Streik

Streik ist etwas schlechtes. Wer streikt, hält den Verkehr unnötig auf, sorgt für Chaos und ist meist auch ziemlich gierig, da er mehr Geld will. Wer streikt, funktioniert nicht, ist ein Querulant, ein Störenfried und ein Unruhestifter. Der Streik ist eine Bedrohung, vor der man sich fürchten sollte. So oder so ähnlich wird es uns tagtäglich durch unsere liebe Presse eingeimpft und beigebracht. Die Sprache verrät es. Einige Beispiele:

Die Flugfeld-Beschäftigten am Frankfurter Drehkreuz wollen auch am Montag die Arbeit niederlegen. Einem der größten Flughäfen Europas droht damit neues Chaos.

- Süddeutsche Zeitung vom 19. Februar 2012

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Neusprech: Migrationshintergrund

»Zwar stammen Kinder, die erfolgreich das Gymnasium besuchen, bis heute eher aus sozial besser gestellten Schichten, Kinder mit Migrationshintergrund sind deutlich in der Minderheit.«

- zeit.de vom 18. Juni 2009

Anfang des Jahres 2012 verschickten die Jobcenter in Berlin einen Fragebogen zum Migrationshintergrund. Dieser soll rein statistische Zwecke haben. (Ich könnte mir vorstellen, dass damit herausgefunden werden soll, wie vele Menschen mit Migrationshintergrund ALG 2 erhalten.) Auch vermeintlich Deutsche haben ihn zugesendet bekommen. Freilich nur Empfänger von ALG 2. In diesem ist ein Anhang mit der Bezeichnung Migrationshintergrund-Erhebungverordnung (MighEV) enthalten. Die MighEV kennzeichnet Menschen mit einem Migrationshintergrund, wenn: Weiterlesen

Neusprech: Präventive Selbstverteidigung

»Präemptive Selbstverteidigung bezeichnet das Ausüben militärischer Gewalt als letztes Mittel eines Staates, um eine unmittelbar bevorstehende, manifeste und objektiv feststellbare militärische Aggression abzuwehren.«

- WZB-Paper

Im Irakkrieg (2003) und im Libyenkrieg (2011) wurde von »präventiver Selbstverteidigung« gesprochen. Man wolle eine unmittelbare Gefahr vorzeitig abwenden und greife deshalb zur militärischen Gewalt. Ähnlich wie die Instrumentalisierung des Begriffes der »humanitären Intervention« verstößt die »präventive Selbstverteidigung« gegen das allgemeine Gewaltverbot des Völkerrechts. Weiterlesen

Neusprech: Weltverbesserer

»Linke Weltverbesserer aller Schattierungen vereint das Lebensgefühl, zum Kreis der besseren Menschen zu gehören. Viele von ihnen haben dazu jede Berechtigung. Die Linke aber ist aus der SED hervorgegangen«

- Tissy Bruns, zeit.de

Eine oft abwertende Bezeichnung für alternative oder linksorientierte Menschen, die nicht am Status Quo festhalten wollen, sondern eine Veränderung, im Sinne einer vermeintlichen Verbesserung von Mensch und Gesellschaft, anstreben. Weiterlesen

Lohndumping-Förderungsgeld

Knapp 1,4 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Arbeitslosengeld II, obwohl sie nicht erwerbslos sind. Davon sind knapp 500.000 Vollzeit beschäftigt. Die sog. »Aufstocker« können von ihrem Gehalt nicht leben und sind deshalb auf zusätzliche Leistungen vom Amt angewiesen. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche, im Gast- und Verkehrsgewerbe sowie bei den Reinigungsdiensten. Seit es Hartz4 als Zuzahlung gibt, haben Lohndumping und der Niedriglohnsektor in Deutschland massiv zugenommen. Arbeitgeber, Firmen und Unternehmen zahlen Niedrigstlöhne in dem Wissen, dass sich der Lohnarbeiter den Rest zum (Über-)Leben beim Amt holt oder »schwarz arbeitet«. Der Begriff Arbeitslosengeld II ist demnach irreführend. Lohndumping-und-Schwarzarbeit-Förderungsgeld müsste es heißen.

Alltagsmarktsprache

»ALG2-Empfänger leben auf unsere Kosten«

»Das wird sich irgendwann auszahlen«

»Ich sollte mehr an mir arbeiten«

»Das lohnt sich für mich nicht«

»In diese Freundschaft habe ich viel investiert und sie ist mir wertvoll«

»Davon können alle Seiten profitieren«

»Sie müssen sich einfach besser verkaufen, wenn sie erfolgreich eine Stelle finden möchten«

Auch die Sprache der Liebe ist vermarktwirtschaftlicht.

Neusprech: Rettungsschirm

»Die Mehrheit ist deutlich: 503 Bundestagsabgeordnete haben für die Stärkung des Euro-Rettungsschirms votiert«

- SpiegelOnline vom 26. Oktober 2011

Der Begriff »Rettungsschirm« besteht aus zwei Wörtern: Rettung und Schirm. Einen Schirm trägt man meist über seinen Kopf und er soll den Betreffenden vor einer Naturgewalt schützen: vor Wind, Regen oder Sonne. Nicht zu verwechseln mit Bild- oder Lampenschirm. Das Wort »Rettung« impliziert, dass jemand oder etwas vor einer Gefahr gerettet werden müsse und der vermeintliche Retter eine menschenfreundliche Tat vollbringt. Insofern ist der Terminus »Rettungsschirm« doppelt positiv aufgeladen. Weiterlesen

Der Neonationaliberalismus

Der Neoliberalismus spricht mit einer schrecklichen Einheitlichkeit aus all seinen Lebensäußerungen und Hinterlassenschaften [...]. Was irgendwie von der einen zugelassenen Form abwich, drang nicht an die Öffentlichkeit; Buch, Zeitung, Behördenschrift und Formulare — alles schwamm in derselben neoliberalen Soße [...]. Der Neoliberalismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.

Anmerkung: Die Zitate wurden aus Victor Klemperers Buch »LTI« (lingua tertii imperii — die Sprache des Dritten Reiches), Stuttgart 1975, Reclam Verlag,  übernommen und die Begriffe Nationalsozialismus bzw. Drittes Reich mit Neoliberalismus ersetzt.

Neusprech: Zumutbarkeit

»Es gibt tatsächlich keine Untergrenze bei der Zumutbarkeit«

— DGB-Sprecherin Falk in der TAZ vom 18. Dezember 2004

Das SGB 2 ist die Bibel von ALG2 Sachbearbeitern. In ihr wird z.B. auch festgehalten, welche Lohnarbeit dem Erwerbslosen als zumutbar gilt und welche nicht. Die Zumutbarkeit unterliegt demnach nicht mehr der eigenen Einschätzung und Beurteilung, sondern dem Sachbearbeiter bzw. dem Gesetzgeber. In Kapitel 2 »Anspruchsvorraussetzungen«, § 10, wird die Zumutbarkeit definiert. Weiterlesen