Neusprech: Bundeswehreinsatz

»Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will nicht von einem Krieg in Afghanistan sprechen — trotz der sich verschärfenden Sicherheitslage und der drei bei einem Gefecht getöteten Bundeswehrsoldaten«

- Meldung auf merkur-online vom 25. Juni 2009

Deutschland befindet sich mit Afghanistan im Krieg. Um jedoch in der Öffentlichkeit eine größere Zustimmung für diesen Krieg zu bekommen, wird es seitens der Medien und der Politiker sprachlich vermieden, von einem »Krieg« zu sprechen. Stattdessen fallen Vokabeln wie Kampfeinsatz, das deutsche Engagement in Afghanistan, kriegsähnliche Zustände, bewaffneter Konflikt, Afghanistan-Einsatz, Stabilisierungseinsatz, Bundeswehreinsatz oder Mission. Offiziell wird »Deutschland am Hindukusch verteidigt«, wie der frühere Verteidigungsminister (»Verteidigung« ist hier ein Euphemismus!) Peter Struck betont hatte. Da Deutschland jedoch von Afghanistan nicht angegriffen wurde, werden vor Ort wohl eher politische, wirtschaftliche und geostrategische Interessen »verteidigt«. Euphemismen begleiten die tägliche Berichterstattung, wenn es um den Krieg in Afghanistan geht. Weiterlesen

Faschismussprech

Es scheint bei einer schwarz-gelben Bundesregierung kennt die bürgerliche Presse kein Halten mehr. Mit aller sprachlichen Härte versucht nun, z.B. die WELT, faschistisches Denken massentauglich zu machen:

Heinz Buschkowsky hat recht mit seiner Kritik an der Familienpolitik. Denn anders als geplant, schafft das Elterngeld vor allem Gebäranreize in der Unterschicht. Von 100 Elterngeldbabys, die eigentlich alle von Karrierefrauen hätten kommen sollen, steuerten diese im Jahre 2007 gerade mal neun bei. Eine folgenschwere Entwicklung.

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Neusprech: Beschäftigung

»Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers«

- Sozialgesetzbuch 4, Paragraph 7, Absatz 1

Der Begriff »Beschäftigung« ist im deutschen in zweifacher Hinsicht inhaltlich besetzt. Die erste Definition gibt an, dass ein Mensch eine körperliche oder geistige Tätigkeit vollführt: sich-mit-etwas-beschäftigen. Als Gegensatz zur sog. Langeweile, des vermeintlich nicht aktiv-seins. Die zweite Definition ist eine Gleichsetzung mit dem Begriff der »Lohnarbeit«: als »beschäftigt« und »Beschäftigter« in Deutschland gilt, wer einer Lohnarbeit nachgeht. Weiterlesen

Neusprech: Belastbarkeit

»Belastbarkeit und Flexibilität sind außerordentlich wichtig, da — bedingt durch das Wesen von Projektarbeit — oft und immer mal wieder unplanmäßige und den Fortgang erschwerende Situationen eintreten können.«

- Stefan, 41 Jahre, Unternehmensberater auf authentisch-bewerben.de

Das Stichwort der sog. Belastbarkeit ist oftmals eine Kernforderung von Unternehmen an ihren Lohnarbeitern. Damit sind Überstunden, Stress, schlechtes Arbeitsklima, Schichtarbeit, zeitlicher Druck und vieles andere gemeint — meist für den Lohnarbeiter vornehmlich unangenehme Sachverhalte. In vielen Stellenausschreibungen ist heute die Belastbarkeit eine wichtige Eigenschaft, die gefordert wird. Weiterlesen

Neusprech: Bildungsangebot

»Unter anderem will die Union nach einem Wahlsieg ein durchschnittliches Wachstum von drei Prozent erreichen und die Bildungsangebote im Land massiv ausbauen.«

- Meldung aus dem Handelsblatt zur Saarland-CDU vom 19. Juni 2009

Der Begriff »Bildungsangebot« offenbart die Korruption unserer Sprache durch eine marktwirtschaftliche Weltanschauung. Alles Menschliche und Dingliche wird zu einer Ware gemacht, zu einem Angebot, dass auf eine vermeintliche Nachfrage trifft. Selbstbestimmte Individuen, ein Denken, Handeln und Entscheiden abseits eines marktwirtschaftlichen Kosten-Nutzen Kalküls wird sprachlich-ideologisch unterbunden bzw. unterdrückt. Alles ist ökonomisch und alles ist eine Ware lautet die Devise. Auch die Bildung bzw. der geistige Horizont eines Menschen ist tausch — und verwertbar. Weiterlesen

Neusprech: Jobcenter

»Die Zusammenarbeit von Stadt und Arbeitsagentur in der Arbeitsgemeinschaft Jobcenter, kurz ARGE genannt, funktioniert. Sie funktioniert so gut, dass es gelungen ist, die Arbeitslosenquote bei den unter 25 — Jährigen auf 3,6 Prozent zu drücken«

- Mitteilung von Stadtrat Joachim Horner aus der Gemeinderatsfraktion der SPD Mannheim vom 9. Februar 2009

Die Bezeichnungen des sog. »Jobcenters«, der »Arbeitsgemeinschaft« (ARGE) oder auch der »Agentur für Arbeit« sind klassische Euphemismen. Das zu deutsch »Zentrum für Arbeit« suggeriert eine Institution, in der es Lohnarbeit zu verteilen gäbe. Ein Hort der Arbeit für Arbeitssuchende quasi. In Wahrheit wird Arbeitslosigkeit, werden die Arbeitslosen verwaltet, schikaniert und herumgestoßen. Das gleiche gilt für die »Agentur für Arbeit«. Dieses Marketing-BWL-Neusprech soll dem Arbeitslosen klar machen, dass dort vermittelt und nicht verwaltet wird. Weiterlesen

Neusprech: Humanitäre Intervention

»Der französische Außenminister Bernard Kouchner hatte gestern vorgeschlagen, eine humanitäre Interventionstruppe der EU nach Goma zu entsenden, um der bedrängten Zivilbevölkerung beizustehen«

- Pressemitteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker vom 31. Oktober 2008

Die humanitäre Intervention bezeichnet die gewaltsame, militärische Einmischung von Staaten in das innere Geschehen eines anderen Staates. Legitimiert wird dieser Eingriff häufig dadurch, dass Menschen sich in Notlagen befinden, die außenstehender Hilfe bedürfen. Die Zulässigkeit der humanitären Intervention widerspricht vor allem das Völkerrecht, das jedem Staat einen Angriffskrieg verbietet. Auch besteht eine hohe Missbrauchsgefahr durch Interessenspolitik, weil hohe moralische Ziele durch den Begriff zwar vorgegeben, aber nicht zwingend die eigentliche Handlungsmotivation der Einmischung sind. Weiterlesen

Neusprech: Naturkatastrophe

»Früher war die Naturwissenschaft ein Mittel zur Abwendung von Naturkatastrophen. Heute zur Anwendung.«

- Dr. phil. Jeannine Luczak

Das Wort Naturkatastrophe setzt sich aus dem lateinischen Wort »natura,« die Geburt, und dem griechischen Begriff »katastrephein« für umwenden zusammen. Als Naturkatastrophen werden Vulkanausbrüche, Erdbeben, Fluten, Stürme, Waldbrände und Bergeinstürze bezeichnet. Eine einheitliche Definition des Begriffes gibt es bis heute nicht. Vielfach wird die Naturkatastrophe als ein Ereignis definiert, das negative Auswirkungen auf den Menschen und dessen Infrastruktur und Wirtschaft zeitigt. Der Terminus suggeriert, als seien diese Katastrophen rein natürlichen Ursprungs und der Mensch sei lediglich Opfer dieser Ereignisse. Dabei wird verschwiegen, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel entschieden dazu beiträgt, Naturkatastrophen zu forcieren. Weiterlesen

Neusprech: Krankheit

»Es geht nicht, dass sich jeder bei Kopfschmerzen drei Tage krank schreiben lassen kann. Die ersten drei Krankheitstage sollten auf den Urlaub angerechnet oder nicht mehr bezahlt werden.«

- Klaus-Peter Meinzer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Mittelstands — und Wirtschaftsvereinigung bei netdoktor.de am 13. Juni 2006

Die Krankheit wird gemeinhin als eine unerwünschte Einschränkung bzw. Benachteiligung des Menschen gesehen. Sie wird als eine negative Zustandsform betrachtet, welche die eigenen Fähigkeiten beeinträchtigt. Das nicht Vorhandensein von Harmonie und Glück wird als Krankheit definiert. Im marktradikalen Deutschland wird die Krankheit sprachlich und ideologisch auf eine fehlende Funktion reduziert, da der Lohnarbeiter nicht mehr ganz (oder eben nur teilweise) fähig ist, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Weiterlesen