Das Marktbewußtsein

Hierzulande gibt es keinen Unterschied zwischen dem wirtschaftlichen Schicksal und den Menschen selbst. Keiner ist etwas anderes als sein Vermögen, sein Einkommen, seine Stellung, seine Chancen. Die wirtschaftliche Charaktermaske und das, was darunter ist, decken sich im Bewusstsein der Menschen, den Betroffenen eingeschlossen, bis aufs kleinste Fältchen. Jeder ist so viel wert wie er verdient, jeder verdient so viel er wert ist.

- Horkheimer/Adorno, »Dialektik der Aufklärung«, Fischer Verlag 1988, Originalaugabe: New York 1944, S. 220

Anmerkung: Horkheimer und Adorno haben dies vor über 60 Jahren formuliert und beschreiben damit exakt unsere heutige Gegenwart. Sie zeigen zudem die Absurdität der sog. »Leistungsgerechtigkeit« auf: Jeder leistet so viel wie er verdient, jeder verdient so viel wie er leistet. Leistung, Einkommen und Vermögen definieren und rechtfertigen sich selbst, benötigen keinerlei Erklärung. Sie sind Schicksal, Naturzustand und das Werk des Gott-Leviathans »Markt«.

9 Gedanken zu “Das Marktbewußtsein

  1. Indem man ein Abstrakt definiert und es Markt nennt, kann man die Probleme die es gibt, als gottgegeben (marktgegeben) definieren. Man darf diese Probleme zum Schutz der Religion nicht lösen. Alle Religionen spielen dieses Spiel und die Begründungswissenschaft des Kapitalismus mit ihren Riestern und Sinns spielen mit. Von den Kirschen lernen heißt siegen lernen ;).

  2. Naja, dass der »Wert« des Menschen (und damit sein Leben) daran bemessen wird, welche Stellung er hat (und bei uns ist das halt der neospießige Leistungsträgerarsch und Hedonist etc.. zu anderen Zeiten wäre es halt der anSTändige Kaufmann gewesen oder der Häuptling mit den meisten Knochenschädeln um den Hals oder was weiß ich), ist nichts neues, von daher sind die Mechanismen ziemlich ähnlich, aber die eigentliche Frage ist, ob da jemand wirklich Werte schafft (z.B die eigene Sippe verteidigt oder etwas bahnbrechendes entwickelt) oder ob das nicht alles nur ein Kartenhaus ist..

    Der Unterschied zum Neanderthal: Mehr Bullshit!

  3. Das ist das Dogma des feudalen Kapitalismus, an dem man nicht rühren darf, ohne als Ketzer hingerichtet zu werden.
    Ich frage mich, ob die Hohepriester wie einige FDP-Zöglinge, diesen Quatsch auch selbst glauben. Oder ist das nur Opium fürs Volk? Aber dann sollte mir man jemand erklären, worin die einmalige Leistung eines Herrn Paulsen besteht, der letztes Jahr ca. 4 Milliarden Euro »verdient« hat?.

  4. Der Vater des Neoliberalismus, Hayek, richtete sich gegen den Begriff der Leistung und wollte ihn durch Wert ersetzt sehen. So wie man für eine schöne Stimme nichts geleistet hat, so ist es auch mit dem Verdienst, der einem vom Marktschicksal zufällt aufgrund des Werts, den man für die Marktgesellschaft hat. Mit dem Hinweis auf Leistung kriegt man die Neoliberalen nicht....

  5. Ja, die waren schön weitblickend und ahnungsvoll. Herbert Marcuse auch. Der eindimensionale Mensch ist seit 1990 Realität...

  6. Es ist dieser protestantisch — puritanische Habitus, zugleich Glaubensbekenntnis, welche hier offenbar wird. Reichtum ist Gottessegen und nicht zu hinterfragen. Wohin gegen die Armut Strafe Gottes ist... und weder zu hinterfragen oder zu ändern ist. »Gott« war für die Gläubigen jener Zeit nur im wirtschaftlichem Wohlstand zu erkennen. Auf dieser Basis fußt dieses weltumspannende neuzeitliche System des Neoliberalismus und abgewandelte Sprüche wie « Jeder ist seines Glückes Schmied«, »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen« etcpp. Das alte Glaubensbekenntnis hat sich gehäutet, angepasst und stellt sich nun so dar wie es Horkheimer und Adorno, schon damals , vorgefunden haben.

  7. For the recognition of private property has really harmed Individualism,
    and obscured it, by confusing a man with what he possesses. It has led Individualism entireley astray. It has made GAIN, not GROWTH, its aim.

    Aus: Oscar Wilde: The Soul of Man under Sicialism – geschrieben vor
    121 Jahren!

    Hervorhebungen von mir.

  8. @gerhardq

    »Ich frage mich, ob die Hohepriester wie einige FDP-Zöglinge, diesen Quatsch auch selbst glauben«

    Sie glauben daran. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Sie arbeiten viel und erhalten (ihrer Meinung nach) dadurch Beraterverträge, einen guten Lohn, Einfluss, etc. Das Weltbild passt also. Leistung lohnt sich für sie. Sie wissen, dass jeder nicht so erfolgreiche in Ihrem Umfeld weniger arbeitet. Dabei blenden sie bewusst oder unbewusst bestimmte Teile der Realität aus.

    @irgendeiner
    »Reichtum ist Gottessegen und nicht zu hinterfragen. «
    Auch wenn man sich bei Begrüdnungen zur Verteidigung dieses Segens in Widersprüch verfängt.

    http://endlessgoodnews.blogspot.de/2012/05/wenn-man-mindestlohne-einfuhrt-dann.html

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