Neusprech: Belastbarkeit

»Belastbarkeit und Flexibilität sind außerordentlich wichtig, da — bedingt durch das Wesen von Projektarbeit — oft und immer mal wieder unplanmäßige und den Fortgang erschwerende Situationen eintreten können.«

- Stefan, 41 Jahre, Unternehmensberater auf authentisch-bewerben.de

Das Stichwort der sog. Belastbarkeit ist oftmals eine Kernforderung von Unternehmen an ihren Lohnarbeitern. Damit sind Überstunden, Stress, schlechtes Arbeitsklima, Schichtarbeit, zeitlicher Druck und vieles andere gemeint — meist für den Lohnarbeiter vornehmlich unangenehme Sachverhalte. In vielen Stellenausschreibungen ist heute die Belastbarkeit eine wichtige Eigenschaft, die gefordert wird.

Belastbar sein kann bedeuten, selbstbewusst gegen starke Widerstände anzukämpfen ohne sich von Misserfolgen unterkriegen zu lassen — fernab einer  ökonomischen Dimension. Genau diese Form und Definition der Belastbarkeit interessiert Unternehmen jedoch nicht. Ihnen geht es um eine möglichst große ökonomische Verwurstung der Lohnarbeiter. Insofern ist »Belastbarkeit« im Munde eines Unternehmers ein Euphemismus für möglichst hohe »Ausbeutbarkeit«. Ganz im Sinne des Profitvermehrers  sollen Lohnarbeiter intensiv ausgepresst werden. Ein Arbeiter z.B. der nicht ständig pendeln oder Überstunden machen möchte, da er bei seiner Familie sein will, ist im Sinne des Unternehmers nicht »belastbar« genug. Die Forderung nach Belastbarkeit, impliziert die unausgesprochene Formel: »Ich als Chef verlange von Dir, was immer den Profit mehrt. Ganz egal, was Deine persönlichen Bedürfnisse dabei sind!«.

Menschen werden zu Packeseln gemacht, auf denen alles abgeladen werden soll. Viele Arbeiter werden dabei von ihren Chefs bis an ihre Grenzen gebracht, was die zunehmende Zahl von Burnout-Syndromen und Depressionen am Arbeitsplatz verdeutlichen.

»Belastbarkeit: Können Sie unter Zeitdruck eine Entscheidung für die beste von mehreren plausiblen Lösungen treffen?«

- Basiswissen für Führungskräfte auf jobware.de

2 Gedanken zu “Neusprech: Belastbarkeit

  1. @G.G.
    Ich bin gegen die Sozialpsychologisierung des angesprochenen Verhältnisses. Da würde es ja genügen, diesen verkorksten Charakteren eine kleine Portion Therapie zu verabreichen, und alles wäre in schönster Ordnung.
    Es ist schon härter: Unternehmer bist du nur genau so lange wie du dich nicht anstellen mußt in der Schlange der Unternommenen, weil du die Konkurrenz mit deinen Klassenbrüdern auf Grund menschlicher Erwägungen verloren hast.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.