Kinder in Deutschland; Teil 46: Entwicklung

In der Pädagogik und der Psychologie gibt es bergeweise Studien, Untersuchungen und Bücher über die Entwicklung des Kindes. Dort wird festgehalten, was normal und was entwicklungsverzögert sei und somit gegebenenfalls einer Diagnose eines Facharztes bedarf. Ob pränatale Frühförderung, die Sprach-Meilensteine oder die altersentsprechenden Kompetenzen und Entwicklungen im sozial-emotionalen, kognitiven oder motorischen Bereich: darüber gibt es unzählige Veröffentlichungen. Häufig steht die Frage im Vordergrund: wie kann ich das Kind noch weiter unterstützen und/oder besser fördern? Dabei kann man auch eine ganz andere Geschichte erzählen. Mit weniger euphemistischen Blümchen und mit weniger neoliberaler Sozialromantik.

    • Schon früh werden Kinder unter Drogen gesetzt und abhängig gemacht. Denn früher oder später sind heute fast alle Kinder zucker- und mediensüchtig (»medial verstrahlt«). Das macht sie weitestgehend gefügig, da in aller Regel die Erwachsenen den Stoff besitzen und die Verteilung regulieren.
    • Für viele Erwachsene ist die Schule der Ernst des Lebens. Für viele Kinder bedeutet sie das Ende der intrinsischen Motivation. Sie erleben die Schulpflicht, inklusive Hausaufgaben bis zum Umfallen, als das Gegenteil von Freiheit, Selbstbestimmung und Partizipation. Denn in den Bildungsfabriken herrscht der Zwang zur Unterordnung und Anpassung, Bulimie-Lernen und das Ertragen von willkürlichen Launen und Befindlichkeiten von Lehrerinnen. Braves Nachplappern wird belohnt. Hinterfragen wird sanktioniert.
    • Feierlichkeiten und Events wie Ostern, Weihnachten und Geburtstage, werden von vielen Kindern und insbesondere von Jugendlichen weniger als die großen Feste der Liebe, Familie und Harmonie wahrgenommen (wie es die Erwachsenen gerne hätten), sondern als Konsumtage. Denn dort erhalten sie die ersten Produkt-Segnungen des Waren-Kapitalismus: billiges China-Spielzeug, süße Drogen, Bling-Bling-Blitzer-Kram und jedemenge Plastikmüll.
    • Besonders Kinder im Jugendalter merken und spüren schnell, wie Erwachsene regelmäßig Wasser predigen und Wein saufen. Da wird ständig von Freiheit, Verantwortung, Selbstreflektion, soziales Verhalten und/oder geistiger Reife geredet, aber damit immer nur Lohnarbeit und Geld gemeint.
    • Früher oder später werden alle Kinder und Jugendlichen zu smartphone-Junkies, die einen starken sozialen Anpassungszwang verspüren, sich in den (a)sozialen Medien inszenieren zu müssen. Cybermobbing, mangelnde Kommunikationskompetenzen sowie ausufernder Narzissmus sind hier nur einige Folgen, dieser tollen modernen digitalen Welt.

In der Leistungs‑, Selbstoptimierungs- und Wettbewerbsgesellschaft bekommen Kinder immer wieder das Gefühl vermittelt, mangelhaft und ungenügend zu sein. Es ist fahrlässig, dass sich Pädagogik, Schulmedizin und Psychologie fast immer nur mit den Folgen, herumschlagen und nur selten die Ursachen thematisieren oder behandeln.

Kinder sind eben nicht nur die Summe ihrer Teile, die es gezielt zu fördern gilt, sondern sie werden auch so gemacht. Von der Politik, der Wirtschaft, den Erwachsenen, den Massenmedien und der Unterhaltungsindustrie. Darüber hinaus sollte man mit Kindern generell deutlich ehrlicher umgehen, anstatt ständig die verlogene, weltverleugnende Hollywood-Biedermeier-Familienwelt nachspielen zu wollen.

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Eine Zusammenfassung der ersten zehn Teile der Kinderserie ist auf www.zeitgeistlos.de zu finden. Alle bisherigen 45 Folgen können im ZG-Blog in der Rubrik Kindheit gefunden werden.

»Erwachsene sind doof!«
Kinder in Deutschland; Teil 34: Erwachsen werden

Ein Gedanke zu “Kinder in Deutschland; Teil 46: Entwicklung

  1. Zum Thema Schule hierbei: Soweit mir bekannt, ging es mit dem Bildungssystem an sich und der Qualität des Vermittelten in Westdeutschland schon seit den 80er Jahren bergab — ist eine Entwicklung, die schon länger andauert. Dass unter diesen Prämissen Leute zu dem Schluss kommen, die generelle Schulpflicht abzulehnen — ich muss sagen, es ist verständlich. In dieser Hinsicht ist Schule ernsthaft vielmehr etwas, was Verdummung fördert und eher eine Gesundheitsgefahr für die Kinder darstellt. Müssten sie dort nicht hingehen, würden manche durch autodidaktisches Lernen von allein glatt intelligenter werden als durch Schule...
    Obwohl ich die Idee einer Schulpflicht nicht generell verdammen würde. Gibt es keine mehr, lassen die bereits erwachsenen Smartphonezombies ihre Kinder geistig völlig verkümmern — und es würde weder jemanden interessieren, noch könnte man etwas dagegen tun (was so jetzt noch möglich ist).
    Inwieweit das mit ihrer »Digitalisierung der Schule« weiter voranschreitet, das steht noch ein bisschen in den Sternen — und ist, immerhin, budgetabhängig. Und am Geld mangelt es gern in den Bundesländern... ;)

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