Reichtum und Armut

Neulich war ich mit meiner Freundin im Dunkelrestaurant in Berlin, der sog. »Unsichtbar«. Ich hatte einen Gutschein zu Weihnachten geschenkt bekommen. Das Besondere an diesem Restaurant ist, dass man komplett im Dunkeln speist. Da der Laden sehr voll war, durften wir lange warten. Nach knappen zwei Stunden ist unser Geduldsfaden gerissen und wir sind gegangen. Obwohl wir Tage vorher reserviert hatten. Angeblich hatte eine Touristengruppe sich spontan angekündigt gehabt und damit die gesamte Organisation durcheinandergebracht. Die Preise in der Unsichtbar sind nicht ohne: das Günstigste 4‑Gänge Menü (vegetarisch) für eine Person ohne Getränke kostet 41,50 Euro.

Nachdem wir also verärgert und hungrig das Restaurant verließen, überlegten wir uns, was und wo wir jetzt noch essen gehen konnten. Es war mittlerweile 22:00 Uhr abends. Als wir in der Bahn auf dem Weg nachhause saßen, stieg ein obdachloser Mann mit drei Plastiktüten ein und setzte sich uns gegenüber. Während wir uns also ärgerten, dass wir in der »Unsichtbar« nicht essen konnten, saß uns ein Mann mit traurigen Augen gegenüber, der vermutlich jeden Tag Hunger hat. In der »Unsichtbar« hätten wir zwei mit Getränken über 100 Euro gelassen (auch wenn wir selbst nichts gezahlt hätten, da wir ja einen Gutschein hatten). Unser Gerede über Hunger, Essen und den Ärger über die »Unsichtbar« kam uns im Angesicht eines wirklich bedürftigen Menschen sehr absurd, pervers und realitätsfremd vor. Wir schämten uns ein wenig.

Die Schere zwischen arm und reich klafft eben nicht nur auf Studien und Statistiken auseinander, sondern überall im alltäglichen Leben. Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge meinte einmal sinngemäß: arm sein unter Armen sei auszuhalten, aber arm sein unter protzendem Reichtum ist unerträglich.

5 Gedanken zu “Reichtum und Armut

  1. Im Dunkeln essen sollte eigentlich preiswerter sein, weil das Auge ja nicht mit essen kann. Merkwürdig, dass man heute sogar schon für Mängel draufzahlt. Aber ich denke, ich weiß schon worum‹ da geht. In WG-Zeiten hat man sich auch mal tierisch aufgeregt, weil man gerne mal einen Salat hätte essen wollen, der nach Salat und nicht nach Knoblauch schmeckt. Das eine, oder andere Mal, hätte man da auch gerne zugunsten der Geschmacksknospen liebend gerne das Licht abgestellt. Aber wohl mehr aus Bösartigkeit :-)

    Schön, eure Ehrlichkeit. Die direkte Konfrontation mit sich selber über andere, ist immer noch die beste. Menschen zu beobachten, die an dem Bettler vor dem kaufhaus vorbeilaufen, ist auch sehr aufschlussreich. Die Mimik der Leute und ihre Schlingerkurse am Bettler vorbei, lassen wenig Spielraum für eventuelles Übersehen übrig. Wenn auch nur kurz, aber beschäftigen tun sich alle damit. Was ich nie verstanden habe ist, warum die wenigen die was in den Hut werfen, es immer auf eine Art und Weise tun, damit es andere ja nicht merken. Eigene Scham, — Respekt vor dem Stolz des Bedürftigen, — oder Angst wegen Bettlerringen und Drückerkolonnen als dumm dazustehen ??????

  2. Die »Unsichtbar« verkauft das Essen im Dunkeln als großes Gourmet. Frei nach dem Motto: das Essen im Dunkeln erhöht die Wahrnehmung der anderen Sinne. Wobei ich auch schon dachte, bei mir zuhause kann ich auch das Licht abstellen ;)

    Ich glaube, der Umgang und die Einstellung zu Obdachlosen und Armut im Allgemeinen, ist für viele ein sehr ambivalentes Verhältnis. Dort mischen sich Abscheu, Mitleid und Ignoranz zu einer ungemütlichen Gefühlssuppe. Das erklärt vielleicht auch den unsicheren Umgang mit Obdachlosen.

  3. Mir geht es bei dem Umgang mit Obdachlosen sehr ähnlich. Ich weiß nie so recht, ob da vorne jetzt ein echter Obdachloser seine Zeitung verkauft, oder ists nur ein Hartz4er, der im Grunde genausoviel oder wenig hat, wie Millionen andere.
    Ist es ein Bettlerring? Geb ich dem was, damit der Bettlerzuhälter und Schleuser dann alles abkassiert? Oder ist das doch jemand, der von meiner Spende sich was leistet, das er sonst nicht hätte?

    Und meine Frage ist auch: Bin ich als selbst von Armut Betroffener verantwortlich für das Spenden? Kann das nicht einer machen, der mehr hat als ich? Oder soll ich einfach auf mein Herz hören und doch frei giebig sein? Verzichte ich halt auf ein zwei Flaschen Wein, das sind für irgendeinen Obdachlosen schon ein paar Euro.

    Und was ich noch beobachtet habe, ist diese Scham, die einen einfängt wenn man nur daran denkt zu spenden, dabei gesehen werden wird. Bis zur Ursache dieser Scham vor dem Spenden bin ich noch nicht durchgedrungen. Vielleicht weiß einer von euch woher das kommt?

    Der andere diskutierte Gedanke geht mir auch öfters durch den Sinn. Da sitze ich mit Leuten herum, die das drei bis achtfache eines Hartzers im Monat haben und diese motzen immer noch über ihr viel zu geringes Gehalt und über die Segnungen von Hartz4, das die zu viel hätten.

  4. Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge meinte einmal sinngemäß: arm sein unter Armen sei auszuhalten, aber arm sein unter protzendem Reichtum ist unerträglich.
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    :bier:

    Es muss nicht immer geprotzt werden. Es reicht schon wenn man sieht das die einen sich über den spritverbrauch des neuen Golf II aufregt. Während andere sich an ihrem Smartphone vergnügen, welches mehr als eine Monatsmiete kostet.

    Jeder kriegt einen Job.
    Ich glaub daran, leider ist der Job den »jeder« kriegen kann ein Job den eig. keiner machen will.

    1. Absolut unterbezahlt.
    2. Arbeitszeit > Freizeit.
    3. Freundlichkeit geben > Freundlichkeit empfangen.
    4. Tratschen, Lästern > Mitgefühl und Interesse.

    Wer nicht unter dem Zwang, z.B. einer »Familie«, steht wird sich sowas auf dauer nicht antun oder?

    Manche obdachlose haben vlt. nicht die kraft das tratschen und lästern über sich ergehen zu lassen. Aber wen soll man vorwürfe machen, denjenigen die nicht die Kraft(zwang) haben die 4 Punkte hinzunehmen, oder diejenigen die dieses System unterstützen angefangen beim Arbeitgebenden und Kollegen, über Auftraggebenden bis zu den Politikern?

  5. @berti

    »Job« ist die richtige Bezeichnung für prekäre Lohnarbeit. Denn von einer traditionellen »Arbeit« konnte man leben. Von »Jobs« alleine kann man nicht leben.

    Du sagst es, manche regen sich übers Wetter, Spritpreisen oder anderen »Luxusproblemen« auf. Während gleichzeitig der Obdachlose hungert und erfriert.

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