So jetzt noch mal richtig. Ich hatte schon 2009 auf die »Kotzmodels« hingewiesen und jetzt formuliere ich das noch mal aus. Ich hatte eine Bericht gesehen, der das neue Buch von Natasha Walter vorstellte: »Living Dolls«. Worum geht es da?
Aus dem Englischen von Gabriele Herbst. Wenn sich eine 18-Jährige statt einer Weltreise eine Brustvergrößerung wünscht, scheint etwas falsch gelaufen zu sein mit der Emanzipation. Die britische Publizistin Natasha Walter hat viele junge Frauen nach ihrem Selbstverständnis befragt. Die Antworten sind erschreckend. Zwar glauben die meisten Frauen, sie hätten ihr Leben und ihre Sexualität selbstbestimmt im Griff, in Wirklichkeit aber reduzieren sie sich immer mehr auf ihr Äußeres und sehen allein ihre Attraktivität als Schlüssel zum persönlichen Erfolg. Auf dieses Lolita-Schema werden die Mädchen schon in frühen Jahren festgelegt. Es gibt fast nur noch rosa Spielzeug für kleine Mädchen, süße »Prinzessinnen« tragen Miniröcke, hochhackige Schuhe und Lippenstift. Junge intelligente Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten lassen sich in Casting Shows öffentlich demütigen. Natasha Walters kritische Bestandsaufnahme schockiert, rüttelt wach und macht eine Auseinandersetzung mit diesem wieder erstarkenden aggressiven Sexismus unabdingbar.
So, so. Klingt ja recht treffend und zeigt, warum GNT nun schon in der *klickklickklick* sechsten Staffel läuft. In einer Umfrage von Natash Walters geben 60% der jungen Frauen als berufswunsch Model an. Damit wäre der Nachwuchs auch erst mal für die nächsten sechs Staffeln gesichert. Warum sich jemand freiwillig so bewerten lassen will, geht mir nicht auf. Und die Castingshow dürfte ja noch harmlos gegenüber dem richtigen Modelgeschäft sein. Wenn man dort heulen muss, wird man von der Heidi noch ganz lieb gedrückt und bekommt aufbauende Worte. Wenn es dann um richtige Jobs und Geld geht, herrscht ein andere Ton. Da wird einem ins Gesicht gesagt, dass man zu fett oder langweilig ist. Und wenn man sich einen Job nicht antuen will, steht auch schon das nächste Model vor der Tür. Also Donnerstags lieber mal abschalten.
Es ist halt immer einfacher, sein Äusseres auf »Vordermann/-frau« zu bringen, als sein Hirn.
Selbstbewusstsein kann nur entstehen, indem man sich seiner Selbst bewusst ist. Wer sich durch sein Äußeres definiert, verleugnet die eigene Sterblichkeit und Vergänglichkeit. Wir werden alle alt, runzlig und grau. Wir bekommen Falten, das Denken und das Gehen wird langsamer usw. Wer seine eigene Vergänglichkeit nicht ins Auge sehen kann, ihr durch vermeintliche »ewige Jugend« zu entfliehen versucht, wird nie selbstbewusst, sondern ewig unsicher und labil sein.
Im übrigen ist es banal, das Leben in all seinen Facetten und Wunderlichkeiten, auf das visuelle Wahrnehmen zu reduzieren.
Die Reduktion des Ichs aufs Äußere ist logische Folge der Haben-Kultur.
Das was dem Manne sein getunetes Auto, seine dicken Muskeln und der Einkommen und Gimmik(schwanz)vergleich, ist den Frauen das Aussehen, die Anerkennung, der soziale Status und damit verbundene Vorteilsnahme.
Alle Prozesse, Eigenschaften und Kompetenzen werden verdinglicht, als Besitz bewertet und im Rahmen der Vermarktungsideologie als Ware angepriesen. Wer hier junge Frauen bemitleidet sollte dabei nicht die Männer vergessen, die oft genauso geistig beschnitten werden und sind.
Es gibt sicherlich auch Frauen, die abgebrüht das Geschäft wittern und durchziehen, weil es eben für sie eine lukrative Angelegenheit ist und dabei nicht Opfer sind. Das gilt sicher weniger für die besonders jungen Mädchen.
Ob jemand nun seine Arbeitskraft verkaufen muss und dafür gelobt wird, das er vor dem Chef buckelt und im vorauseilenden Gehorsam besonders eifrig dem Unternehmen dienlich ist, oder jemand seinen Körper / sein Aussehen verkauft und damit um Anerkennung buhlt und gleichzeitig dem Unternehmen andient.
Es ist immer wieder dasselbe Verhaltensmuster der Unterwerfung unter die bestehende Geschäfts-(Un)Kultur und das betteln um Anerkennung und Zugehörigkeit.
Das Frauen einen stärkeren Hang zum Kleiderwechsel haben, das sie gerne und viel spielerisch mit Klamotten und Kosmetika umgehen spricht doch nur für simple Unterschiede der Geschlechter und andere Wahrnehmungswelten. Hier wieder eine Erziehungsverunstaltung zu mutmaßen mag unter bestimmten Gesichtspunkten richtig sein, übergeht aber an der Wurzel die möglichen Unterschiede von Menschen.
Innenwahrnehmung, Aussenwahrnehmung und die räumliche Wahrnehmung.
In diesem körperlichen und geistigen Existenzraum, innerhalb dieses Potentials unterschiedlicher Wahrnehmungsschwerpunkte, findet noch jeder Mensch sein eigenes Wahrnehmungszentrum. Es verschiebt sich von Mensch zu Mensch und nicht immer nur von männlich zu weiblich.
Die Potentiale Überschneiden sich, haben Ähnlichkeiten die verbinden. Die Geschlechter haben ihren jeweiligen Schwerpunkt um den sich die Mehrheit entfaltet, während Ausreißer auch dem anderen Geschlechtsmuster entsprechen.
So sind genauso Männer Pfauen, die sich sehr für ihr Äußeres interessieren, es genauso überziehen wie Frauen.
Eins jedoch zeigt dieses Modell: Von Mann und Frau zu reden ist eine Spaltung des Menschen. Wer ausschließlich die Geschlechtsdimension in der Betrachtung einfließen läßt, übersieht zumeist das Verbindende zwischen beiden Gruppen: Sie sind Menschen und damit entsprechen sie zwei Seiten einer Medaillie, ergänzen sich hervorragend. Sehnen sich danach zu einem Ganzen gefügt zu sein.
Natürlich darf an dieser Kritik nicht fehlen, das es schon durchaus mit familiären Erfahrungsmustern zusammenhängt, in wie weit das Töchterchen sich in der Selbstdefinition der Haben-Kultur definiert. Der Geist der Eltern wird eben in aller Regel mit an die Kinder weitergegeben und Eltern lebten und leben im zunehmenden Materialismus. Wieso sollten Kinder also anders werden als die Eltern oder die Gesellschaft? GNT ist insofern nur ein logischer Weg. Jedenfalls in der menschenfeindlichen Umgebung der kapitalistischen Wertewelten, der Haben-Kultur.
Es gibt eben nicht nur die vermeintlich religiöse Indoktrination. Die vorherrschenden Gedanken finden immer wieder den Weg in die Köpfe der Nachkommen — Desto weniger Wert auf geistige Entwicklung gelegt wird, umso weniger Reflektion und Bewußtsein entwickelt wird, desto stärker findet Indoktrination mit bestehenden Werten statt anstelle selbst welche zu entwickeln oder Selbstbewußt aus dem Angebot vorhandener Ideale wählen zu können.
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Damit möchte ich Ihre Kritik JT ergänzen, nicht als falsch darstellen. Ich hoffe ich konnte mich verständlich machen.
MFG
es ist der schöne schein. ein nichtssagender lebenslauf, eine schlechte diplomarbeit etc. sind wenn sie mit ansprechendem zeitmässig gestyltem äusseren daherkommen immer noch angesehener als das gehaltvollere pendant im schlichten aussehen. wehe dem schüler ohne pc, der seine jahresarbeit handschriftlich und ohne eingedruckte bildchen einreichen muss, oder dem bewerber, der noch handschriftliches vorzulegen wagt.
und auch im job ist die oder der durchgestylte bewerber mit der richtigen klamotte seinem fachlich versierterem mitbewerber allemal voraus.
und wenn da teenies auf den gedanken kommen, lieber alles fürs äussere zu geben und (das bedenken sie leider nicht- evtl bis sehr evtl) die fette kohle zu kassieren als eine anstrengende ausbildung zu absolvieren um dann jahrende in einem 400 €-job dahinzudarben; verständlich ist das schon irgendwie. wenn man dann noch sieht, wie geistig minderbemittelt bis geistlos diese gesellschaft geworden ist, wer sollte diesen jugendlichen denn als beispiel dienen oder ihnen glaubhaft andere werte vermitteln?
»Junge intelligente Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten lassen sich in Casting Shows öffentlich demütigen. «
Derjenige, der den Widerspruch sieht, bekommt 100 Punkte.
@muffin
Eigentlich sollte man es sich doch anschauen. Nirgendswo kann man so viel über menschliches Rudimentärverhalten lernen als im Fernsehen. Das Model was gerne Model werden will, würde am Tresen erzählen das es zwar Model werden will, aber nicht auf dem Niveau wie im Fernsehen. Um sich dann natürlich doch da anzumelden und affektiert um Gnade zu betteln. Der modellierende Modellbau mit gesellschaftsfähiger Niveauadaption sozusagen. Find ich spannend. Da reckt der Affe schon von alleine seinen Spiegel in den Luftstrom, um sein Düftchen zwar ins rechte Eck zu lenken, aber immer gesellschaftskonform moderat natürlich. Das hat ein wenig was von High-Heels tragenden Frauen bei einer Berwanderung. Ist nicht ganz so spannend, — eher lästig, aber amüsant. Spannend sind aber Damen mit Aktenkoffer, Nadelstreifen und dem Gehabe eines Josef Ackermann, — aber High-Heels tragend. (Ich stell mir grad den Joe mit High-Heels vor.) Findet man vorzugweise bei den Liberalen, (was mich wundert), aber noch mehr bei den Konservativen. (Was mich nicht wundert). Ist ein interessanter Widerspruch. Denn die Dinger erfüllen eigentlich nur drei Zwecke. Die Vermittlung sklavischen Verhaltens aufgrund Bewegungsminderung und natürlich das Heben der Arschbacken auf Mt.Everest Niveau, sowie die Begradigung krummer Beine. Als Bild übersetzt, — bedeutet dieses Bekleidungsschema; Ich bin erfolgreich, intelligent und weise, aber lass mich dein Hündchen sein.
@antiferengi: +1 Reputation für das Comment :D Wenn wir hier so etwas hätten...