Das Ich-Prinzip

»Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist. Der Mensch der mir am nächsten ist, bin ich. Ich bin ein Egoist«.

- Falco in seinem Lied »Egoist«

Egoismus ist ein böses Wort. Jeder prangert den Egoismus anderer an, aber niemand will selbst als Egoist gesehen werden. Vielleicht helfen ja ein paar übliche Zitate und Sprüche, die jeder schon einmal gehört oder selbst gesagt hat, um dem Phänomen des überall um sich greifenden Egoismus auf die Pelle zu rücken. Rechtfertigungen, Kritik und Anmerkungen sind erwünscht. Egoistisch sind schließlich immer nur die Anderen, oder? ;)

Typische Floskeln, Redewendungen und Phrasen weisen eine große Ichbezogenheit auf:

1. Ich muss auch mal wieder an mich denken!

2. Ich brauche Zeit, um zu mir selbst zu finden.

3. Warum immer ich?

4. Was soll ich noch alles machen?

5. Ich habe keine Zeit. (Jeder Mensch hat Zeit. Die Frage ist, welche Prioritäten man setzt. Dazu passt jtheripper´s »Keine Zeit«)

Auch sehr beliebt sind Sätze, die so anfangen:

Ich will/kann/brauche...
Bei mir ist es so, dass...
Ich fühle mich...
Ich finde, dass...
Mein/Meine...

Egoismus ist still, leise, schleichend. Vielleicht hilft auch Falco:

11 Gedanken zu “Das Ich-Prinzip

  1. Siehe Werbung der Postbank: »Unter’m Strich zähl’ ich!« »...und ich«.

    Kein »Wir«, nicht einmal wenn offenbar Paare die Träger der Werbebotschaft sind, nur »Ichs«.

    Das ist eine Hommage an den Egoismus und den (Zeit)Geist: »Wenn nur jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.« Ein IMO verachtenswerter Satz!

  2. Menschen können gar nicht anders, als »Egoist« zu sein, denn das so oft geschmähte Ego ist notwendig in einer physischen Welt. Das Ego aufzugeben zugunsten eines anonymen »Wir« ist fast psychischer Selbstmord.

    In der Tat muss man sich zuerst einmal selber lieben um fähig zu sein, auch alle Anderen und alles Andere lieben zu können. Die Welt krankt nicht an zu viel Egoismus, sondern an zu wenig Selbstliebe, an zu wenig Selbstwert. Wenn man sich selber nicht liebt und nicht als wertvoll begreift, ist auch alles Andere schäbig und minderwertig.

    Erst mit Selbstliebe und Selbstwert kann der Mensch auch zum Ganzen — zum »Wir« sinnvoll beitragen. Ohne diesen Zustand wird der Beitrag nur zu weiterer »Verdunkelung« führen...

  3. »Allen denken an an sich, nur ich denke an mich.« Die Menschen — also wir — sind manchmal paradox.
    Ernsthaft: Zu bekämpfen ist nicht unbedingt der in uns angelegte Egoismus, sondern dessen Ausuferungen und vor allem die Förderung und Ausnutzung dieses Egoismus durch das System, um so möglichst viel Nutzen daraus zu ziehen.

  4. »Ich« schließe mich teilweise@bl an, muss aber heftige Bedenken bezüglich der Generalität der Aussage anmelden. Viele Menschen ohne jedes Selbstwertgefühl, ja sogar ohne Selbstliebe tragen durchaus eine Menge zum »Wir« zu. Letztendlich macht fehlende Selbstliebe nur das eigene Leben unglücklicher. Selbstliebe ist auch nichts was einfach so von innen kommt, wenn wir ehrlich sind. Es hat auch immer etwas mit Vergleichen und vor allen Dingen eigenen Erfolgserlebnissen zu tun. Vom Ego aufgeben, muss natürlich keine Rede sein, eher davon das Ego dem »Wir« wieder anzugleichen. Das Ego ist einfach unverhältnismäßig und weitflächig gefördert worden, wobei das »Wir« vor die Hunde gegangen ist. Separationen sind dem dabei äußerst zuträglich. Jeder, der in einem gesicherten und erfolgsbetonten Umfeld lebt, verliert irgendwann den Vergleich mit einem Gesamt-»Wir« und wird seinen eigenen Wert zwecks fehlender Reflektion überbetonen, und damit auch die Selbstliebe steigern. Damit ist ein Zustand gegeben, nach separiertem Prinzip zu leben und Dinge wie Selbstliebe und Selbstwertgefühl danach zu orientieren. Was dem »Wir« Gefühl eher abträglich ist.
    »Ich« behaupte einfach mal, das auch Selbstliebe, Selbstwertgefühl... und und und, genauso wie Egoismus sich heute am Konkurrenzdenken und/oder am separierten Lebens- und Interessenzustand orientieren. Und das finde »ich« nicht richtig. Die Überbetonung des »ich«, mache »ich«, weil der mainstream ein »Wir« — Gefühl produziert hat, welches das »ich«-Denken, mitsamt einem übergroßen Hang zum Egoismus rekursiv gleichgeschaltet hat.
    Blöderweise, ist das jetzt ohne das »ich« nicht mehr auflösbar ;-)

  5. Jeder prangert den Egoismus anderer an, weil es ja eine Erscheinungsform ist, in der das eigene Ego keine Rolle spielt — wäre der Egoismus der anderen der Egoismus eines selbst, dann wäre er beliebt...

  6. Egoismus ist ein ziemlich weites Feld. An dem einen Ende des Ackers gibt es einen Egoismus der sich durchaus innerhalb eines ethischen Rahmens bewegt. Also einer der sich zumindest nicht destruktiv gegenüber Gemeinschaft, Mitmensch oder Umwelt verhält. Verschiedentlich waren es doch gerade auch egoistische Züge Einzelner, welche sich schlußendlich als Triebkräfte des Fortschritts erwiesen haben. Ich meine hier selbstverständlich den Fortschritt zum Wohle oder Nutzen der Allgemeinheit ... auch der Umwelt.

    Am anderen Ende des Feldes machen sich die krankhaftesten Auswüchse des Egoismus breit, also genau das was sich wie eine Renaissance übelster (un)menschlicher Eigenschaften, aus längst überwunden geglaubten Zeiten, beinahe über unseren ganzen Planeten ergiesst und ihn vergiftet und verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit. Nenne es Neoliberalismus oder Sozialdarwinismus oder wieauchimmer.

    Was wir uns täglich um die Ohren hauen lassen, ist ein künstlich gezüchteter Rausch des krankhaften Egoismus, gefördert von der Politik, flankiert und befeuert von den Medien. Dies ist nicht nur ein Verbrechen, es wird zwangsweise in eine Katastrophe münden!

    Und das Niederschmetterndste ist, dass genau derjenige sehr viel eher dem Untergang geweiht ist, der diese ›Spielart‹ des Egoismus ablehnt, egal ob bewusst oder unbewusst.

  7. Sehr beliebt ist auch immer, von eigener Verantwortung des Ich abzulenken, etwa wenn der Waffenfabrikant meint: »Wenn ich das nicht mache, würde es ja jemand anderes machen!« oder »Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, was mit meinen Waffen geschieht!«

    Oder auch die Form, in der die heutige Gesellschaft mit dem Egoismus umgeht, ihn als gesundes Sebstbewusstsein und gerechten Stolz zelebriert. Und natürlich nicht zu vergessen die immer wieder anklingenden, falschen (sozial-) darwinistischen Erklärungsmuster: »Der Mensch kann nun mal nicht anders, das ist seine Natur, dass jeder nur an sich denkt!«

  8. »Viele Menschen ohne jedes Selbstwertgefühl, ja sogar ohne Selbstliebe tragen durchaus eine Menge zum »Wir« zu.« antiferengi

    Ja, aber nur um die Verwirrung zu vergrößern. Die mangelnde Selbstliebe und das fast gänzlich abwesende Selbstwertgefühlt wird doch in der Gesellschaft ausgedrückt und jeder, der will, kann es sehen: Mangelhafte Politik, mangelhafte gesellschaftliche Strukturen, Kriege, Verurteilungen, wohin man schaut...

    Auch die sogenannten Eliten lieben sich nicht. Sie können sich nur durch den Vergleich erhöhen, wie Du zu recht bemerkt hast. Aber Schuldzuweisungen nützen gar nichts. Man muss die Verantwortung selber übernehmen und diese Verantwortung beginnt beim Denken und Fühlen. Ganz individuell. Das »Wir« kommt dann ganz von allein — ohne Selbstaufgabe, ohne Opfer. Sozusagen ein »Wir« auf Augenhöhe...

  9. Egoismus und Ichbezogenheit sind nicht dasselbe, da sollte man schon etwas genauer sein.

    Was thematisiert werden müsste, ist m.E. etwas ganz anderes: In unserer Gesellschaft kann nahezu jede »altruistische« Handlung professionell als Dienstleistung delegiert werden (man denke an Altenpflege oder Kinderbetreuung, an Müllsammlung, usw.), d.h. es einfach nicht notwendig sich um andere kümmern zu müssen, sie werden ohnehin bestens versorgt. Bei Verwandten und Freunden mag das noch kein Problem darstellen, für ein wir, ein Gemeinwesen, ist es jedoch fatal.

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