ZG-Rückblick: Blogs sind tot?

»Blogs im ursprünglichen Sinn (Blogpost+Kommentare) sind tot.« So habe ich es schon auf verschiedenen themenspezifschen Blogs gelesen. Aber ist dem so? Viele Blogleser surfen ihre Lesezeichen nur kurz an, lesen quer oder nur den Teaser-Text im RSS-Feed. Kommentiert wird nicht mehr. Wenn es wirklich etwas zu sagen gibt, hat jeder Internetaktive sein eigenes Sprachrohr (facebook, twitter, blogger, wordpress). Also was kommt als nächstes? Verkommen Blogs zu einseitigen Newstickern? Oder wie bekommt man die User von Heute und Morgen wieder zur aktiven Mitgestaltung?

jtheripper:
Nun auch mein Surfverhalten ähnelt dem stillen Leser. Wenn es bei einem sehr interessanten Beitrag schon viele Kommentare gibt, lohnt es sich nicht, dass ich da meinen Senf auch noch rein schmiere. Wenn es dagegen 0 Kommentare sind, bin ich auch fast nie der Eisbrecher. Natürlich gibt es Mittel und Wege die Kommentarzahl ein wenig zu erhöhen, aber darum geht es ja nicht primär. Ich denke, dass die Personen, die gerne im Netz kommunizieren inzwischen mit ihren eigenen Portalen ausgelastet sind, als dass sie bei fremden Projekten mitwirken. Man muss auch zugeben, dass das direkte Feedback auf ein einzelnes Kommentar auch nicht so groß ist, als wenn man z.B. im Facebook-Profil postet und alle »Freunde« darauf reagieren. Ich kann mir deswegen auch gut vorstellen, dass Blogs mehr und mehr zu einer einseitigen Kommunikation übergehen oder im Gegenteil sich in ein Portal oder eine Community wandeln, die es eigentlich vor dem großen Web 2.0 Boom in diversen Foren schon gab (und natürlich immer noch gibt, aber eindeutig weniger geworden ist). Wahrscheinlich muss aber noch der Facebook-Hype abklingen und die Leute sich erst wieder in neuen kleinen (Open)-Social-Networks wiederfinden.

todesglupsch:
Eigentlich kann ich wenig dazu sagen. Ich nutze weder Social Networks noch kommentiere ich regelmäßig Blogs oder twittere. Es ist immer noch wichtiger welche Qualität die Kommunikation hat, als wie sie übermittelt wird. Sollte eine weitere Veränderung der angesagten Technik anstehen, werde ich vermutlich auch diesmal erst den Nutzen selbiger wahrnehmen, wenn diese bereits nicht mehr angesagt ist (ich arbeite gerade an meiner myspace-Seite).

epikur:
Ich glaube, solche Gerüchte und Behauptungen wird es immer geben. Bestes Beispiel: »Magic ist tot!« (*zu todesglupsch schiel*). Aber lassen wir es mal dahingestellt sein, wieviel da dran ist oder nicht. Ich denke, dass Blogs schon noch viel gelesen werden, aber die Lust am kommentieren eher abnimmt. Das kann mit der Qualität der Beiträge, dem eigenen Zeitmanagement oder auch einfach mit der fehlenden Antwortidee zusammen hängen. Ein Blick in Blogcounter.de oder ähnlichen Klickzählern verrät doch, dass Blogs weiterhin konsumiert werden. Gerade in einer Zeit der medialen Gleichschaltung und Propaganda sind Blogs, als Form einer Gegenöffentlichkeit, nicht zu unterschätzen.

Ob und inwiefern man einen Schritt weiter gehen kann oder sollte, ist die andere Frage. Ich stehe gut durchdachten Konzepten jedenfalls aufgeschlossen gegenüber. Gleichzeitig bleibe ich jedoch auch skeptisch, denn Fortschritt an sich, wie immer der auch aussehen mag, verändert vieles, aber nicht immer zwingend zum Besseren.

9 Gedanken zu “ZG-Rückblick: Blogs sind tot?

  1. In unserem »Land« da im Norden gibt es praktische keine »Gegenöffentlichkeit«.

    Die Probleme aber häufen sich. Insofern bin ich zumindest froh, dass ich mit meinem Blog einiges benennen kann — und — mir dabei selbst zusehen kann, welche Meinung ich mir bilde.

    Denn, neben dem »Agieren« im öffentlichen Raum — Einwendungen schreiben, BürgerInnen informieren — geht es mir darum zu verstehen, welche Möglichkeiten sich auftun, um zusammen mit anderen herauszufinden — »Was ist das Leben wert«.

    Im »Freitag« (Nr. 39, 30.September 10) hat Raul Zelik dazu eine, wie ich finde, sehr gute »Vision« aufgeschrieben.

    Wobei ich epikur recht gebe: ein gut durchdachtes Konzept, vor allem mit einer größeren »Wirkung« nach Außen, muss auch ich noch suchen . . .

  2. Na, blogs sind auf keinen Fall tot. Vielleicht dazu noch eine andere
    Stellungsnahme.

    Und meiner Ansicht nach, sind diese Mini-Talk-Maschinen, die sich social-networks nennen, (ich frage mich immer noch wo das social da herkommt ), schon rein funktionell und zielgruppenmäßig keine Alternative oder gar Konkurrenz. Was tatsächlich rum ist, ist die Zeit, dass man Anzahl Leser mit Anzahl Kommentatoren in Relation bringen kann. Rein quantitativ ist das, denke ich zumindest im Rahmen der B/C‑Blogger, auch gar nicht mehr möglich, — wobei auch das Feed-Angebot hieran nicht ganz unschuldig ist. Manchmal finde ich es schade, dass Leute das neueste einfach abgraben und beim Erzeuger nicht mal vorbei schauen.

    Beim Konzept fände ich aber unbedingt wichtig, dass es das persönliche Konzept ist, — ich meine für einen selber, nicht dafür, wie man mächtig viel Leser oder/und Kommentatoren bekommt.

  3. Eine angesichtige Kommunikation führt in den heutigen Zeiten oft einige Behinderungen mit sich. Blogs sind daher gute Varianten, den zwischenmenschlichen Gedankenaustausch zu pflegen, unabhängig zunächst davon, ob gelesen oder geschrieben wird.

    Mich selbst machen Blogs weder schlauer noch dümmer. Was es von dieser Welt so alles zu berichten gibt, weiss ich ja bereits schon, da es ein widriges Extrem bezeichnet. Es passierte gestern, es passiert gerade jetzt und es passiert morgen wieder auf’s Neue: Es sterben Menschen einen gewaltsamen und unterlassenen Tod, weil sich einige auf dieser Welt nicht zusammenreissen wollen/können.

    In die Blog-Tiefen der sich daraus ergebenden Sisyphus-Arbeiten, welche sich mit kausalen Zusammenhängen aus Ursache und Wirkung ergehen, tauche ich dennoch gerne ein.

  4. Zum einen Teil gebe ich Epikur Recht damit, dass einfach diese Fülle an Informationen nicht zulässt, eine genaue Durchsicht der Kommentare zu machen und zweitens wären meine Kommentare bei euch im Blog oder in Roberto’s eh nur meistens: »Du hast vollkommen Recht« (was nicht heißen soll, dass ich alles unreflektiert runterschlucke ;))

    Solang eure Besuchszahl noch gut sind, solltet ihr euch keine Gedanken machen. Denn wer hat schon Lust über Twitter mit je 140 Zeichen zu diskutieren?...

  5. Um mal zunächst dem Kollegen Antiferengi recht zu geben: Blogs sind imo keinesfalls tot! Ein paar der jüngeren KollegInnen (darunter auch ich) merken das an steigenden(!) Zugriffszahlen, mehr Diskussion im Kommentarbereich und somit generell »steigender Aufmerksamkeit«. Nach gut 14 Monaten Blog würde ich selber »das gute alte Blog« also nicht vorschnell für tot erklären wollen.

    Weitere Gründe? Nun, Blogs können etwas leisten, was die »Social Networks« höchstens begrenzt leisten können: Eine ausführliche Meinungsaußerung seitens Autor wie Leser (und Leser sind wir doch alle) ist bei der Frequenz und der teilweise vorhandenen Zeichenbeschränkung eh nicht drin, nur kurze Info, und — »Charakter« läßt sich imo noch am besten über ein eigenes Blog/eigene Website »transportieren«. Nehmt mal analog die Fanzines: Sind die etwa ausgestorben durch all die neuen Kommunikationsmethoden? Eben. Sie haben sich mittlerweile auch online etabliert und nutzen natürlich oft auch Twitter & Co.

    Was ganz wichtig ist und auch unser Kollege Jens vom Spiegelfechter immer wieder zu recht reklamiert: Der Content ist das Entscheidende! Laßt uns mal weiter ernsthaft was in die Diskussion werfen, von Newshunting möglichst Abstand halten, und uns jede(n) LeserIn ernstnehmen. Der Informationsaustausch und der Diskurs werden folgen — und das ist es doch, was wir wollen, oder?

    Laßt Euch also bitte nicht entmutigen (auch hinsichtlich der Stats zum Jubiläum), sondern denkt weitere Möglichkeiten an, Eure Arbeit(!) zu verbreiten, und macht ansonsten weiter so ;-)

    Beste Grüße vom Nachbarn
    Frank

  6. Nur eure Blogs sind tot, weil ihr euch sowieso bloß um euch selbst dreht und den Rest erheblich langweilt. Die Clique aus selbstrefenziellen Möchtegernintellektuellen, sexistischen Alphablogger und linkstoleranten, spießbürgerlichen Plappermäulchen zieht zwar Publikum, aber das zieht auch wieder ab, wenn es sich genug belustigt hat. Als Webbetreiber auf Besucherzahlen zu schielen, heißt eben nicht, dass Mann auch politisch ist oder Gesellschaftskritik betreibt, sondern nur dass er ein eitler Trottel ist, der sich auch freut, wenn kleine Kinder mit dem Finger auf ihn zeigen, weil ihm die Hose offensteht.

  7. @Isi

    Dann sollten wir ZG-Machos uns am besten mit offener Hose von kleinen Kindern und FeministInnen auslachen lassen, das auf Video aufnehmen und uploaden. Vielleicht kriegen wir Egomanen dann ein paar mehr Hits. Dazu ist uns jedes Mittel recht :D

  8. Super! Dazu solltet ihr noch versuchen, mit den klatschenden Arschbacken nach FliegInnen zu schnappen. Als tumbes Publikum, dem wirklich alles erklärt werden muß, möchte ich dennoch eine tolle Show geboten bekommen — aber bitte mit Ansage. Selbstdenken überfordert mich so leicht.

  9. Blogs sind zweifelsohne eine Bereicherung. Aber ich kann hin und wieder das Bedürfnis nicht verleugnen, die Bemühungen bündeln zu wollen, und das Gewirr der vielen Stimmen ein wenig zu ordnen. Die gestalterischen Kräfte, die auch wollen, in ein Boot holen. Und dann gemeinsam erörtern — das wäre ein feines, demokratisches Projekt.

    Auch wenn das ein wenig ökonomisch klingt: Man schreibt dort, wo man (auch) etwas zurückbekommt, wo ein gegenseitiger Lern- und Bildungsprozess entsteht, eine wechselseitige Befruchtung — das ist ein oft sehr filigranes Gleichgewicht, Freundlichkeit, und eine diskussionsfördernde Atmossphäre sind wesentlich. Es gibt etliche Orte, die diese Kriterien erfüllen, und man verteilt seine Zeit...

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