Presseblick (2)

Ein Gipfel jagt den Nächsten: »Zweieinhalb Stunden hat der Integrationsgipfel im Kanzleramt gedauert [...] Mehr als 120 Vertreter aus Bund, Ländern, Kommunen, Migrantenverbänden, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Religionsgemeinschaften haben darüber diskutiert [...]«, steht auf welt.de. 120 Vertreter in 150 Minuten, da ist sicher jeder zu Wort gekommen. Das war eine vermutlich sehr lebhafte »Diskussion« mit viel Mehrwert. Feuchtkalter Wahlkampfgestank.

Audrey Magis, eine belgische Psychologin, war zwei Monate in Syrien und berichtet von ihren Erfahrungen auf aerzte-ohne-grenzen.de: »Aber wenn man etwas näher auf die Menschen eingeht, merkt man, dass die meisten von ihnen traumatisiert sind [...]«. Solche Berichte schaffen es natürlich nicht in die Tagesschau, dort zeigt man nur Kriegsvideos mit anonymer Internet-Quelle.

Auf focus.de will uns der »Top-Ökonom« (was ist das eigentlich?) Daniel Gros erzählen, wir sollen ordentlich konsumieren, um »die Wirtschaft« zu fördern (also um die Reichen reicher zu machen). Er kommt zu folgender Erkenntnis: »Das heißt nicht, dass jeder ärmer wird. Es heißt aber, dass keiner reicher wird«. Geiler Bullshit. Die Zahl der Vermögenden und Millionäre, die Boni-Auszahlungen sowie die Managergehälter sind in den letzten Jahren in Deutschland, trotz Krise, deutlich gestiegen (siehe faz.net vom 30. Mai 2013), genauso wie die Armut. Es müsste wohl eher heißen: »Es heißt, dass fast alle ärmer werden und nur sehr wenige reicher werden«.

Für unsere lieben Banken, Konzerne und Milliardäre...

...gibt es heute einen lehrreichen Auszug aus einem Kinderbuch:

Räuber Ratte war ein Schurke,
Räuber Ratte war ein Dieb.
Reisenden stahl er das Essen,
bis kein Krümel übrig blieb.

Seine Zähne, die war´n spitz,
sein Benehmen war gemein.
Und Räuber Ratte ritt.
Er ritt und ritt und ritt,
und das Essen, das er raubte,
stopfte er in sich hinein!

[...]

Die armen Tiere wurden dünn,
ihr Leben war kein Spaß.
Futter hatte nur die Ratte,
und sie fraß und fraß...

- Axel Scheffler/Julia Donaldson, Räuber Ratte, Beltz und Gelberg Verlag 2011

Reichtum durch Leistung?

Die ärmsten 50 Prozent aller Haushalte verfügen zusammen über 3,8 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland.  Die reichsten zehn Prozent besitzen über 46,8 Prozent des privaten Vermögens. In Deutschland leben ca. 800.000 Vermögensmillionäre. Davon sind ca. 13.000 Einkommensmillionäre, d.h. die ein zu versteuerndes Einkommen von einer Million Euro oder mehr erzielen. Wie sind die anderen 787.000 Millionäre, die in Deutschland leben, zu ihrem Reichtum gekommen? Aktien? Erbschaft? Banküberfall? Im Lotto gewonnen? Oder zahlen sie etwa keine Steuern und werden deshalb nicht als Einkommensmillionäre aufgeführt?

Arme zahlen

Die Süddeutsche Zeitung erklärt ihren Lesern Zahlen, die wir kennen sollten, um die Krise zu verstehen. Hunderte Milliarden Euro für Rettungsschirme, Kredite und Hilfspakete. Es gibt aber auch noch andere Zahlen, um die Krise zu verstehen:

Knapp 1,3 Millionen Menschen in Deutschland sind auf Lebensmittelspenden, auf die Tafeln angewiesen.

- lebensmittelpraxis.de

In Deutschland leiden etwa 4 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression.

- servier.de

Über 2,5 Millionen Kinder in Deutschland leben auf Sozialhilfeniveau und in Einkommensarmut.

- Deutscher Kinderschutzbund

Ungefähr 10.000 Menschen begehen in Deutschland jährlich Selbstmord.

- Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention

Knapp 1,4 Millionen Menschen in Deutschland lohnarbeiten, können davon aber nicht leben (sog. »Aufstocker«). Sie beziehen zusätzlich Hartz 4.

- tagesschau.de

Ungefähr 330.000 Menschen in Deutschland sind obdachlos.

- Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe

Reiche sind bessere Menschen...

...will uns SpiegelOnline mit einem Artikel vom 3. April 2011 sagen. In einer Studie der Uni Potsdam haben sich 500 Millionäre selbst eingeschätzt. Reiche seien demnach anders als der dreckige Rest der Bevölkerung — allerdings in anderem Maße als gedacht, so SpiegelOnline:

Melanie Kramer, Soziologin in Potsdam, hat die Daten ausgewertet und fasst die Charaktermerkmale der Reichen so zusammen: »Sie sind weniger neurotisch, also psychisch und emotional stabiler. Außerdem sind sie häufiger extravertiert, sie sind gesellig und gern unter Menschen. Vermögende sind wesentlich offener für neue Erfahrungen, wissbegierig und tolerant. Dagegen sind sie weniger verträglich und scheuen keine Konflikte.«

Wenn mich SpiegelOnline fragen würde, dann würde ich sagen, dass Reiche und Superreiche vor allem materialistisch, egoistisch, eigennützig, rücksichts- und skrupellos sind. Es ist nur logisch, dass wer viel besitzt, dass dafür jemand anderem viel genommen wurde. Ohne Rücksicht und Gewissensbisse. Vielleicht sollte man mal die sog. »bildungsfernen Schichten« befragen, was sie über Reiche denken. Ob das viel objektiver, sachlicher und wissenschaftlicher als eine Selbsteinschätzung von Millionären wäre, darf getrost bezweifelt werden. Was übrig bleibt, ist der schale Beigeschmack einer positiven Imagekampagne von SpiegelOnline für Reiche und Vermögende in Deutschland.

Reichtum und Armut

Neulich war ich mit meiner Freundin im Dunkelrestaurant in Berlin, der sog. »Unsichtbar«. Ich hatte einen Gutschein zu Weihnachten geschenkt bekommen. Das Besondere an diesem Restaurant ist, dass man komplett im Dunkeln speist. Da der Laden sehr voll war, durften wir lange warten. Nach knappen zwei Stunden ist unser Geduldsfaden gerissen und wir sind gegangen. Obwohl wir Tage vorher reserviert hatten. Angeblich hatte eine Touristengruppe sich spontan angekündigt gehabt und damit die gesamte Organisation durcheinandergebracht. Die Preise in der Unsichtbar sind nicht ohne: das Günstigste 4‑Gänge Menü (vegetarisch) für eine Person ohne Getränke kostet 41,50 Euro. Weiterlesen

Reichtum ist keine Frage der Leistung

In der neuen Ausgabe des BoecklerImpuls 05/2009 von der DGB-nahen Hans-Boeckler Stiftung gibt es eine interessante Untersuchung. Dort haben Wissenschaftler in einer repräsentativen Umfrage die Deutschen danach befragt, wie man in Deutschland ihrer Meinung nach reich wird. Die von der Politik ständig postulierten Ideale und Prinzipien der Leistungs — und Chancengerechtigkeit hält ein Großteil der Bevölkerung für absolut unglaubwürdig. Einzig diejenigen welche eine gute wirtschaftliche und soziale Stellung innehaben, neigen dazu, Reichtum als den Erfolg individueller Leistungen zu betrachten. Beziehungen sowie ein gutes Elternhaus halten jedoch die meisten Deutschen für die Hauptursachen des Reichtums.