Marktintelligenz

Wann immer ich mich mit Leuten über die Intelligenz von bekannten Werbeikonen, Models oder B‑Promis unterhalte, bekomme ich als Antwort: »so doof können die ja gar nicht sein, schließlich machen sie viel Geld«. Man kann versuchen Intelligenz auf vielerlei Art zu messen: ob mit einem Intelligenzquotienten (von dem ich auch gar nix halte) oder daran ob und wie schnell jemand Dinge und Sachverhalte versteht, zu Reflektion und Kritik in der Lage ist, wieviel Ahnung er oder sie von Kunst, Literatur, Sport oder Musik hat, wieviel Fachwissen jemand besitzt usw. Ob man Intelligenz überhaupt messen kann oder nicht will ich hier mal dahingestellt lassen.

Heute heißt Intelligenz jedenfalls, Geld zu machen, sich anständig zu vermarkten, Dinge zu verwerten. Intelligenz an sich, ist für viele wertlos geworden, ja sogar lästig und nervig (»Diese Klugscheißer«). Intelligent sein ist nur dann erstrebenswert, wenn man sie gewinnbringend nutzen kann. Der individuelle geistige Horizont spielt hier eine untergeordnete Rolle. Einfach nur Dinge zu begreifen, zu hinterfragen und zu wissen, wird von vielen als wertlos und lästig erachtet. Wir leben in einer Zeit der Nützlichkeitsidiotie.

Entmarktet die Gedanken!

Geld regiert die Welt. Geld bestimmt den Alltag. Geld beherrscht die Gedanken. Leider scheinen die bedruckten Scheinchen auch viel negatives in der Welt zu adeln. Sicher, wir alle müssen von irgendetwas leben. Miete bezahlen, Nahrungsmittel kaufen und auch das Leben in Form von Konsumgütern und Dienstleistungen genießen, kostet Kohle. Der Sachzwang Geld tropft in jede Pore unseres Alltags. Materialismus und individuelle Konsumlust sind Prinzipien unseres Lebens. Haben-Denken und Haben-Wollen, sich verkaufen, sich anpreisen, sich im Persönlichkeitsmarkt anbieten sowie Liebesbeziehungen als Verträge betrachten, sind Zeichen für ein tief verankertes marktwirtschaftliches Bewusstsein und sind längst Teil unserer Lebenswelten. Weiterlesen

Kinder in Deutschland; Teil5: Das Verschwinden der Kindheit

Das demographische Gespenst wird in Deutschland immer wieder beschworen: wir werden älter und sterben aus! Männer treten in den Zeugungsstreik und Frauen in den Gebärstreik. In Diskursen, Debatten und Talkshows diskutieren und streiten sie über Hintergründe, Ursachen und Lösungskonzepte. Einig sind sich fast alle: wir brauchen mehr Kinder. Was das Kind-Sein ausmacht und was Kindheit eigentlich bedeutet, wird dagegen kaum thematisiert. Kindern wird das Kind-Sein kaum noch gestattet. Ob die weit um sich greifende Kinderfeindlichkeit oder die Forderung nach einer frühen marktkonformen staatlichen Erziehung — die Kindheit wird zum Verschwinden gebracht. Weiterlesen

Sex oder Nicht-Sex?

Der Sex stellt in unserer Gesellschaft eindeutig ein zweites Differenzierungssystem dar, dass vom Geld völlig unabhängig ist, und es funktioniert auf ebenso erbarmungslose Weise. [...] In einem liberalen Sexualsystem haben einige ein abwechslungsreiches und erregendes Sexualleben, andere sind auf Masturbation und Einsamkeit beschränkt.

- Michel Houellebecq, Ausweitung der Kampfzone, Seite 108

Anmerkung: Auch wenn ich Houellebecq´s Werke durchaus kontrovers finde, so erweitert er sinnvoller Weise Erich Fromm´s »Persönlichkeitsmarkt« um einen »Sexualmarkt«. Liebe und Sexualität haben heutzutage kaum noch etwas mit der von Hollywood verklärten Romantik zu tun. Es ist häufig wie in der Marktwirtschaft: Gier, Habendenken sowie Statusbewusstsein, Neid, Konkurrenz und Wettbewerb.

Tauschbares Fleisch

Der eigene Marktwert auf dem zwischenmenschlichen Persönlichkeitsmarkt in Deutschland, errechnet sich durch folgende Faktoren:

- äußerliche Attraktivität (Aussehen, Kleidung, Alter, Figur usw.)

- soziale Attraktivität (Humor, Intelligenz, Charme, Schlagfertigkeit usw.)

- materielle Attraktivität (Geld, Macht, Einfluss, Vermögen, Besitz usw.)

Die große bestimmende Variable hierbei ist die Fähigkeit sich »gut zu verkaufen«. Wer dies überdurchschnittlich beherrscht, ist auch in der Lage nicht vorhandene Attraktivitäten zu verschleiern. Fromm würde uns heute sagen, dass die romantische Liebe eine Verklärung und Verschleierung genau dieser drei Attraktivitäten ist, die genauestens »gemessen« werden können. Der Mensch als meßbare Wareneinheit und Tauschobjekt.

Was ist Glück?

»Glück hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast; es hängt nur davon ab, was du denkst.«

- Dale Carnegie

In letzter Zeit bekomme ich immer wieder zu hören, dass Glück bedeute, einen Lebenspartner, Haus, Geld, Kinder, Auto und einen Garten zu haben, zu besitzen. Ein »erfolgreiches« Leben ist für viele im Kapitalismus eben viel Besitz zu haben — abstrakte wie fassbare Dinge. Unsere Sprache ist derart marktwirtschaftlich korrumpiert, dass selbst das Streben nach Glück, kaum mehr mit wahrer Freude, Leben im Sein und schöpferischem Handeln identifiziert wird, sondern vor allem mit einem sozialen Status, mit Haben-Denken. Kaum jemand hinterfragt, diese Glücksformel einmal — sie wird als natürlich gegeben angesehen. Weiterlesen

Eine Gesellschaft des Misstrauens

Wir leben zunehmend in einer Gesellschaft des Misstrauens. Keiner traut keinem mehr. Niemand soll dem anderen trauen. Misstrauen, Vereinzelung und Spaltung der Gesellschaft als gewollte wirtschaftspolitische Strategie, um den Einzelnen leichter repressiv und autoritär zu begegnen. Der Überbau unter dem sich die verschiedenen Spaltungs — und Vereinzelungsdynamiken versammeln sind — zwar unausgesprochen, aber offensichtlich — der Neoliberalismus. Im folgenden einige Spaltungsdynamiken. Weiterlesen

»Und was machst Du so?«

Diese harmlos klingende Frage nach dem Beruf eines Menschen, ist in Wahrheit eine Aneignungsform der kapitalistischen Ideologie. Die Frage nach der Funktionalität des Menschen im System, impliziert hierbei die  Frage nach dem Wert des Menschen. Ein Arzt ist demnach wertvoller als ein Arbeitsloser. Insofern ist der soziale und gesellschaftliche Status eines Menschen zugleich das Kriterium dafür, wie  Menschen bewertet und beurteilt werden. Der Mensch wird als Ding, als Rädchen im Getriebe gesehen und definiert. Erst wenn wir unseren Mitmenschen die Frage »Und was macht Dich glücklich?« stellen, sehen wir sie auch als Menschen und nicht mehr als funktionale Status-Dinge an.

Neusprech: (Wirtschafts-)Wachstum

»Mehr Wachstum bekommen wir nur hin, wenn wir ohne Lohnausgleich wieder mehr arbeiten. Es ist eine unglaubliche Verschwendung von Ressourcen, wenn ein top ausgebildeter Ingenieur nur 38 Stunden pro Woche arbeitet.«

- Henning Kagermann, Manager, SAP auf wirtschaftszitate.de

Deskriptiv definiert bezeichnet der Begriff den zeitlichen Anstieg einer bestimmten Messgröße. Hierbei wird in verschiedenen Wachstumsarten, wie z.B. linear, expotentiell oder beschränkt unterschieden.  In der Biologie ist das Schlagwort, sowie sein Gegenteil die Schrumpfung bzw. der Zerfall, die Grundeigenschaft des Lebens. Auch findet keine positive oder negative Wertung des Begriffs statt. Schließlich können neben Pflanzen auch Krebsgeschwüre oder andere Krankheiten wachsen. Er bezeichnet hier also nur den Zustand bzw. den Prozess als solches. Anders sieht es in den Wirtschaftswissenschaften aus, die diesen biologischen Terminus neu besetzt haben. Weiterlesen

Ein Tollhaus

Noch vor wenigen Monaten predigten die Bundesregierung und etliche sog. »Experten« von der Kraft der freien Marktwirtschaft. Man müsse dem Leviathan Markt nur genug Spielraum und »Freiheit« lassen, dann käme Wohlstand, Zufriedenheit und Glück für alle — kurz: das Paradies auf Erden. Wann genau das sein sollte wurde nie gesagt. Aber so ist das eben mit Prophetien. Nun steckt die Weltwirtschaft in einer Finanzkrise. Und anstatt man die Verantwortlichen zur Kasse bittet oder sie ggf. absaufen lässt, soll der Steuerzahler für alle Fehler der von Gier getriebenen Wahnsinnigen, aufkommen. Wenn es nur die Lächerlichkeit wäre, mit der jetzt auf einmal etliche politische Akteure behaupten, sie haben ja schon immer Regulierungen für den Finanzmarkt gefordert — ich könnte damit leben. Nun soll aber die Bundesregierung für Opel »bürgen«. Geschätzte Summe: 1 Milliarde Euro. Für wen soll die Bundesregierung noch alles »aufkommen«? Wieviele Milliarden hat die Bundesregierung denn noch so auf Lager? Und wer soll das alles bezahlen? Steigt die Mehrwertsteuer bald auf 25% ? Oder wird Hartz4 völlig abgeschafft, weil ja kein Geld da ist? Ein Tollhaus.