dem selben Ergebnis. Und Griechenland ist dies bezüglich ja die vollkommene Realsatire. Da probiert man aus, welchen vollkommen absurden Schwachsinn man behaupten und vor allem: durchdrücken kann — ohne dass es irgendwem drum herum auffällt...! Was mich wieder darin bestärkt, dass die Ignoranz und Dummheit des Otto-Normal-Europäers das Hauptproblem ist...!

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