ZG-Rückblick: Massenarbeitslosigkeit

Zurzeit erleben wir ein großes Getöse unseres Außenministers Guido Westerwelle, wie er auf die Schwächsten der Gesellschaft spuckt: Arbeitslose. Dabei wird davon abgelenkt, dass es in Deutschland nicht genug freie Stellen gibt. Selbst wenn im Idealfall alle Arbeitslosen einen Arbeitsplatz vermittelt bekommen, wären immer noch mehrere Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Knapp 500.000 offene Stellen treffen auf offiziell registrierte 3,5 Millionen Arbeitslose. In Wahrheit haben wir ca. 10 Millionen Arbeitslose. Was tun gegen Arbeitslosigkeit? Wird sie jemals wieder abgebaut werden können? Besteht überhaupt ein ernstes Interesse daran?

todesglupsch sagt:
Ich denke die Beantwortung der Frage ob die Arbeitslosigkeit tatsächlich nachhaltig und auf sinnvolle Weise abzubauen ist übersteigt meine Kompetenz. Und da ich kein Politiker bin kann ich es mir auch leisten, dass so zu sagen. Ich kann bestenfalls vermuten das in einer auf Wachstum getrimmten Gesellschaft in der die Produktivität, auch und vor allem der Arbeitnehmer, immer weiter maximiert wird (wahrscheinlich aus der Sicht der Wirtschaftsverbände ist das gleichzusetzen mit »optimiert«) der Bedarf an Arbeitskräften sinkt. Entsprechende Spezialisierung und Qualifikation können durchaus helfen, aber nicht in dem Maße indem es propagiert wird befürchte ich, da der Druck auch auch bei höher qualifizierter Arbeit mit steigender Produktivität wächst. Einzig und allein die Arbeit der Entscheidungsträger »leidet« vermutlich nicht an steigender Produktivität, da aber diese Arbeitspläze quantitativ aus volkswirtschaftlicher Betrachtung irrelevant sind und vermutlich auch bei noch so hoher Qualifikation nicht ohne weiteres zugänglich sind werden sie nicht die Lösung für arbeitsmarktpolitische Probleme bieten.

Inwieweit ein Interesse besteht Arbeitlosigkeit abzubauen ist eine interessante Frage, da im Mediendiskurs quasi eine nicht geführte.  Ich bin nicht überzeugt, dass Arbeitgeber ein gewisses Maß an Arbeitslosen nicht bevorzugen. Einerseits sorgt sie einfach für eine Reserve an Arbeitskräften die oft recht flexibel und kurzfristig eingesetzt werden können. Da diese aber logischerweise in der Regel nicht die Qualifikationen abdecken an denen es mangelt, ist vermutlich der wichtigere Faktor der Druck den entsprechende Mengen Arbeitslose auf die auswirken die noch in Lohn und Brot stehen. Hier geht es um eine Produktivitätssteigerung durch Angst, was gleichzeitig dazu führt die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung drücken zu können. Selbst aus rein (betriebs-)wirtschaflticher Sicht stellt sich aber immernoch die Frage, ob ein weniger unter Existenzängsten leidender Arbeitnehmer nicht produktiver ist und aus (volks-)wirtschaftlicher ist ein besser verdienender und weniger belasteter es sicher sowieso. Deshalb hoffe ich das eine solch menschenverachtende Ideologie eher die Ausnahme denn die Regel ist.

epikur sagt:
Als erstes fällt mir da immer wieder die Arbeitszeitverkürzung ein. Kein wirklich ernstzunehmender Ökonom behauptet heute noch, dass wir jemals wieder ein so großes Wirtschaftswachstum in Deutschland haben werden, dass die Arbeitslosigkeit drastisch senken kann. Auch die Produktivitätssteigerungen durch immer neue Maschinen legen die Theorie nahe, dass eigentlich nur die Struktur der Arbeitswelt verändert werden kann, um Arbeitslosigkeit erfolgreich abbauen zu können. Die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilen, die allesamt weniger arbeiten gehen, könnte eine Lösung sein.

Wir können natürlich auch weiterhin Statistikschönungen betreiben und Millionen Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausschließen. Wobei gerade letzteres immer mehr ins Wanken gerät: bei der Art und Weise wie Lohnarbeiter behandelt (Niedrig-Lohnsektor, Leiharbeit, Kündigung wegen 1,30€ Pfandbon usw.) und Arbeitslose diskriminiert werden, wird vielen so langsam klar, dass man sich nicht länger über Lohnarbeit definieren kann und sollte.

jtheripper sagt:
Ich hoffe auch, dass es mehr Leuten klar wird, aber ich sehe das noch pessimistischer. Für viele Leute ist die Lohnarbeit immer noch das wichtigste im Leben und schämen sich, wenn sie in die Arbeitslosigkeit gelangen. Ein einfacher Weg, die Arbeitslosenzahl zu verringern, wäre Arbeit neu zu definieren. Nagut, es ist so ziemlich der schwierigste Weg, aber es wäre der logischste.

Ein Gedanke zu “ZG-Rückblick: Massenarbeitslosigkeit

  1. Für Politik und Arbeitgeber wäre es ja hirnrissig, am Problem Arbeitslosigkeit etwas zu ändern. Eine bequemere Lösung zur Senkung aller Lohnkosten gibt es ja gar nicht mehr. Wenn dann nebenher noch die dadurch entstehenden sozialen Kosten gedrückt werden können, ....., was soll ich sagen? Ab einer gewissen Missverteilung von vorhandenen Arbeitsplätzen zu ungunsten der Arbeitssuchenden, sind die Suchenden zu jedem Kompromiss bereit. Ganz besonders wenn bald Hartz4 winkt. Und damit werden sie von sich aus anfangen, automatisch Gehalts-/Lohnangebote nach unten zu drücken. Sie fangen einfach an, sich von sich aus billiger anzubieten. Und dies wird auch dazu führen Tarifvereinbarungen aufzuweichen. Etwas, was uns die Gewerkschaften schon zu Schröders Zeiten bewiesen haben.

    Ich behaupte, das eigentlich jeder unbewußt weiß was Hartz4 bedeutet. Wie sonst soll ich die Sprüche der Leistungsträger deuten, wie z.B. »Willst du etwa in Hartz4 enden ....« Auch ALG‑I Bezieher beweihräuchern sich gerne mit dem Spruch der eigenen Leistungsfähigkeit und Flexibilität, ... und ja Kompromissbereitschaft. Das sie einfach nur Schiss haben weiter abzusinken, und damit beweisen, das sie genau wissen worum es geht, gibt keiner zu. Dann lieber mithelfen, den Zustand immer weiter zu verschlimmern. Solange hier nicht ein genereller Wechsel, weg von diesem Gewinnmaximierungsdenken, auch in der Politik stattfindet, sehe ich keine Hoffnung.

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