Die Konstruktion der Welt

Jeder kennt öffentliche Debatten, Reden oder Gespräche in Zeitungen, TV-Shows, politischen Debatten, im Alltag untereinander, in der Schule, auf dem Arbeitsplatz oder auch in der Wissenschaft. Sie alle halten unterschiedlich lang an und werden dann meist von einem neuen Thema wieder verdrängt. Meistens spielt das sog. Agenda Setting der Medien eine große Rolle dabei. Bestes Beispiel: die EM 2008. Dieses Thema beherrschte im Juni 2008 sämtliche Medien. Diese Debatten werden Diskurse genannt. Welche Wirkung haben diese Diskurse? Wie kann man diese messen und feststellen? Wie werden Diskurse bestimmt und gesteuert? Welche Diskurse sind erlaubt und welche unterliegen einem Tabu? Was sagen die Themen der Diskurse über die Gesellschaft aus, die sie führt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Diskursanalyse.

Ein Diskurs ist nicht einfach nur Gerede oder ein belangloses Gespräch, sondern ist als institutionelle Redeweise bereits verfestigt, übt Macht aus und bestimmt Handeln. Ein Diskurs spiegelt soziale Verhältnisse nicht nur blind wider, sondern konstruiert sie. Menschen gestalten und organisieren Diskurse und werden zugleich von ihnen beeinflusst. Als historisches Produkt übt ein Diskurs Macht über Menschen aus. Der Ausspruch George Orwells »Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft; wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit« bringt dies auf den Punkt. Da alles menschliche Handeln — mit wenigen Ausnahmen — in Diskursen stattfindet, ist die Neu-Interpretation der Vergangenheit zugleich der Grundstein für die Festlegung von zukünftigen erlaubten und nicht erlaubten Gedanken. Die sog. Ausschwitz-Lüge z.B. ist der Versuch rechtsextremer Ideologen zukünftige Diskurse über den Nationalsozialismus neu zu bestimmen. Diskurse zeigen deutlich auf, wie die Beziehungen zwischen Wissen und Macht in einer Gesellschaft organisiert sind. Gespräche welche in Fachsprachen wie z.B. bei den Juristen, den Medizinern oder den Seeleuten geführt werden, können auch nur diese Fachleute verstehen. Sie Grenzen ihr Wissen damit nach außen ab — erzeugen quasi einen Macht-Wissen Knoten. Aber auch allgemeine Diskurse können meist nur vollständig verstanden und nachvollzogen werden, wenn genug Hintergrundwissen zu dem jeweiligen Thema vorhanden ist.

Der Mensch ist ein soziales Lebewesen und denkt in der Sprache und mit den Worten die er versteht und gelernt hat. Insofern sind Diskurse quasi der Rahmen und zugleich das Innere einer Gesellschaft, in welchem gedacht und gehandelt wird. Vielmehr bestimmen sie auch die sozialen und kollektiven Identitäten. Ein Diskurs ist zudem nie ein neutraler Knotenpunkt, sondern in spezifischen Bedingungen eingebettet. Gerade in politischen Reden, Debatten oder Schriften tauchen immer wieder bestimmte Merkmale eines Diskurses auf. So eignet sich die Analyse sehr gut, um herrschende Ideen und/oder Ideologien offen zu legen. So kann das Verhältnis von politischen Akteuren oder Institutionen zu bestimmten Ideen und Überzeugungen sichtbar gemacht werden. Auch kann der — nicht immer sofort ersichtliche — Kampf um die Definition von Begriffen und Sachverhalten deutlich herausgearbeitet werden. Schließlich kann die Diskursanalyse eine Aussage darüber treffen, welche gesellschaftlichen Sachverhalte Realität sind und welche konstruiert werden, um bestimmte Interessen zu bedienen.

Betrachtet man nun diesen Hintergrund, wird einem schnell klar, wie entscheidend Medien, Reden, Debatten und alltägliche Dialoge mit Freunden, Bekannten, den Arbeitskollegen oder der Familie sind. Sie konstruieren, gestalten und formen die Welt in der wir leben. Insofern ist die Analyse von Diskursen jedem blinden Aktionismus vorzuziehen.

»Überblick von Diskursformen«

»Der Diskurs bei Michel Foucault«

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