Neusprech: Rettungsschirm

»Die Mehrheit ist deutlich: 503 Bundestagsabgeordnete haben für die Stärkung des Euro-Rettungsschirms votiert«

- SpiegelOnline vom 26. Oktober 2011

Der Begriff »Rettungsschirm« besteht aus zwei Wörtern: Rettung und Schirm. Einen Schirm trägt man meist über seinen Kopf und er soll den Betreffenden vor einer Naturgewalt schützen: vor Wind, Regen oder Sonne. Nicht zu verwechseln mit Bild- oder Lampenschirm. Das Wort »Rettung« impliziert, dass jemand oder etwas vor einer Gefahr gerettet werden müsse und der vermeintliche Retter eine menschenfreundliche Tat vollbringt. Insofern ist der Terminus »Rettungsschirm« doppelt positiv aufgeladen. Weiterlesen

Der Vermarktung entsagen

Am 17. August 2011 lief  in der Sendung Panorama ein Beitrag mit dem Titel »Rot-Grün macht Kasse«. Auch wenn die Doku mit dem Reporter Christoph Lüdgert ein wenig sensationsheischend daherkommt, so ist sie doch zu empfehlen. Denn was sie zwischen den Zeilen sagt, ist erwähnenswert. Schröder, Fischer und Konsorten haben sich verkauft, ihre Prinzipien und Ideale verraten. 20 Prozent aller Minister und Staatssekretäre der zweiten rot-grünen Regierung betreiben heute Lobbyarbeit für Unternehmen und Konzerne. Warum? Und wie konnte das geschehen?

Wie funktioniert der Ausverkauf des Charakters, der eigenen Prinzipien und Wertvorstellungen? Verdirbt Politik den Charakter? Ist letztlich jeder käuflich und es ist nur eine Frage des Preises? Inwiefern kann man Prinzipien und Überzeugungen überhaupt noch trauen? Weiterlesen

Labergeld

Polit-Talkshows im Fernsehen sind ein Hort von INSM-Mietmäulern, von Dampfplauderern und Selbstdarstellern. Inhalte mit Erkenntnisgewinn jenseits von propagandistischen Einseitig- und Oberflächlichkeiten, sucht man in der Regel vergebens. Ob Maybrit Illner, Maischberger, Anne Will, Kerner, Beckmann oder Hart aber Fair — Diskurstheater und Inszenierung geben sich die Hand.

Umso interessanter ist, wieviel die Sender eigentlich für ihre Talkgäste ausgeben, d.h. wie hoch das Honorar für die Labertaschen ausfällt. Die Frankfurter Rundschau hat im März 2008 eine Honoraranfrage an die Sender verschickt und traf auf ein Meer des Schweigens. Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen wurden verbreitet. Die Sender reden über die Gäste-Honorare ganz und gar nicht gerne, auch die Öffentlich-Rechtlichen nicht. Angeblich bemessen sich die Honorare nach den tatsächlich anfallenden Kosten (Anfahrt, Übernachtung etc.). Das Standard-Honorar bei »Hart aber Fair« beläuft sich auf angebliche 250 Euro und bei »Anne Will« auf 500 Euro. Für Exclusivgäste, wird aber auch mal tief ins Portemonaie gegriffen. So habe, im Zuge der Doping-Affäre, Radprofi Jan Ulrich für seinen Auftritt bei Beckmann eine Aufwandsentschädigung von ca. 15.000 Euro erhalten.

Im Übrigen lagern die Sender die Produktionen der Polit-Talk Formate häufig an externe Firmen aus, an denen meist die Moderatoren beteiligt sind (z.B. Anne Will bei Willmedia). Das Outsourcen der Formate bringt eine schleichende Selbstkommerzialisierung mit sich, womit der Wille der Sender, die Formate selbst zu gestalten auf der Strecke bleibt. Die Privatisierung bringt es mit sich, dass horrende Summen an die Moderatoren gezahlt werden. Das Moderatorenhonorar betrage teilweise 20.000 Euro pro Sendung.

Wertlose Schöpfungen

Sibylle Berg greift in ihrer SPON-Kolumne einen Gedanken auf, der mir auch schon seit langem durch den Kopf geht. Intellektuelle, Künstler, Philosophen und Musiker — kurz: schöpferische und kreative Menschen, die nicht marktkonform sind und handeln, werden heute weitestgehend ignoriert oder sogar verachtet. Nur wer seine Kunst, seine Gedanken und seine Weltliebe verwerten und verkaufen kann, wird respektiert. Alle anderen kulturschaffenden Denker, Künstler und Philosophen werden als überflüssiger Ballast gesehen: Spinner, Träumer und Idealisten, die es zu nichts gebracht haben. Intelligenz wird nur geachtet, wenn sie eine Marktintelligenz ist.

Warum ist intellektuell heute ein Schimpfwort? Weil keinen Wert mehr hat, was nicht verkauft. [...] Gesellschaftlich respektiert werden unterdes nur noch Menschen, die es zu was, sprich: zu Geld gebracht haben. [...] Intellektuelle sind heute Verlierer, weil sie kein Geld verdienen. Sie haben keine Label an ihrer Kleidung, sie feiern nicht in St. Moritz, sie sind ohne jede Bedeutung für unsere Gesellschaft, also lächerlich. [..] Was nicht verkauft, hat keinen Wert.

- Sibylle Berg in ihrer SPON-Kolumne vom 31. Mai 2011

Der freiwillige Flattr-Profit

»Erst wenn alles Geld der Erde über Flattr geht, dann sind wir glücklich«

- Peter Sunde, Mitgründer des flattr-Bezahlsystems aus der TAZ vom 1. Mai 2011

Anmerkung: Alle euphorischen Flattr-Unterstützer sollten sich diesen Satz, und das Denken dahinter, mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Flattr-Aktiengesellschaft ist ein profitgeiles Unternehmen, das sich einen Dreck um gesellschaftskritische Artikel schert. Besonders linke politik‑, wirtschafts- und sozialkritische Blogs sollten sich vergegenwärtigen: wer flattr bei sich einbaut, unterstützt ein Aktienunternehmen. Besonders bei Beiträgen und Autoren, die rücksichtslose geldgeile Unternehmen kritisieren und im gleichen Atemzug geflattert werden möchten, ergibt sich für mich ein arges Glaubwürdigkeitsproblem. Bei jedem Geld herumschieben kassiert vor allem das Unternehmen in Schweden. Und mit einer Gebühr von 10% ist flattr sogar gieriger als Paypal mit ca. 2–4% Nutzungsgebühr. Der ZG-Blog sieht sich bei seiner Flattr-Kritik bestätigt und wird nach wie vor einen großen Bogen um das Bezahlsystem machen. Geld adelt nicht.

Von Idealisten und Pragmatikern

Seit längerem beschäftigt mich das Thema der eigenen Prinzipien und Ideale. Insofern kann es heute etwas esoterisch werden. Ich denke, jeder Mensch hat sich im Laufe seines Lebens Gedanken über Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, Liebe und über den Sinn des Lebens gemacht. Mich interessiert hierbei, wie und warum soviele Menschen diese Gedanken aufgegeben haben? Ist der Glaube und der Kampf für eine bessere Welt weniger sinnerfüllend und wertvoll als Konsum, Habendenken und Lohnarbeit? Weiterlesen

Neusprech: Gehaltsvorstellung

»Unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung«

- eine häufige Formulierung in Stellenanzeigen

Die Formulierung im Zitat stellt die Frage nach der eigenen finanziellen Wertigkeit. Die Phrase unterstützt die Vorstellung, nach einer vermeintlich leistungsgerechten Bezahlung. Dazu müsste man aber Leistung seriös messen können. Leistet ein Manager mehr, als eine Putzfrau? Eine Krankenschwester weniger, als ein Banker? Wie misst man Leistung? An der Bezahlung? Dann dreht man sich im Kreis: Leistung ist gleich Bezahlung und Bezahlung ist gleich Leistung. Weiterlesen

Der Fall Carsten Maschmeyer

Klaus Baum hat schon einiges zum Multi-Millionär Carsten Maschmeyer geschrieben. Sein Vermögen wird auf über 650 Millionen Euro geschätzt. Der Finanzdienstleister ist tief in Kumpanei, Filz und Korruption verstrickt. Gerhard Schröder, Christian Wulff, Thomas Gottschalk, Guido Westerwelle und viele andere Prominente nennen ihn einen »Freund«. Seine Frau Veronica Ferres findet sicher seinen Charakter ganz toll und nicht sein Geld.  Wer wirklich reich werden will in Deutschland, muss skrupellos, kriminell und rücksichtslos sein. Der folgende Film klärt über den Fall Maschmeyer auf. Unter anderem gibt es ein sehr aufschlußreiches Interview mit Albrecht Müller von den Nachdenkseiten (ab Minute 20:24).

Maschmeyer wehrte sich juristisch bis aufs Äußerste gegen diesen Beitrag! Ein Fortsetzungsvideo gibt es hier!

Entmarktet die Gedanken!

Geld regiert die Welt. Geld bestimmt den Alltag. Geld beherrscht die Gedanken. Leider scheinen die bedruckten Scheinchen auch viel negatives in der Welt zu adeln. Sicher, wir alle müssen von irgendetwas leben. Miete bezahlen, Nahrungsmittel kaufen und auch das Leben in Form von Konsumgütern und Dienstleistungen genießen, kostet Kohle. Der Sachzwang Geld tropft in jede Pore unseres Alltags. Materialismus und individuelle Konsumlust sind Prinzipien unseres Lebens. Haben-Denken und Haben-Wollen, sich verkaufen, sich anpreisen, sich im Persönlichkeitsmarkt anbieten sowie Liebesbeziehungen als Verträge betrachten, sind Zeichen für ein tief verankertes marktwirtschaftliches Bewusstsein und sind längst Teil unserer Lebenswelten. Weiterlesen

»Sie haben doch auch Wünsche, oder?«

Als ich letztens bei meiner Freundin war, besuchte uns unverhofft ein Vermögensberater. Durch einen eher ungeschickten Zufall, den ich hier nicht näher erläutern möchte, landete der Finanz-BWL-Schnösel mit Krawatte und Anzug tatsächlich auf unserer Couch. Eine  rhetorische Frage, die jeder Finanzdienstleister, Versicherungsvertreter und Vermögensberater in seinen Seminaren und Kursen lernen dürfte, wird wohl folgende sein:

Sie haben doch auch Wünsche, Träume und Ziele, die sie verwirklichen wollen, oder? Weiterlesen