Am Vorabend des Running Man

Im Jahre 1987 gab es einen US-Film mit dem Titel »Running Man«, der an Richard Bachmans Buch (alias Stephen King)  »Menschenjagd« angelehnt war. In diesem Film ging es um eine Spielshow, die weltweit übertragen wurde und große Einschaltquoten hatte. Inhalt der Show war, dass eine Gruppe bzw. ein Mann von sog. Jägern gejagt und auch publikumswirksam getötet wurden. Während das Buch noch Medien- und Gesellschaftskritik enthielt, war der Film eine oberflächliche Hollywood-Materialschlacht mit Arnold Schwarzenegger.

Film und Buch enthielten somit eine Warnung, dass zum Zwecke von Marktanteilen und Einschaltquoten das Fernsehen keine ethischen Grenzen mehr einhalten würde. Big Brother, Dschungelcamp und DSDS sind auf diesem Wege.

In Frankreich hat nun der Filmemacher Christophe Nick, Kandidaten für ein Casting einer (fiktiven) Spielshow gesucht, die wiederum andere Kandidaten, bei fehlerhafter Beantwortung von Fragen Stromschläge im Bereich von 20 bis 460 Volt verpassen sollten. Der Clou des Experimentes: die Kandidaten wussten nicht, dass es eine fiktive Show mit Schauspielern war  und es wurden reichlich Stromschläge verteilt.

Zum einen zeigt dies wieder einmal, was Menschen alles tun, um ins Fernsehen zu kommen. Zum anderen, wie hoch der sadistische Trieb beim vermeintlichen Otto-Normal-Bürger doch veranlagt ist. Nick wörtlich: »Das Fernsehen kann fast jeden dazu bringen, alles zu machen«.

Als damals Big Brother zum ersten Mal auf Sendung ging, fragte ich mich schon, wann wir wieder den Running Man bzw. die Gladiatorenkämpfe haben. Der Anfang wurde schließlich gemacht. Zwar nicht auf breiter Ebene, aber in kleinem Rahmen gibt es ja heute bereits die sog. Käfigkämpfe. In diesen fließt viel Blut, werden Gegner getreten, die bereits auf dem Boden liegen und es wird fleißig gewürgt. Dem sadistischen Voyeur ist eben nichts zu schade. Wenn bei Deutschland sucht den Superstar (DSDS) Dieter Bohlen kleine Mädchen fertig macht, johlt die Menge vor dem Fernseher. Sie habe es wohl sicherlich verdient, die arrogante, überhebliche Schnepfe.  Es ist zwar hart, aber ehrlich. Jemand musste ihr mal sagen, dass sie nicht singen kann, nicht wahr? Dass es hier allein um den Voyeurismus des Zuschauers bzw. um die Profitgier von RTL, und eben nicht um eine pädagogische Maßnahme des Herrn Bohlen geht, ist die Verlogenheit bei der ganzen Sache.

Die beste Methode sich diesem ganzen Irrsinn aus seichter Unterhaltung, Manipulation, Propaganda und Voyeurismus zu entziehen, ist den Fernseher auszulassen. Wer es einmal zwei Wochen am Stück versucht, wird feststellen, dass er nichts vermisst.

8 Gedanken zu “Am Vorabend des Running Man

  1. Das was in der fiktiven Fernsehsendung zu sehen war, basiert ja auf dem Milgram-Experiment von 1961. Dies lehrte, dass der Mensch bereit ist, seinem Nächsten Schmerz zuzufügen, wenn es ihm eine Autorität befiehlt. Was das Szenario jetzt verstärkt hat: Der Mensch braucht nicht mal eine Autorität, er tut es auch, wenn die Öffentlichkeit, die Medienwelt, die ja keine Autorität besitzen, es verlangen.

  2. Siebzehn Jahre vor »Running Man«, also 1970 (und damit lange vor der Einführung des deutschen Privatfernsehens) gabs in Deutschland bereits »Das Millionenspiel« von Wolfgang Menge und Tom Toelle zu sehen (mehr hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Millionenspiel).

    Übrigens mit einer überraschende schaupielerischen Leistung von Dieter Hallervorden als »Jäger« und einer geradezu gänsehauterzeugenden Rolle für Dieter Thomas Heck als Moderator. Dabei machte letzterer eigentlich nichts weiter, als seine »ZDF-Hitparade«-Moderation 1:1 in das »Millionenspiel« zu übernehmen — aber genau das war es, was einem die Gruselschauer über den Rücken jagte.

    Don Olafio

  3. Das Entsetzen welches mich packte, als ich 1974 den Film »Open Season« mit Peter Fonda sah, hat mich nie mehr verlassen. Immer wieder erschaudere ich, wenn ich sehe wie Menschen mit einander umgehen und sich für vermeitliche Vorteile benutzen lassen.

  4. Das doppelt erschreckende an dem Experiment ist, dass die Quote der Betrafer bei 80% gegenüber 60% beim originalen Milgram Experiment lag. Die Autorität der Masse und des Fernsehens wirkt heftiger als die der klassichen Autoritäten. Die Lehre aus dem Experiment, die Massenmedien können alles erreichen.

  5. Pingback: Mein Politikblog

  6. @zirakel im November
    Ich weiß wie du das meinst, deshalb sieh das hier nicht als Korrektur.
    Wenn’s um Sensationen, Geld, Profit oder sonstigen privaten Vorteil, bzw. sich die Dinge dafür geradebiegen zu wollen geht, — sind die Massen sogar extrem denkfähig. Das war’s aber auch schon. Was für eine Energieverschwendung. Andere weise Denkkünstler, mit offenem Portemonnaie, nennen das kollektive Intelligenz :-(

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