ZG-Rückblick: Zu Gast bei Autokraten

Olympische Spiele in Peking, Formel Eins in Bahrain, Fußball-EM in der Ukraine. Liegt es in der Verantwortung der Organisatoren von sportlichen Großveranstaltungen die politischen Verhältnisse des Austragunsortes zu beurteilen? Spiegelt der Sport einfach nur die Bigotterie die auch sonst in der Gesellschaft herrscht oder verschafft er Unrecht zusätzliche Akzeptanz? Oder sind es einfach westliche Wertvorstellungen die hier den Sport einschränken sollen?

todesglupsch:
Die »kritische« Berichterstattung über die politische Brisanz solcher Sportveranstaltungen ist ähnlich selbstgerecht wie die Aussagen der Verantwortlichen, bzw. teilweise auch der beteiligten Sportler selbst. In den etablierten Medien wird oft kritisiert das die Veranstaltung nicht von Sportlern boykottiert, bzw. von den Veranstaltern verlegt oder abgesagt wird. Aber die Berichterstattung über die Veranstaltung wird seitens der Medien auch nicht  freiwiliig eingeschränkt. Sowohl die Veranstalter, Medien, als auch die Sportler stellen wirtschafltiche Überlegungen in den Vordergrund und hier ist die Analogie zur Gesellschaft.

Unternehmen produzieren häufig genug, bzw. lassen produzieren, in Ländern deren politische Strukturen mindestens fragwürdig sind, wenn es wirtschaftlich vorteilig ist. Warum sollte der Sport anders handeln? Dem Sport wird häufig eine gesellschaftliche Vorbildfunktion zugeschrieben. Nicht umsonst ist der Begriff des »sportlichen Verhaltens« positiv konnotiert. Diese Vorbildfunktion kann letztendlich nicht dem Ideal entsprechend erfüllt werden, den Sportler, und wahrscheinlich vor allem Sportfunktionäre, sind mitnichten per se die besseren Menschen. Ein ehrlicher Umgang wäre also das Beste was man sich erhoffen kann. In diesem Sinne sind aber mindestens einige Äußerungen von, z.B. Vettel und Schumacher sehr bedenklich, da einen das Gefühl beschleicht, das dort Leute einerseits das Persilimage behalten und andererseits die optimalen wirtschaftlichen Bedingungen nutzen wollen, ohne Einschnitte durch politische Überlegungen hinzunehmen. Wahrscheinlich klappt das auch noch.

epikur:
Ich sehe das ähnlich wie mein Kollege todesglupsch. Die Berichterstattung über die EM in der Ukraine zeigt wieder einmal die Bigotterie unserer westlichen »Wertegemeinschaft« auf. (Leistungs-)Sport ist ein Geschäft, genauso wie die Massenmedien ein Gewerbe sind. Das verlogene, geheuchelte und bigotte Demokratie- und Menschenrechtsgefasel von Politik, Wirtschaft und jetzt auch vom Sport kann ich nicht mehr sehen. Letztes Jahr hat Deutschland einer der grausamsten Diktaturen der Welt, Saudi-Arabien, in denen Dieben die Hände abgehackt, Frauen gesteinigt und Menschen öffentlich gehängt und enthauptet werden, Leopard 2‑Panzer verkauft.

Die finanziell Schwachen in unserer Gesellschaft werden von den Herrschenden weitestgehend als Schmarotzer oder zumindest als überflüssiger Ballast gewertet. Korrupte und kriminelle Politiker wie Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble (Stichwort: »Waffengeschäft«), Roland Koch und viele andere werden für ihre Taten nicht belangt. Der Geldadel bestimmt in Deutschland die Politik, Lobbyisten schreiben an Gesetzen mit und das Volk ist vielmehr nur noch Wahl- und Zahlvieh. Für die »Bankenrettung« wurden mal eben 500 Milliarden Euro locker gemacht, wenn es jedoch um sozial-kulturelle Ausgaben geht (Arbeitslosenhilfe, Kitaplätze, Bildung, Kultur, Umwelt usw.), dann wird gekürzt und gespart, wo es nur geht. Wen wollen wir eigentlich was über Moral, Anstand und Demokratie erzählen?

jtheripper:
Hm, der eine sagt alles über den Sport, der andere alles über die Moral. Welchen Senf soll ich denn jetzt noch dazugeben?

»Also ich bin hier nur, um Fußball zu spielen und konzentriere mich auf das nächste Spiel. Die Politik überlasse ich lieber den Politikern. Sicher habe ich eine Meinung dazu, aber die ist Privatsache. Ach ja und falls es irgendwelche Unruhen gibt, sicher fühle ich mich hier auch.«

10 Gedanken zu “ZG-Rückblick: Zu Gast bei Autokraten

  1. definieren wir doch erst mal den begriff »sport«...

    geht es nur ums höher, schneller, weiter oder kann man auch ostasiatische formen der grenzerfahrung von geist und körper miteinschließen??
    bei den alten griechen hatte die ganze nummer auch noch eine religiöse komponente

    aber wenn man sich den populären spitzensports des westens so anschaut, dann erinnert das eher an AVE CAESAR MORITURI TE SALVTANT

    gestählte körper, gewinner triumphieren, verlierer müssen weinen, schweiß, blut, tränen ho ho ho !!! abgesehen von panzer und stahlhelm; wo ist da der unterschied zu faschismus?

    betrachten wir mal, wer alles aus dieser sportswelt ausgeschlossen ist: frauen (interessiert nicht so stark wie männer), alte, schwache, intellektuelle...
    beispiel fußball, das kann man machen bis man so 30 oder 40 ist und dann hat man sich seinen körper nach div. knochenbrüchen und rissen versaut und kann nur noch vom spielfeldrand reinschnautzen während sich alle gegenseitig die beine wegtreten, um dann einen staubfänger daheim sein eigen nennen zu können. mannschaftssport ist so ziemlich das übelste egozeugs was es gibt!
    dagegen das laufen ODER der ostasiatische kampfsport — edle disziplinen HIER geht es noch um etwas; es geht um philosophie, um weisheit, um den richtigen einsatz der kräfte, leben und tod... das ist natürlich langweilig für die herrschaften und kassengift sowieso!!1

    beim fußball (oder verwandten ach- und krachgeschichten) hat man alles zusammengeworfen. auch hier wurde wieder aus dem edlen laufen und dem edlen kampf ein durcheinander, ein mittelmaß, eine ödnis...
    wie gemacht für den mittelschichtsdödel, der vom sofa und mit bierdose auf der wampe es natürlich wieder besser gemacht hätte (»den muss man reinmachen«) und sich über diese millionäre aufregt, es sei denn, sie spielen in der tschämpjens lieg oder so...

    um geld, verarsche und eine sozial»darwin»istische gesinnung geht es natürlich ÜBERHAUPT NICHT, deswegen waren auch faschogesellschaften NIIIEMALS sportfixiert ;)

    die spinnen, die couch potatoes

  2. @der Typ.

    Du romantisiert hier leider den von dir richtig benannten KampfSPORT. Mit Abscheu muss ich als Kampfkünstler sehen, wie sich Leute vom Karate, Yudo, Teakwondo oder sonstwas öffentlich um Ruhm und Ehre streiten. Dazu war die KampfKUNST jedoch nie gedacht. Im Duell zwischen Meistern wurde nur festgestellt, woran der »Verlierer« noch zu arbeiten hat.
    Und auch wenn ich mir die Wettkämpfe im Klettern anschau, muss ich kotzen. Das Klettern ist normal eine Erfahrung — Der Fels gegen dich. Du bist mit dem Kopf reduziert auf deinen Körper und den nächsten Griff bzw. Tritt. Das Ziel ist nur deine eigenen körperlichen bzw. psychischen Grenzen zu überwinden. Nur für dich machst du das. Wenn jetzt aber Wettkämpfe darin ausgetragen werden, verschwindet dieses Element, denn du misst dich nicht mehr an deinen bisherigen Grenzen, sondern an deinem Ergebnis gegenüber den anderen Teilnehmern.

    Deswegen mach ich gern jeden Sport mit anderen, solange es nicht im Wettkampf stattfindet — das nimmt einem doch nur den Spaß ;)

  3. @peepwood: yup, finde ich auch; wettkampf hat für mich was leeres

    aber wenn man mal anguckt, dann fristen solche sportarten, die in die kategorie »kampf gegen dich selbst« oder einfach nur spaß sind etc. ein nischendasein in den MEDIEN

    erfolgreich sind sportarten, wo es »knallt«

    und auch wenn kung fu ziemlich erfolgreich oder beliebt ist bei der medialen ausschlachtung, fällt auf, dass all der background großzügig weggelassen wird, während man gerne und oft die handkanten »sprechen lässt« hauptsache es scheppert und es passt wieder in das alte schema; übrig bleiben klischee und roundhousekick

  4. Ach Jungs, — bleiben wir doch ehrlich. Ich mach seit über dreissig Jahren Kampfsport. Natürlich kann man das romantisch oder sonst wie edel verknuspern. Mit all dem asiatischen Hokuspokus drum rum. Geht ja nicht darum, jemandem die F... zu polieren, — nöhhh geht natürlich edel darum den anständigen Helden zu verklammern. Wenn jemand angreift und so. Filmreif halt. Eastern John Wayne lässt grüßen. Die Mädels stehen auf die harten Typen mit weichem Herz. Und so weiter und so fort. Umpf. Letztendlich die Gewinnertypen schlechthin. Boooah. Was für ein bigottes Zeugs. Machen wir uns nix vor. Was glaubt ihr wohl warum das Kampfsport heißt? Soll man dem Kampf noch Blumen umhängen? Fehlt noch, dass man die ganze BruceLee-Kacke als Friedensport verhökert. Das ist genauso bigott wie Friedensmissionen mit Leopard 2 Panzern oder militärische Befriedungsaktionen. Ich hab nix gegen Sport. Aber er ist nun mal einfach zweitrangig. Absolut unwichtig gegenüber menschlichen Themen, — die alle betreffen. Wird Zeit, dass wir das lernen und auch so sehen. Bei so dämlichen Gewinnerspielen in der Ukraine z.B. sollte man das auch zeigen. Bringt vielleicht auch die Sportfunktionäre mal wieder auf den Teppich. Ohne anständige Prioritätenliste in Sachen Ethik, kriegt man das nie gebacken. Da kann ich auch Goldfische im Aquarium für unabhängig vom Weltgeschehen erklären, während nebendran Menschen gefoltert und missbraucht werden. Was haben Goldfische mit den Abgründen von Menschen zu tun? Japanische Zierfischausstellung in Afghanistan vielleicht? Das Ding ist einfach ein Geschäft. Und wenn man Meuchelmördern das Geschäft versauen kann, dann soll man dies tun. Sport hin, — Sport her. (Ich geh jetzt meine Achillessehnen eincremen, — die sind trocken wie drei Tage alte offenliegende Zahnpasta. Die alten Knochen taugen höchstens noch zum Tanzen ;-)

  5. @eb: ja nee, is klar...
    mir schon bekannt, dass viele welche nach zuviel bruce lee mit karate angefangen haben oder die ganzen modernen yogatypen für die das lifestyle ist, dass das nichts mit der ursprünglichen philosophie zu tun hat...

    aber du musst doch zugeben, dass sich manche sportarten besser geeignet haben um ausgeschlachtet zu werden und manche da standhafter geblieben sind, oder??

  6. Yep. Todesursache Nr. 1 in D. ist nach wie vor »Herz- Kreislauf«! Haben wohl alle zu wenig Ikebana, Kwadrate und Mi-Ka-Do gemacht.

    Im Ernst. Sport ist ein wichtiges Erziehungselement in autoritären Gesellschaftssystemen. Mit ihm werden bestimmte Tugenden andressiert: Konkurrenzprinzip, Überbietungsprinzip, Bodyness, »Bis zum letzten Atemzug«, Kampf als ehrenvolle Aufgabe usw.

  7. Ich finde es geradezu grotesk, daß sich unsere schwäbische Hausfrau und er bigotte Pfarrer aufspielen, als wüßten sie nicht, was in der Ukraine gespielt wird. Es geht denen doch nur darum, die Nähe der Ukraine zu Russland zu diskreditieren, denn mit der Timoschenko hätten die westlichen Konzerne ihren Fuß in der Ukraine gehabt. Mit der Eisprinzessin hätte es doch eine märchenhafte EM gegeben, während die Menschen in den Gefängnissen verrotten. Es haben sich doch nur die Spielfiguren geändert, die Verhältnisse sind gleichgeblieben. Daher sind die Äußerungen unserer Politschauspieler nichts weiter als Heuchelei.

    Übrigens halte ich Boykott für die blödsinnigste Handlung im Sport überhaupt. Wenn ich boykottiere, wird erstens niemand etwas über die Lebensumstände in diesem Land erfahren und zweitens wird sich in diesem Staat niemand bemühen, die Situation zu ändern. Internationale Großveranstaltungen sorgen für ein verändertes Verhalten aller!

  8. @Der Typ. ;-)) Kein Problem. Klar. Wollte nur mal ein wenig den Staublappen auswedeln. (oder die ollen Knochen ;-) Aber sinnigerweise ist im letzten Jahrzehnt eine Menge Mythos in und um den Freizeitsport entstanden. Wobei sich die Grundlage überhaupt nicht geändert hat. @peepwood. Das Ich und der Fels, kommt immer erst vorher oder nachher, — um es zu beschreiben und zu verklären. Im Felsen selber, wirst du mir nicht erzählen wollen, dass du solche Gedanken schiebst. Gilt auch für den Kampfsport. Merken wir was?

  9. @eb: Das war auch garnicht romantisierend gemeint, sondern der Erfahrungsbericht. Mein Hirn lässt da nicht mehr zu ;) Ich hab da weder Gedanken, die einen intellektuellen Test bestehen würden, als auch nicht wie weit ich vom Boden weg bin. Da sind nur die nächsten Paar Meter wichtig. Jede Ablenkung würde in einem Sturz enden

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