»Unsere Demokratie« (3)

»Der Rechtsstaat funktioniert!« — heißt es immer wieder. Insbesondere, wenn sehr fragwürdige Entscheidungen der Politik von den Gerichten wieder revidiert wurden. Diese Redewendung soll den Kritikern signalisieren, dass es noch Richter und Staatsanwälte gibt, die sich an geltendes Recht halten (wollen).

Nur: wie viele, öffentlich bekannt gewordene Fälle von Urteilen, die vom Gericht als rechtswidrig zurückgewiesen wurden, stehen den Urteilen gegenüber, bei denen die Betroffenen, entweder gar kein Verfahren hatten oder die Anwälte bzw. das Gericht das Recht sehr weit ausgelegt und interpretiert haben?


Rechtsstaat
Beispiele für »der Rechtsstaat funktioniert« sind:

  • der Ballweg-Prozess
  • die Rücknahme des Compact-Verbotes
  • zahlreiche Corona-Verordnungen, die später als »verfassungswidrig« verurteilt wurden
  • Dokumenteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (z.B. »RKI-Files«)
  • die Rücknahme von Demonstrationsverboten (Corona, Ukraine, Gaza)
  • Joachim Steinhöfel gegen digitale Zensur

Die rechtswidrigen Entscheidungen von Politik und Unternehmen wurden zwar von den Gerichten zurückgewiesen, den Betroffenen wurde dennoch ein schwerer Schaden zugefügt. Sozial und ökonomisch. Sie wurden diffamiert und kriminalisiert. Die Politik beweist hier, wie oft sie sich nicht mehr an geltendes Recht halten, sondern stattdessen Gesinnungspolitik betreiben will. Erst ein Gerichtsurteil muss sie an geltendes Recht erinnern.

Zudem gibt es auch viele Fälle, bei denen die Betroffenen, nicht den Weg zum Gericht gegangen sind. Entweder weil sie dazu finanziell nicht in der Lage waren oder ihre Nerven schonen wollten. Zudem gibt es weit vorauseilend-gehorsame Richter und Staatsanwälte, die nicht nur das Recht weit interpretieren, sondern auch stets im Sinne der Regierung handeln. Beispielsweise beim Amtsrichter Dettmar oder den zahlreich verklagten Bürgern wegen »Majestätsbeleidigung« (§ 188).


Unrechtsstaat
In immer mehr Fällen »funktioniert der Rechtsstaat« ganz offensichtlich auch nicht mehr. Beispielsweise bei Journalisten wie Thomas Röper, Alina Lipp und Hüseyin Dogru. Alle drei wurden via EU-Sanktion »verurteilt« (17. Sanktionspaket), ohne dass sie formell angeklagt oder rechtlich angehört wurden. Ihre Vermögenswerte wurden in Deutschland eingefroren, sie unterliegen Reiseverboten und es ist untersagt, sie finanziell zu unterstützen.

Wenn bei hochbetagten Rentnern, jenseits der 60, morgens um 6 Uhr ein Spezialkommando der Polizei die Türen eintreten und die Wohnung verwüsten, weil sie angeblich Politiker »beleidigt« und/oder »die Regierung delegitimiert« hätten — dann kann man ebenfalls zu dem Schluss kommen, dass der Rechtsstaat eben nicht mehr funktioniert. Von den juristischen Grundsätzen der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit, ganz zu schweigen.


»Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.«

- die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD)


Fazit
Hochempfindliche und haltungsbesoffene Politiker, Journalisten, Richter und Staatsanwälte missachten ‑in ihrem heiligen Kampf gegen rechts- immer öfter geltende Gesetze. Mehr noch: die Causa Brosius-Gersdorf zeigt, das nicht mehr das Recht im Vordergrund steht, sondern die eigene moralinsaure, politische Agenda. Phänomene wie die Kriminalisierung und Verfolgung von Taten »unterhalb der Strafbarkeitsgrenze«, die Schaffung von zahlreichen Meldestellen sowie die »Beweislastumkehr« von Beamten, verdeutlichen, dass Grund- und Menschenrechte immer weiter zerbröseln.

Die Redewendung »der Rechtsstaat funktioniert!« hat etwas von Selbstvergewisserung und Selbstlüge, damit man sich die zahlreichen Demokratie-Schlaglöcher nicht genauer anschauen muss. Dabei dürfte es in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat erst gar nicht dazu kommen, dass politische Protagonisten, Grundrechte mit Füßen treten oder dass Menschen wegen »Schwachkopf-Aussagen« verklagt werden.

Wenn Einzelpersonen mit teuren Gerichts- und Anwaltskosten, der Politik beweisen müssen, dass sie gegen geltendes Recht verstößt, dann stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Die Regierung delegitimiert sich selbst, wenn sie sich nicht mehr an Grund- und Menschenrechte halten will. Man kann die »Demokratie« nicht retten, indem man sie abschafft.


»Unsere Demokratie« (1)
»Unsere Demokratie« (2)

7 Gedanken zu „»Unsere Demokratie« (3)

  1. Hinzu kommt das Familienrecht, an denen die Instanzen weniger auffällig, aber zerstörerischer wirken. Wenn etwa der BGH bestimmt, das Muttis Entführung eines spanischen Kindes nach Deutschland rechtens ist, was gleichzeitig das spanische Familienrecht obsolet macht. Füllmich, was ist mit dem, dazu sagt komischerweise niemand was. Oder die Rechtlosstellung kleiner Jungs, worüber nie ein Wort verloren wurde.

  2. Ich habe ja auch schon persönlich intensive Erfahrungen mit der deutschen Justiz gemacht gegen die ich erst vor dem EGMR gewonnen habe. Seitdem steht die bei mir schon unter verschärfter Beobachtung. Ich habe da den Eindruck gewonnen, dass der Mythos des Rechtsstaates und der Kontrolle von Staat und Politik durch die Justiz durch ein paar Alibiurteile in letztlich für die Staatsräson unbedeutenden Fällen aufrecht erhalten wird.
    In räsonpolitisch bedeutenden Fällen, insbesondere was das Machtmonopol des Parlamentarismus oder die staatlich gesicherten Privilegien der Machteliten, der Reichen und Wohlhabenden angeht, wird dagegen streng nach Staatsräson und gegen den einfachen Bürger geurteilt, besonders bei den Verfassungsgerichten. Wer da nicht von vornherein den Gang nach Straßburg einplant hat gar keine Chance. Nur dort sitzen 16 Richter, die nicht alle aus Deutschland und der deutschen, juristischen Kaderschmiede kommen und entsprechend keine nationalistischen Rücksichten genommen wird. Was natürlich den Vertreter aus Deutschland nicht hindert in Nibelungentreue gegen die Mehrheit seiner Kollegen aus den anderen Ländern zu stimmen. Und letztlich bleibt auch der EGMR ein zahnloser Tiger, der nur finanzielle Entschädigung zusprechen kann, aber kein wirkliches Druckmittel auf die nationale (Un-)Rechtsprechung und Gesetzgebung hat. Folgerichtig wird auf eine Verurteilung der BRD in Straßburg pro forma mit einer Gesetzesänderung dem entsprochen, aber wie auch bei den im Artikel angeführten »positiven« Beispielen exekutiv durch Regierung, Verwaltung und Polizei dann so repressiv agiert, dass letztlich alles beim Alten bleibt.
    Willkommen in der institutionellen Diktatur Deutschland!

  3. »zahlreichen Demokratie-Schlaglöcher«
    Die dazu passenden¹ Journalisten könnte man als Bordstein-Rohrspatzen bezeichnen.
    Übrigens hat es das V‑Gericht, abgesehen von ein bisschen Murren, für in Ordnung befunden, dass sich der Bundestag bzw. dessen Wahlprüfungsausschuss mit den Wahl-Beschwerden (hier der des BSW²) so viel Zeit lassen kann, wie es gerade halt so auskommt, ’notfalls‹ bis zum Ende der Legislaturperiode. Erst wenn dieser glorreiche Zeitpunkt gekommen ist, wirft Karlsruhe dann auch mal einen gemächlichen Blick drauf.
    Abgesehen von der offensichtlichen Geringschätzung des demokratischen Wahlprozesses, insbesondere der Chancen neuer/kleiner Parteien, wird hier schon ziemlich deftige Korruption geduldet, denn falls das BSW doch noch in den Bundestag käme, würden mglw. unmittelbar Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses ihr Mandat verlieren, in jedem Fall aber ihre Alt-Fraktionen schrumpfen; Von daher ist es krass naiv, an die neutrale UND zügige Bearbeitung der Wahlbeschwerden zu glauben³.

    »EGMR ein zahnloser Tiger, der nur finanzielle Entschädigung zusprechen kann« [orinoco]
    Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in Italien Fälle (inhumane Haftbedingungen !?), in denen der italienische Staat die Entschädigungen einfach jahrelang (auf Dauer ?) nicht bezahlte; Ich habe das nicht weiter verfolgt. Letzten Endes könnten auch hier eines nicht so schönen Tages selbst die schönsten »Alibiurteile« schlichtweg ignoriert werden:
    »Karlsruhe ist weit, aber der Polizeiknüppel ist nah«.

    ¹Wie der Klecks Zensur-Tinte auf der Zeilenhonorar-Rechnung
    ²BSW ~ Bis St.(Nimmerlein) Wahlprüfen
    ³Der Rechtsstaat beruht auf Vorraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, hier der naive Glaube der GG-Väter, die Bundestagsabgeordneten würden ggf. drastisch gegen ihre eigenen Interessen (und die ihrere Fraktion bzw. ihres Blocks) entscheiden, siehe auch Fraktionszwang usw.

  4. https://axelkra.us/was-ist-demokratie-iain-davis/

    Was ist »unsere Demokratie« denn überhaupt?
    Nicht mal mehr die Tyrannei der Mehrheit.

    Die Tyrannei der Oligarchen, schön bunt und divers angemalt für den Michel. Und der glaubt am Ende noch, er hätte was zu sagen, weil er alle paar Jahre ein Kreuzchen machen darf.
    Er darf wählen, aber jemand anderes bestimmt, was seine »Wahl« bedeutet.

    Ich kann es nicht mehr hören.

  5. @Cetzer
    Ich kann nur für meinen Fall sprechen. Sobald der Bescheid des EGMR über Schadenersatz und Entschädigungssumme für das Unrecht raus war, war das Justizministerium sehr schnell dabei das Geld zu überweisen. Denn mit dem Bescheid wurden auch gleich Verzugszinsen angedroht, allerdings erst ab Zugang des Bescheids und der darin festgelegten Frist. Ich hab’s nicht mehr en détail im Kopf, aber das muss man alles bei seinen Forderungen explizit berücksichtigen, sonst kriegt man das nicht. Besser mehr als zu wenig fordern. Kann also im beschriebenen Fall von Italien so gewesen sein, dass die Beschwerdeseite das schlicht vergessen hat und deswegen der Staat sich Zeit lassen konnte und gelassen hat. Deswegen: besser selbst schlau machen und Beschwerde führen, statt sich auf einen schlechten Anwalt verlassen.
    Für die Auslagen (Prozesskosten u.ä.) vor dem Entscheid des EGMR gibt es keine Zinsen. Das ist ein Privileg des Staates, dass er in solchen Fällen von seinen Staatsskla ... äh ... »Bürgern« quasi ein zinsloses Darlehen bekommt.

  6. Aber man bekommt eben so wenig mit.“
    Genau. Ich konnte mir meine Meinung, Füllmichs (weitgehende) Unschuld, nur aufgrund zweier Bemerkungen bilden, einer Madame, die eine Verhandlung kommentierte, sie war demnach selbst anwesend, und das Verhalten der angeblichen Zeugen beschrieb. Das kanns ja nicht sein, da müssen die Alternativen ran, sonst können sie zukünftig auf ihr Spiegelbild zeigen, wenn sie vom Versagen der Medien sprechen.
    Ich vermute mal, Füllmich ist mit seiner Vollmundigkeit nicht Fotogen genug, weniger als Ballweg.

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