Der Markttraumjob

»Mein Job ist mein Traumjob, der am Markt gefragt ist — beste Aufstiegschancen inklusive«

- Plakatwerbung der Initiative www.praktisch-unschlagbar.de vom BMBF und BMWi im Rahmen des Ausbildungspaktes

Anmerkung: Du sollst nicht die Lohnarbeit verrichten, die Dir gefällt oder Spass macht. Du sollst den Unternehmen, den Konzernen, kurz: dem Markt dienen. Dort schuften, wo Nachfrage nach Menschenmaterial besteht. Was bedeuten schon Selbstbestimmung, Würde und freie Entfaltung des Individuums, wenn der allmächtige Gott-Leviathan »Markt« Forderungen stellt? Weiterlesen

Lohndumping-Förderungsgeld

Knapp 1,4 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Arbeitslosengeld II, obwohl sie nicht erwerbslos sind. Davon sind knapp 500.000 Vollzeit beschäftigt. Die sog. »Aufstocker« können von ihrem Gehalt nicht leben und sind deshalb auf zusätzliche Leistungen vom Amt angewiesen. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Leiharbeitsbranche, im Gast- und Verkehrsgewerbe sowie bei den Reinigungsdiensten. Seit es Hartz4 als Zuzahlung gibt, haben Lohndumping und der Niedriglohnsektor in Deutschland massiv zugenommen. Arbeitgeber, Firmen und Unternehmen zahlen Niedrigstlöhne in dem Wissen, dass sich der Lohnarbeiter den Rest zum (Über-)Leben beim Amt holt oder »schwarz arbeitet«. Der Begriff Arbeitslosengeld II ist demnach irreführend. Lohndumping-und-Schwarzarbeit-Förderungsgeld müsste es heißen.

Alltagsmarktsprache

»ALG2-Empfänger leben auf unsere Kosten«

»Das wird sich irgendwann auszahlen«

»Ich sollte mehr an mir arbeiten«

»Das lohnt sich für mich nicht«

»In diese Freundschaft habe ich viel investiert und sie ist mir wertvoll«

»Davon können alle Seiten profitieren«

»Sie müssen sich einfach besser verkaufen, wenn sie erfolgreich eine Stelle finden möchten«

Auch die Sprache der Liebe ist vermarktwirtschaftlicht.

Neusprech: Rettungsschirm

»Die Mehrheit ist deutlich: 503 Bundestagsabgeordnete haben für die Stärkung des Euro-Rettungsschirms votiert«

- SpiegelOnline vom 26. Oktober 2011

Der Begriff »Rettungsschirm« besteht aus zwei Wörtern: Rettung und Schirm. Einen Schirm trägt man meist über seinen Kopf und er soll den Betreffenden vor einer Naturgewalt schützen: vor Wind, Regen oder Sonne. Nicht zu verwechseln mit Bild- oder Lampenschirm. Das Wort »Rettung« impliziert, dass jemand oder etwas vor einer Gefahr gerettet werden müsse und der vermeintliche Retter eine menschenfreundliche Tat vollbringt. Insofern ist der Terminus »Rettungsschirm« doppelt positiv aufgeladen. Weiterlesen

»Beseitigung von Obdachlosigkeit«

Der ehemalige Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat seine Doktorarbeit mit folgendem Titel verfasst: »Bürger ohne Obdach: zwischen Pflicht zur Unterkunft und Recht auf Wohnraum; Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit«. Wie Plagipedi festhält, ist die Arbeit (seltsamerweise) vergriffen. Dennoch kann man kleine Einblicke erhaschen, die sehr aufschlußreich sind. Weiterlesen

Der Neonationaliberalismus

Der Neoliberalismus spricht mit einer schrecklichen Einheitlichkeit aus all seinen Lebensäußerungen und Hinterlassenschaften [...]. Was irgendwie von der einen zugelassenen Form abwich, drang nicht an die Öffentlichkeit; Buch, Zeitung, Behördenschrift und Formulare — alles schwamm in derselben neoliberalen Soße [...]. Der Neoliberalismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.

Anmerkung: Die Zitate wurden aus Victor Klemperers Buch »LTI« (lingua tertii imperii — die Sprache des Dritten Reiches), Stuttgart 1975, Reclam Verlag,  übernommen und die Begriffe Nationalsozialismus bzw. Drittes Reich mit Neoliberalismus ersetzt.

Neusprech: Zumutbarkeit

»Es gibt tatsächlich keine Untergrenze bei der Zumutbarkeit«

— DGB-Sprecherin Falk in der TAZ vom 18. Dezember 2004

Das SGB 2 ist die Bibel von ALG2 Sachbearbeitern. In ihr wird z.B. auch festgehalten, welche Lohnarbeit dem Erwerbslosen als zumutbar gilt und welche nicht. Die Zumutbarkeit unterliegt demnach nicht mehr der eigenen Einschätzung und Beurteilung, sondern dem Sachbearbeiter bzw. dem Gesetzgeber. In Kapitel 2 »Anspruchsvorraussetzungen«, § 10, wird die Zumutbarkeit definiert. Weiterlesen

Die perfekte Absage

Der Markt ist voll mit Bewerbungstrainern, Job-Coachern und Vorstellungsgespräch-Konditionierern, die dem Jobhungrigen erklären wollen, wie man sich am besten verkauft und präsentiert. Weshalb mit den Losern Geld verdienen? Wir, von der HastaLaVista GmbH widmen uns den Gewinnern: den Arbeitgebern, den Unternehmern, den Personalern. Wollten Sie schon immer wissen, wie man am besten eine Absage schreibt? Wie man sie vermeintlich individuell, direkt und doch massenkompatibel formuliert? Wir geben Ihnen Satzbausteine und Phrasen zur Hand. Außerdem geben wir Ihnen Tips und Tricks, wie man aus den überflüssigen Bewerbern Profit schlagen kann. Weiterlesen

Neusprech: Realpolitik

»Deutschland braucht Realpolitiker statt Moralapostel«

- Schlagzeile von Welt-Online vom 17. April 2011

Die Realpolitik bezeichnet eine Form der Politik, die sich nach pragmatischen, umsetzbaren und nach vorhandenen real existierenden Gegebenheiten richtet. Sie grenzt sich damit von einer Politik und Sichtweise ab, die normativ und werteorientiert entscheidet. Politische Entscheidungen im Sinne der Realpolitik werden zu einer verhandelbaren Masse erklärt. Alle Gesetze, Entscheidungen, Vorhaben und Ideen sollen sich nach pragmatischen Rahmenbedingungen richten. Alles was sich in diesem Spielraum bewegt, ist verhandelbar, der Spielraum selbst jedoch nicht. Der politische und wirtschaftliche Rahmen wird als gottgegeben und naturwüchsig erachtet und ist somit der Überbau des TINA-Prinzips. Weiterlesen

Das Jobangebot

- Gastartikel von Dennis82

(Dennis schreibt auch in der Freitag-Community, hauptsächlich über Steuerthemen)

Ein Begriff, den ich schon länger sehr kritisch sehe – und der auch in vielerlei Hinsicht auch bei kritischen Zeitgenossen unhinterfragt verwendet wird, ist das neudeutsch: »Jobangebot« bzw. der »angebotene Arbeitsplatz«. Dieser Begriff ist grob irreführend, denn es geht hierbei nicht um Jobangebote im eigentlichen Sinne. Es ist eben gerade nicht so, dass Unternehmer U für die Aufgabe Y an Ort Z gerade genau den Arbeitslosen A ungesehen einstellen wöllte. Weiterlesen