Neusprech: Haushaltskonsolidierung

»Wenn die Haushaltskonsolidierung nicht gelingt, ist bald jede politische Gestaltungsmöglichkeit futsch«

- Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker

Der Begriff Haushaltskonsolidierung besteht aus den Nomen Haushalt und Konsolidierung. Er zielt darauf ab, die öffentlichen Schulden zu verringern. Das Schlagwort ist in den Massenmedien ein fast täglich verwendeter Terminus. Es steht wie ein Damoklesschwert über den Köpfen von Journalisten, Politikern und Wirtschaftsvertretern. Das bisher ungeschriebene Gesetz, das Politiker seit Jahren scheinbar verpflichtet hat, radikal zu kürzen, wird mit der sog. »Schuldenbremse« (auch ein Neusprech-Kandidat), dem Fiskalpakt sowie dem europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nun auch gesetzlich verbindlich festgelegt. Fortan wird und soll es keine politische Alternative zum sparen, kürzen und entlassen mehr geben.

Der Begriff hat eine auffordernde Konnotation. Der Haushalt soll und muss stets konsolidiert werden. Wer dem nicht nach kommt, spielt mit der Zukunft unseres Landes, halst unseren Kindern unnötige Schulden auf und gilt als wirtschaftspolitisch nicht tragbar, so heißt es dann von Politikern und Journalisten.

Bund, Länder und Kommunen in Deutschland sind hoffnungslos über- und verschuldet. Schulden bedeuten zugleich aber auch immer Vermögen. Die Geldverleiher dürften wenig Interesse daran haben, dass ihre Schuldner jemals komplett schuldenfrei werden. Schließlich verdienen sie kräftig an den Zinsen und an den Rückzahlungen. Insofern dürfte die sog. Haushaltskonsolidierung ein immer wiederkehrendes Ziel sämtlicher zukünftiger Regierungen sein.

Es ist jedoch kein Naturgesetz, dass bei der Finanzplanung der Bundesregierung immer nur an die Ausgaben- und selten an die Einnahmeseite gedacht wird. Haushaltskonsolidierung kann auch bedeuten, Steuern zu erhöhen (z.B. die Vermögenssteuer oder die Finanztransaktionssteuer) bzw. entschlossener nach Steuerhinterziehern zu fahnden, anstatt nur zu kürzen, zu sparen und zu entlassen. Insofern ist der Begriff ein Euphemismus, der verdecken soll, dass die öffentliche Infrastruktur weniger gefördert wird, dass Mussen, Schwimmbäder usw. geschlossen werden, dass Menschen in die Erwerbslosigkeit gedrückt werden und dass die soziale Daseinsfürsorge zurückgefahren wird.

Am Ende des Kürzungs-Jahrzehnts soll die kommunale Handlungsfähigkeit auf Dauer gesichert sein. Das heißt also: der Haushalt wäre saniert, die Infrastruktur weiter verschlissen, das kommunale Leben verarmt, die Bürger geschröpft, die Demokratie weiter ausgehöhlt.

- Werner Rügemer, »Der Ruin der Kommunen: Ausverkauft und totgespart«, Blätter, Ausgabe August 2012, S. 99

Die gezielten Verarmungsprozesse bzw. die finanziellen Notlagen von Bund, Länder und Kommunen bringen Unternehmen, Banken und Konzernen auch den Vorteil, mehr Aufträge zu erhalten und mehr Kredite vergeben zu können. Die Privatisierung öffentlicher Güter (Strom, Gas, Wasser, Rente etc.) garantieren Milliardengewinne privater Unternehmen. Insofern dürften Konzerne und Banken ein großes Interesse an einer dauerhaften »Haushaltskonsolidierung« haben.

Absurd wird das ganze Spar-und-Kürzungs-Theater vor allem auch deshalb, weil die Bundesregierung im Rahmen der sog. Wirtschaftskrise den Banken über 500 Milliarden Euro geschenkt hat und den europäischen Banken auch weiterhin Milliarden schenkt. Diese werden dann in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von den Bürgern wieder eingetrieben, in Form von radikalen Kürzungen, auch bezeichnet als: »Haushaltskonsolidierung«.

5 Gedanken zu “Neusprech: Haushaltskonsolidierung

  1. Dieses Thema stimmt mich inzwischen dermaßen traurig, so daß ich hierzu mich nicht in der Lage fühle, einen etwas umfangreicheren Kommentar abzugeben.

    P.S. Dennoch meine Meinung: durch die »Haushaltskonsolidierung« wird der schrittweise Genozid erfolgen.....

  2. > Es ist jedoch kein Naturgesetz, dass bei der Finanzplanung der
    > Bundesregierung immer nur an die Ausgaben– und selten an die
    > Einnahmeseite gedacht wird.

    Genau. in Anbetracht der immer schiefer werdenden Verteilung müßte die Progression auf (sagen wir) 80 % bei 200.000 und auf 90 % bei 400.000 Euro im Jahr hochgeschraubt werden.
    Vermögensungerechtigkeit ließe sich ebenso am sinnvollsten mit Einkommensdämpfung durch eine echte Progression dämpfen.
    Aber das wird die ökonomische Elite in den Nationalstaaten — mit Verweis auf die Anderen — schon zu verhindern wissen.
    Was wir heute bei den Einkommenssteuern haben ist ohnedies nur eine Flat-Tax mit einem kleinen Freibetrag für die Armen.

  3. der Nachwächterstaat ist die Vorlage. Im Grunde geht es um das Eigentum. Das ist der Drehpunkt. Die Neoliberalen wollen nur Privateigentum. Das ist das helle Leuchtfeuer der Privatisierungspolitik. Das beworbene Differenzkritierium: Effizienz. Güter in der Hand des Maloches Staat vs. Güter in der Hand privater Marktjongleure.
    Man sieht in letzter Zeit wie weit dies hereinschwappt. Neoliberale Gründerväter wie Hayek wollten dem Staat die Sicherheitsfunktion lassen. Aber gerade hier sieht man, wie selbst dort Teile ins Private schwappen. Im Militärischen ganz besonders. Es ist äußerst bedauerlich, wie die Sozialdemokratie dies forciert hat und manche sog. linke Königsphilosophen es bis heute nicht verstehen, weil sie meinen, solidarische Werte seien inzwischen in die Sprache eingebaut und damit unhintergehbar auch in der Praxis.
    Irgendwann wird der Weg zurück schwierig bis unmöglich. Wenn zu viel Wissen und Macht, auch faktische militärisch Kampfmacht, in die Hände Privater kommt, dann ist alles Öffentliche verloren. Dann ist unser Rechtssystem machtlos geworden und wir bewegen uns zu auf einen neuen Feudalismus, in dem Superreiche oder Riesenkonzerne eine Privatarmee unterhalten und auf das bestehende Rechtssystem sich nicht mehr beziehen müssen und in einem Gemisch aus Ökonomismus und Machtirrationalismus alles Mögliche erstellen. Dann ist der Staat wahrlich konsolidert. Anzeichen sieht man ja schon in der finanziellen Macht: wenn Renten- und Hedgefonds größer als ganze Volkswirtschaften geworden sind, dann können sie sich mit diesen anlegen. Dann ist das faktische Machtverhältnis ein anderes geworden und das Gesetzgebende Staatsorgan, das Parlament, wird zu einem Befehlsexekutor, zu einer Gauleitung oder einer Verwaltungseinheit umdisponiert. Die Spread-Demokratie. Demokratie freilich nicht mehr. Eher Spread-Diktatur.
    Es ist unheimlich. Es wird so getan, als wären wir so fortschrittlich und im hohen Jahrhundert schon, aber die konkreten Gesellschaftsgestaltungen weisen in die Vormoderne. Verhältnisse und Strukturen werden geschaffen, die Demokratie, Recht und Freiheit de facto entmachten und sie zu einem Papiertiger werden lassen.

  4. @flavo

    Schön zusammengefasst!

    Die totale Privatisierung läuft darauf hinaus, sämtliche Staatsmacht an Banken und Konzernen abzugeben. Es ist teilweise auch heute schon so. Aber wer das laut sagt, gilt gemeinhin als Verschwörungstheoretiker.

  5. Den ganzen Prozeß auf den Punkt gebracht.

    Insbesondere die volle Absicht hinter dem ganzen Tun wird nicht immer gesehen , erwische mich da immer wieder auch selber dabei.

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